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Das Albtraumreich des Edward Moon

DAS ALBTRAUMREICH DES EDWARD MOON

Jonathan Barnes
Roman / Düstere Phantastik

Piper

Fester Einband, 400 Seiten
ISBN: 978-349270157-0

Mar. 2008, 1. Auflage, 19.90 EUR
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Die Handlung des Romans wird aus der Sicht des Chronisten Boswell erzählt und beginnt mit einem Mord. Cyril Honeyman – feister schwerfälliger Schauspieler und Schmierenkomödiant wird von einer jungen Prostituierten in einen Turm gelockt – dort in ein luxuriöses Schlafgemach. Er befindet sich schon in Vorfreude auf bevorstehende Sinnesfreuden und steht schon bald nackt nicht nur der Hure, sondern auch seiner Mutter gegenüber. Mehr noch von außen dringt ein monströses Wesen in den Turm, durch das Honeyman mittels Sturz aus eben jenem Turm seines Lebens beraubt wird – ein nur scheinbar grostesker Opener, der den Leser sofort an den Roman bindet.

Edward Moon, einst gutaussehend, jetzt alternd, dessen gesellschaftliches Ansehen schwindet – ein Geschöpf des alten Jahrhunderts und sein Begleiter, der lautlose rätselhafte „Schlafwandler“, sind die beiden Protagonisten des Romans. Moon, Zauberkünstler und Detektiv aus Leidenschaft, hat schon so manchen Fall gelöst. In seinem „Theater des Unglaublichen“ führt er mit dem Schlafwandler besondere Vorführungen auf.
Nach einer dieser Darbietungen spricht ihn Lady Elizabeth Glendinning an und bittet ihn um Hilfe. Ihr Gatte wurde ermordet und Moon soll den Mörder finden.
Moon holt im „Archiv“ – dem geheimen Magazin der Bibliothek des Britischen Museum, von dessen Existenz kaum hundert Personen in England wissen, Erkundigungen ein. Danach treffen er und der Schlafwandler Lady Glendinning auf ihrem Anwesen und dort auch Inspektor Merryweather. Sie werden Zeugen der Verhaftung eines Bediensteten, der ein Geständnis abgelegt hat. Der Fall scheint somit geklärt.

Moon und der Schlafwandler (leidenschaftlicher Milchtrinker) leben in den komfortabel eingerichteten Kellerräumen unter dem Theater, versorgt von Moons Haushälterin Mrs Grossmith.
Moon beklagt, dass die Ära des wahrhaft großen Verbrechens Vergangenheit ist und die Mittelmäßigkeit soweit das Auge reiche. Er sehnt sich die „guten alten Tage“ zurück und wünscht sich eine Schreckengeschichte, einen Fall, wie er sie früher gelöst hat und liest von einem weiteren Mord: dem von Cyril Honeyman.

Um sich auf andere Gedanken zu bringen, besucht Moon das Bordell von Mrs Puggsley, in dem Kunden mit besonders ausgefallenen Neigungen auf ihre Kosten kommen. Alle ihre Freudenmädchen weisen körperliche Abnormitäten auf.
Wieder zu Hause besucht ihn Inspektor Merryweather und führt Moon und den Schlafwandler in den Turm, aus dem Honeyman gestürzt ist. Jenem sonderbaren Turm, der auf keinem Stadtplan verzeichnet ist.
Moon übernimmt diesen, seinen 66ten Fall.

Eine weitere Person betritt auf einer Gesellschaft das Parkett: Thomas Cripp, ein mysteriöser Mann, der Moon gegenüber behauptet die Zukunft zu kennen und in ihr gelebt zu haben, darüber hinaus beharrt er darauf Moon zu kennen und betont, dass sie viel miteinander durchgemacht haben und Freunde waren – doch Cribb ist Moon fremd.
Wie es meist ist, bleibt es nicht bei einem Todesfall und so informiert Inspektor Merryweather Moon, dass es ein weiteres Opfer gibt, das von dem Turm fiel, aber überlebte: Philip Dunbar, der jedoch im Sterben liege und davon phantasiere, ihn habe ein Tier angegriffen. Eine Art Affe, dessen Gesicht mit Schuppen bedeckt gewesen sei und dass er seine Mutter gesehen habe (wie zuvor auch Honeyman).

Bei einem weiteren Bordellbesuch erfährt Moon von dem „Wandervolk“, Schaustellern eines umherziehenden Vergnügungsparks mit zur Schau gestellten Missgeburten - u.a. einem „Fliegenmensch“, der Kirchtürme hochklettern könne und dessen Gesicht Schuppen habe.
Sofort setzen sich Moon, der Schlafwandler und der Inspektor auf die Fährte des ominösen Fliegenmenschen, den sie als das Tier erkennen, von dem Dunbar phantastiert hat.

Doch auch Cribb wird immer mysteriöser. Er und Moon treffen sich auf der London Bridge und Cribb besteht darauf Moon die „Stadt zu zeigen“, damit er das Wesen Londons begreife.
In diesen Part bindet der Autor geschickt Lokalcolorit ein. Wie die Saint Swithin Kirche und den „Stein von London“, das „Monument“, einem Turm in Form einer riesigen dorischen Säule (17. Jhr, im Gedenken an das Große Feuer erbaut), Christopher Wrens findet Erwähnung und der Grabstein „Resurgam“ (= ich werde wiedererstehen), den er in den Trümmern der St. Pauls Cathedral fand. (Was mich als Rezensentin ansprach, da ich genau das Fragment auch 2004 in meinen Roman „Kuss der Verdammnis“ eingebunden habe)
Cribb orakelt Moon unter London läge ein Albtraumreich und dass die Tage der Stadt gezählt seien.
Im Verlauf des Gesprächs zwischen den beiden Männern erfährt der Leser einiges über Moons Geschichte und wie der Schlafwandler zu ihm kam.

Immer wieder zaubert der Autor weitere skurrile Gestalten aus dem Ärmel. So fordert Moon den Inspektor auf mit „Barabbas“ einem Insassen des Zuchthauses „Newgate“ sprechen zu dürfen. Bei dem Treffen in der Zelle wird dem Leser schnell klar, dass Moon und Barabbas einiges verbindet. Nur was bleibt natürlich erst einmal im Dunklen.
Barabbas warnt Moon davor, dass es eine Verschwörung gegen die Stadt gäbe, dass eine zersetzende Macht am Werke sei und die bisherigen Morde nur die Spitze des Eisberges seien. Und dass Moons Albtraum grade erst begänne.

Als Moon wieder nach Hause zurückkehrt, steht das Theater in Flammen, am Ort des Geschehens taucht der Albino auf, dessen Hilfsgesuch Moon zuvor abgelehnt hatte.
Mit ihm offenbart sich ein weiterer interessanter Charakter des Romans: Mr Skimpole, ein kleiner Albino, der Moon erpresst, wohl Urheber des Feuers im Theater ist und Moon schlussendlich dazu bewegen kann, ihm zu helfen. Auch Skimpole spricht von einer Bedrohung und weiht Moon in ein Staatsgeheimnis ein, in das u.a. auch das Medium „Madame Innocenti“ verstrickt ist, da sie den britischen Geheimdienst seit Monaten vor einem Komplott warnt. Sie hat ebenfalls vor drei Morden gewarnt - an Cyril Honeyman, Philip Dunbar und EDWARD MOON.

Zwei der Morde sind bereits geschehen – wird auch Moon sein Leben lassen? Zumindest gerät es erst einmal gehörig aus den Fugen. Alles woran er zeitlebens geglaubt hatte, fällt wie ein Kartenhaus zusammen, alle Vernunft und Logik scheint sich vor seinen Augen in Luft aufzulösen und niemand scheint der zu sein, der er vorgibt - und dann taucht sogar Charlotte seine Schwester wieder auf ...

... und für die Leser immer weitere Fragen.

Was hat es mit Thomas Cribb auf sich, der immer wieder in Moons Nähe auftaucht und der düstere „rote Faden“ dieses Werkes und über eine Jahrhundert alte Stadtgeschichte zu sein scheint?
Wieso hat ein gefundener Bronzekopf von Lud (Gründer Londons/König der Stadt) die Gesichtszüge von Cribb?
Wer ist Barrabas wirklich?
In welcher Verbindung steht/stand er zu Moon und seiner Schwester?
Was hat es mit der „Kirche des Sommerkönigs“, eine der reichsten Organisationen Londons, auf sich?
Wer ist der alte Mann, der „Träumer“, der unter der Stadt schläft?
Und in welchem Bezug stehen die „Lyrischen Balladen“ Samuel Taylor Coleridges (engl. Dichter der Romantik) zu dem Geschehen?

Fragen, deren Beantwortung ich nicht vorwegnehmen möchte, die Leser sollen sie sich selbst erschließen und den Duktus des Autors auf sich wirken lassen. Denn Jonathan Barnes weiß zu erzählen, auf eine düstere, exzentrische Weise. Nichts scheint zu Anfang beabsichtigt und doch ergeben alle Mosaiksteine am Ende ein dichtes Bild. Und hinterlassen einen Wunsch – man möchte mehr über Moon und sein Leben lesen.
“Das Albtraumreich des Edward Moon” ist Jonathan Barnes erster Roman, der in England zur literarischen Sensation avancierte – zu Recht!

Die Aufmachung des Hardcovers lässt keine Wünsche offen, Satz (bis auf die Passage der kursiv gesetzten Briefe der Schwester, an denen sich der Blocksatz verabschiedet hat) und Papier sind gut, nur das Lektorat ist leider nicht vollends optimal (nur zwei Beispiele: unterschiedliche Setzung von heute abend und heute Abend, da werden Dialoge „gelächelt“ - und einiges mehr), was aber den Lesegenuss dennoch nicht schmälert.

Ein Debütroman, der Lesegenuss jenseits des Mainstreams bietet.

Fazit:

Wundervoll düster-phantastischer Roman um skurrile Gestalten, bizarre Plots und einem poetischen Duktus, der an die alten Traditionen der düsteren Phantastik erinnert – absolut empfehlenswert.

04. Mai. 2009 - Alisha Bionda

Der Rezensent

Alisha Bionda
Balearen

Website: http://www.alisha-bionda.net
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Autorin, Herausgeberin, Redakteurin, Journalistin, Rezensentin, Agentin

Alisha Bionda wurde in Düsseldorf geboren und lebt seit 1999 auf den Balearen. Die Autorin beendet ihren Tagesablauf nachts am Meer - bis zum 23.05.2009 mit ihrer afghanischen Windhündin Jamila, die dann leider über die Regenbogenbrücke “gegangen&#...

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