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Ein alter SF-Dinosaurier stellt sich vorIch war kein SF-Fan der ersten Stunde, aber immerhin entdeckte ich die SF und stieß zum deutschen Fandom, als es noch nicht allzu alt war. Ich war immer ein Einzelgänger und war eigentlich recht weit weg vom Geschehen, hatte aber doch eine Menge Briefkontakte und kannte die verschiedensten Leute. Ich stieß zum Fandom wie wohl die meisten Leute zu jener Zeit, durch die Leserbriefspalten in den Utopia-Publikationen des Pabel Verlages und durch den Versand Transgalaxis. In den Klubs war ich nicht Mitglied, aber ich schrieb in den Anfang der sechziger Jahre in einigen deutschen Fanzines wie Teleskop. Ich habe mir nichts aus jener Zeit aufgehoben außer der Korrespondenz und könnte schwer rekonstruieren, was ich damals alles schrieb, oder wie der Ablauf der Ereignisse genau war. Als ich heftig gegen die Hefte und die Kürzungen (ach, Jugendtorheit, heute im Zeitalter der aufgeblasenen Schinken und Endlos-Serien, sehnt man sich nach Lektoren mit einem dicken Rotstift !) der dort veröffentlichten Romane anschrieb, trat ich einigen Leuten heftig auf den Slips, die dadurch wohl ihre Lebensgrundlage oder ihren Seelenfrieden, wenn nicht gar ihre Weltanschauung gefährdet sahen, was dazu führte, dass die damaligen SF-Klubs einen Boykottaufruf gegen mich erließen (ein Rundschreiben, das ich nie sah und das mich auch nicht schrecklich interessierte) und mich ausschließen wollten, was leider nicht ging, da sich herausstellte, dass ich nirgends Mitglied war. Daraufhin entbrannte einer jener Stürme im Wasserglas, wie sie die Anfänge des SF-Fandoms auszuzeichnen pflegten, und die Sam Moskowitz in seiner Geschichte der Anfänge des amerikanischen Fandoms zu einem "THE IMMORTAL STORM" emporhob. Das Ergebnis war, dass wieder andere zu meiner Unterstützung herbeieilten, und ich war plötzlich, ohne dass mich jemand kannte oder gesehen hätte (außer ein paar Wiener Fans) ein BNF= Big Name Fan, ein berüchtigter noch dazu, ohne dass ich wusste, wie ich zu dieser Ehre kam. Ich schrieb weiter, gar nichts passierte, und als Teleskop schließlich das Erscheinen einstellte, gab ich 1963 mein eigenes Fanzine heraus, den Quarber Merkur, der sich nur mit Science Fiction, Phantastik, Utopie etc. beschäftigte, nicht aber mit dem weiteren Umfeld, dem Fandom und dessen Streitigkeiten. Ich schrieb daneben auch viel für die Science Fiction Times und ein bisschen was auch für englischsprachige SF-Zeitschriften wie das Riverside Quarterly Leland Sapiros oder australische Fanzeitschriften wie die Australian SF-Review, John Foysters Zeitschriften und später Bruce R. Gillespies SF Commentary. Auch dort polemisierte ich ziemlich heftig, dort gegen die englischsprachige SF, was mir die Liebe vieler Fans eintrug. Dem Quarber Merkur verdanke ich entscheidende Bekanntschaften: vor allem Kalju Kirde, den späteren Herausgeber der "Bibliothek des Hauses Usher" im Insel Verlag, den ich dazu einspannte, für mich "Bemerkungen über Weird Fiction" zu schreiben; Stanislaw Lem, dessen Unbesiegbaren ich dort rezensierte, und vielen anderen, die Mitarbeiter wurden, wie Marek Wydmuch, Darko Suvin, Erik Simon, Johanna und Günter Braun oder Robert Plank. Durch Kalju Kirde kam ich zum Insel Verlag und später zum Suhrkamp Verlag, wo ich zuerst die "SF der Welt" bei Insel und anschließend die "Phantastische Bibliothek" bei Suhrkamp herausgeben konnte, die an die 350 Bände erreichte. Ich habe mich immer nicht nur für die deutsche oder angloamerikanische SF und Phantastik interessiert, sondern für alles, was es in der Welt auf diesem Gebiet gab, was mir dann bei Suhrkamp sehr zustatten kam. Ich wollte unbedingt Lem publizieren, ich wollte die Strugatzki veröffentlichen (bei beiden war der Marion von Schröder Verlag knapp vor Insel dran, aber es gab ja so viel von diesen Autoren), und ich habe sehr viele unbekannte Autoren ausgegraben oder auch erstmalig veröffentlicht, aber auch etliche Vertreter der Weltliteratur. Ich wurde dann auch Lems literarischer Agent für die westliche Welt (bis auf den deutschen Sprachraum) und habe für ihn an die 300 Verträge ausgehandelt, darunter mehr als zwei Dutzend in den USA. Die Verbindung mit Lem endete nach mehr als 25 Jahren mit einem großen Prozess, einem nuisance suit, den Lem gegen mich anstrengte, aber nach vier Jahren mit Bomben und Granaten verlor, was ihn mächtig gewurmt haben dürfte. Ich hatte auch das Glück, dass mir angeboten wurde, einen der ersten SF-Bildbände in den USA zu machen, als es eine Welle solcher Bücher gab. Es war leider nicht das erste, weil der betreffende Verlag mehrmals den Besitzer wechselte, was das Projekt verzögerte, aber es erschien dann doch und brachte einiges Geld ein und führte zu einem zweiten ähnlichen Band THE FANTASY BOOK, der m.E. besser, aber nicht so erfolgreich war. Daneben habe ich eine Reihe von Anthologien herausgegeben, insgesamt etliche Dutzend, darunter drei in den USA, die sich natürlich, wie zu erwarten, ganz jämmerlich verkauften. Eines ergab sich aus dem anderen. Manches erforderte nicht viel Arbeit und wurde fürstlich bezahlt, anderes kostete sehr viel Zeit und brachte finanziell gar nichts ein, die angenehmsten Dinge waren immer die, bei denen ich niemanden beknien, weil sie mir aus heiterem Himmel angeboten wurden. Ich habe mich auch nicht auf SF beschränkt, sondern auch alles mögliche anderes gemacht, vor allem Gutachten für alle Arten von Literatur für Verlage geschrieben, keineswegs nur "hohe": SF, Fantasy, Thriller, moderne Literatur, Ratgeber, Heimatromane, Sachbücher aller Art, für Verlage wie Zsolnay, Deuticke, Bertelsmann, Scherz, Piper, Malik und andere. Wie gesagt, es war vor allem eine Sache des Glücks, zu vielem kam es, das ich nie hätte so planen können, und eines ergab sich aus dem anderen, aber selbst wenn man mir einen Vorschlag machte, musste ich die Arbeit ja dann doch tun. Das meiste, was damals möglich war, wäre heute nicht mehr möglich, und was ich tun konnte, war auch höchst ungewöhnlich. Wo als bei Suhrkamp hätte ich eine Reihe von Wien aus gestalten können, ohne ständig im Verlag zu sein, womöglich als Angestellter eingebunden zu sein? Natürlich hatte Suhrkamp nie den Ehrgeiz, ein SF-Verlag zu werden, man sah die "Phantastische Bibliothek" wohl in erster Linie als Unternehmen, das einiges Geld abwarf (und mit Stanislaw und H.P. Lovecraft hat der Verlag auch ganz schön verdient und verdient noch immer), aber als sich der Markt grundlegend änderte, was vor allem das Verschwinden der Backlist bedeutete, hatte man kein Interesse mehr und heute will man dort leider gar nicht mehr wissen, dass man jemals Science Fiction und Phantastik verlegte, und ist bedauerlicherweise auch dabei, sich in inneren Grabenkämpfen zu zerfleischen. Das ist jedoch ein anderes Kapitel. Dieses Desinteresse an SF per se bedeutete natürlich auch, dass man nicht viel Geld für Rechte ausgeben wollte, was andererseits den Vorteil hatte, dass ich auf keine großen Schwierigkeiten stieß, wenn ich Exoten und unbekannte Autoren veröffentlichen wollte. Und dort glaubte auch niemand, dass es unbedingt Romane sein müssten; gerade einige der Kurzgeschichtenbände waren am erfolgreichsten. Um die großen Namen der angloamerikanischen SF hätten wir nie mitbieten können, was ich ja auch gar nicht im Sinne hatte. Immerhin bekamen wir etliche weltberühmte Autoren für überraschend wenig Geld. (Auch bei einer amerikanischen Anthologie der Weltliteratur zeigte sich der Verlag verwundert, dass ich Geschichtenrechte von Agenturen, die als harte Verhandler bekannt waren, für sehr wenig bekam; aber bei Anthologierechten, wo es ja meist um winzige Beträge geht, sind europäische Verleger viel bürokratischer und engstirniger; deutsche Verlage wollen ja überhaupt nicht, wie in Amerika üblich, mit Herausgebern, sondern nur mit den Verlagen abschließen.) Lem und Lovecraft setzten sich bei Suhrkamp durch, andere, wie H.W. Franke oder die Strugatzki waren passable Erfolge, aber J.G. Ballard war leider ein Flop. Werbung für die "Phantastische Bibliothek" hat Suhrkamp praktisch nie gemacht. Damals konnte man mit einer Kenntnis der Vergangenheit der phantastischen Literatur und des Geschehens in der Welt noch ein Programm machen und hatte dabei einen gewissen Vorteil gegenüber den anderen Verlagen auf dem Gebiet. Heute wäre das alles nicht mehr möglich, denn bei den großen Taschenbuchverlagen werden die Programme von Neuheiten beherrscht und vom Rechenstift bestimmt, und nur die Kleinverlage lassen sich noch auf Experimente ein. Im Prinzip braucht ein derzeitiger Lektor von der ganzen Geschichte der SF-Literatur gar nichts zu wissen, denn jeder deutsche Lektor kennt wohl die Zahlen der amerikanischen und englischen Verlage, die meisten Titel sind Übersetzungen, für die bereits Erfahrungswerte aus dem Heimatmarkt vorliegen (das Gros der englischsprachigen SF und Fantasy erscheint sowieso bei Bertelsmann- oder Holtzbrinck-Verlagen (wie Tor). Eine Meldung, die schon vor einigen Jahren zu lesen war, kennzeichnet die Situation auf dem Buchmarkt trefflich, und wenn es auch für Amerika gilt, so kommen die dortigen Entwicklungen, mit einiger Verspätung, doch früher oder später auch nach Deutschland. Die Buchhandelskette Barnes & Noble soll ihren Einkäufern verboten haben, Bücher zu lesen, weil sie sich dann bei ihren Bestellungen von ihren persönlichen Vorlieben beeinflussen lassen könnten! Bestellungen sollten allein anhand der Computerzahlen früherer Verkaufsziffern getätigt werden. Das kommt mir als Perversion vor, denn im Buchgeschäft, auch wenn es ein Geschäft ist, sollten doch die Inhalte entscheiden, und das ist auch ein Grund, warum ich froh bin, niemals direkt in einen Verlag eingebunden gewesen zu sein; das Leben ist weit angenehmer, man wird auch viel entgegenkommender behandelt, wenn man weit weg von den Verlagen ist, die in meinem Fall auch in den USA, England und Japan waren. Natürlich aber, wenn die Verlage das Interesse verlieren, hört man nichts mehr von ihnen und hört für sie zu existieren auf. Wenn man aber genügend viele Verlage zur Hand hat, gleicht sich alles wieder aus, und ich hatte auch das Glück, immer nur gerade so viel Aufträge zu haben, wie ich bequem ohne viel Stress, bewältigen konnte, und aus Bequemlichkeit habe ich mir die Rosinen herausgepickt, sondern praktisch alles übernommenauch für nichtzahlende Fanzines und akademische Verlage, die ohne die self-exploitation ihrer Mitarbeiter kaum existieren könnten. Im Großen und Ganzen kann ich mit meinem SF-Leben zufrieden sein, aber ich muss sagen, ich bin froh, dass ich nicht heute auf diesem inzwischen sehr kompetitiven Gebiet neu anfangen muss. Das wäre wesentlich schwerer. ![]() GRANTELEIEN EINES ALTEN SF-DINOSAURIERS
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Europäische Science Fiction und Fantasy im englischen Sprachraum
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