Lehramtsstudium Umstellung

Warum noch mehr ILS?

Seit diesem Wintersemester ist das Lehramtsstudium auf das Bachelor-Master - Curriculum umgestellt worden. Der Bachelor dauert nun acht Semester, der Master vier, somit dauert das Studium drei Semester länger. Ist diese Verlängerung berechtigt? Braucht es noch mehr pädagogische Anteile im Studium? Ein Briefwechsel zwischen einer Studentin und einem Senior Lecturer.

Liebe Verantwortliche an der School of Education,

nun wurde also auch das Lehramtsstudium auf Bachelor und Master umgestellt. Es dauert nun drei Semester länger, hat viele zusätzliche Kurse und ziemlich viel mehr ECTS-Punkte als vorher, besonders im ILS (Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung)-Teil der Ausbildung. Es hat sich einiges verändert, aber man hat das Gefühl, nicht unbedingt zum Besseren. Daher möchte ich wissen: Warum diese Umstellung, warum der Bachelor, warum diese neuen Kurse, warum so und nicht anders?

Ein Beispiel: die Kurse GLL  (Grundlagen des Lernens und Lehrens) und BK1 (Basiskompetenzen 1). Ich habe die beiden Lehrveranstaltungen im selben Semester besucht und ich kann mich noch daran erinnern, dass es extrem viel Arbeit war und mir kaum Zeit für andere Kurse blieb. Ich erinnere mich an unglaublichen Stress, übertriebenen Arbeitsaufwand für die Anzahl der ECTS und eine große Belastung. Meine Fächer kamen während dieses Semesters ziemlich zu kurz und das wird wohl auch in Zukunft so sein, wenn man diese beiden Kurse besucht. Ansonsten ist mir von diesen Lehrveranstaltungen leider nicht sehr viel in Erinnerung geblieben. Ich habe unglaublich viel Zeit investiert und kann beim besten Willen nicht sagen, dass es sich gelohnt hat. Natürlich glaube ich schon, dass ich das eine oder andere gelernt habe, bestimmt habe ich mir auch vieles gemerkt und mitgenommen, das mir nur gerade nicht einfällt. Aber was sagt es denn über einen Kurs aus, wenn er mir hauptsächlich so schlimm und arbeitsintensiv und so wenig gewinnbringend in Erinnerung bleibt? Sicher nichts Gutes.

Neue Kurse – braucht man die?

Ein weiteres Beispiel sind die vielen neuen Kurse und die Frage nach deren Sinnhaftigkeit. Es kommt z.B. ein ganzes Modul zum Wissenschaftlichen Arbeiten. Natürlich ist es wichtig, das zu beherrschen. Da aber auch in den Fachstudien sehr viele Arbeiten zu verfassen sind, wird man bereits ab dem ersten Semester in fast jedem Kurs über korrekte Zitierweisen, Möglichkeiten zur Recherche und Forschungsmethoden aufgeklärt. Das neue Modul klingt also nach etwas, in dem man sich bereits zu oft Gehörtes noch ein weiteres Mal anhören darf und Übungen zu etwas machen kann, das man schon längst beherrscht und anwendet.

Durch die Umstellung auf den Bachelor und die Erhöhung der Kurszahl sowie der Anzahl der zu absolvierenden ECTS-AP nimmt das Lehramtsstudium immer mehr schulische Züge an. In den meisten Kursen herrscht Anwesenheitspflicht, wenn sich Kurszeiten also untereinander oder mit etwas Anderem überschneiden, kann man die Lehrveranstaltungen nicht besuchen und muss dann manchmal bis zu einem Jahr warten, bis diese wieder angeboten werden.

Ebenfalls neu sein wird das Tagespraktikum. Einmal ganz abgesehen von der Tatsache, dass sich Universität und Schule schon sehr schwer vereinbaren ließen, als noch viel weniger Zeit in der Schule zu absolvieren war, stellt sich die Frage, inwiefern dieses Praktikum dabei helfen soll, eine bessere Lehrerin/ein besserer Lehrer zu werden. Diese Zeit in der Schule ist eine Zeit, von der nur ein verschwindend geringer Anteil auf wirkliches Unterrichten entfällt. Die restliche Zeit, die es in der Schule abzusitzen gilt, um alle Anforderungen des Praktikumsplans zu erfüllen, verteilt sich dann auf absolut “gewinnbringende” Tätigkeiten wie die Anwesenheit bei einem Elternsprechtag (aber nur in den Gängen der Schule denn die Gespräche sind vertraulich), das In-der-Ecke-Sitzen bei einer Konferenz (in der fünf Minuten lang Unterricht und Schulbücher und dann Schüler, die man nicht kennt, Exkursionen, auf die man nicht mitfährt und Insiderwitze, die man nicht kapiert, besprochen werden) und last but not least, die Hospitation. Darunter versteht man das Hinten-in-der-Klasse-sitzen-und-jemanden-beim-Unterrichten-beobachten. Da nur die eigenen Betreuungslehrer für den Aufwand der Studierendenbeschäftigung entschädigt werden und sich andere Lehrende meist außerdem nicht allzu gern beim Unterrichten über die Schulter schauen lassen, sitzt man also Stunde um Stunde bei den immer gleichen Lehrenden in der Klasse und beobachtet den immer gleichen Unterricht, der geprägt ist vom Stil und den Vorlieben der Betreuer. Diese entsprechen vielleicht den eigenen Vorstellungen, vielleicht aber auch nicht, auf jeden Fall spiegeln sie aber keinesfalls die verschiedensten möglichen Varianten des Unterrichtens wider. Ich frage mich nun also, was soll ich dabei lernen, außer alles höflich abzunicken, mit offenen Augen zu schlafen und aufmerksam auszusehen, obwohl ich mich in Gedanken in die Südsee träume? Was soll mir diese Zeit bringen und was haben andere Studierende davon, dass es jetzt sogar noch mehr von diesen Stunden geben wird? Und vor allem, was hätte ich lernen können in all der Zeit, die ich in der Schule verbracht habe?

Reflexion, Reflexion, Reflexion

Auch zu den Kursen am Institut stelle ich mir immer wieder die Frage, ob es nicht mehr hätte sein können, das ich mitnehmen und lernen hätte können. Wenn ich mich an die Lehrveranstaltungen erinnere, fallen mir vor allem Wissenschaftler ein, die quasi als Institutsheilige gelten und deren Ideen und Ansichten man keinesfalls laut in Frage stellen darf. Und vor allem denke ich dann an das Reflektieren. Reflexion – man hat das Gefühl es handelt sich hierbei um das Lieblingswort aller Lehrenden am ILS. Fast alle Kurse, die ich bis jetzt im Rahmen des Lehramtsstudium an der SoE (School of Education) besucht habe, waren geprägt und bestimmt von Reflexionen. Ich habe über meine eigene Schulzeit nachgedacht und geredet: über die Praktikumsstunden, über die Lehrveranstaltung selbst, über andere Kurse an der Universität, über mein Privatleben, meine Kindheit, meine Vorstellungen von der Zukunft, vom Unterrichten, von der Schule, vom Leben.

Mir ist natürlich klar, dass es wichtig ist, sich seiner eigenen Handlungen und auch deren Tragweite bewusst zu werden, über belastende und inspirierende Faktoren aus der eigenen Vergangenheit Bescheid zu wissen und angemessen mit seinen Mitmenschen kommunizieren zu können. Aber ganz ehrlich, man kann alles übertreiben und meiner Meinung nach haben die Lehrveranstaltungen am ILS diese Übertreibung perfektioniert. Oft musste nach jeder Einheit ein Lernjournal verfasst werden, eine Art Tagebucheintrag, in dem ich meine Erkenntnisse und Gedanken festhielt. Dieses musste allerdings abgegeben werden, also schrieb ich dieses Lernjournal in erster Linie für die lesenden Professoren. Allzu private Gedanken und Erkenntnisse – sofern diese durch die oft trivialen Übungen und Gespräche überhaupt zustande kamen – sollte keiner lesen und was ich oft wirklich von den Kursen und Übungen hielt wollte keiner lesen (und im Hinblick auf die Note, die am Ende der Lehrveranstaltung zu vergeben war, war das wohl auch besser so). Ich habe vielleicht die Fähigkeit erworben, alle Aussagen, Gesten und Taten sowohl von mir als auch meinen Mitstudierenden bis ins kleinste Detail zu analysieren, darüber zu reflektieren und vor allem jede kleinste Kleinigkeit für gefühlte Ewigkeiten zu diskutieren. Ich erinnere mich sogar an Videoaufnahmen, die anschließend im Plenum vorgeführt und diskutiert wurden, inklusive Zeitlupe, Zurückspulen und Wiederholen von bestimmten Stellen, public humiliation sozusagen.

Obwohl also fast alles, was uns Studierende betraf, zu Tode reflektiert wurde, manchmal auch in einer Weise, mit der wir keinesfalls einverstanden waren und der wir niemals zugestimmt hätten, wenn uns denn jemand gefragt hätte, erhielten wir nur äußerst selten die Gelegenheit, zu den Übungen, Methoden und Kursen sowie unseren Lehrveranstaltungsleitern Stellung zu nehmen. Entweder geschah dies im Rahmen eines Gesprächskreises, wo es doch ziemlich schwer fällt angemessene Worte für die Kritik zu finden, die man gerne äußern würde -vor allem im Hinblick auf die Benotung die noch aussteht- oder es geschah einfach gar nicht. Und wozu das alles? Macht mich das zu einer besseren Lehrerin? Vielleicht. Aber ein Hundertstel dieser Reflexionstätigkeit hätte ganz sicher die gleiche Wirkung erzielt. Und in der restlichen Zeit hätte ich unglaublich viele andere wertvolle und nützliche Erkenntnisse für meine Zukunft im Bildungswesen gewinnen können. Wenn ich nun also höre, dass durch die Umstellung das Studium länger dauern wird, mehr Kurse zu absolvieren sind und auch mehr ECTS erreicht werden müssen, frage ich mich, inwiefern diese Zeit und diese Kurse (wenn sie so ablaufen, wie das, was ich vom ILS kenne) die Studierenden zu besseren Lehrenden machen sollen. Und ich kann keine Antwort finden, die mir gefällt.

Marina Schmidt studiert im elften Semester Deutsch und Geschichte auf Lehramt – im Diplomstudium.

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