Martin von Arndt: Der Tod ist ein Postmann mit Hut

Martin von Arndt: Der Tod ist ein Postmann mit Hut

Martin von Arndt: Der Tod ist ein Postmann mit Hut

An jedem ersten Mittwoch im Monat erhält Julio C. Rampf ein Einschreiben. Die Zustellung ist inzwischen längst ritualisiert: das tragbare Terminal mit dem Stift, der aussieht wie ein krumm geschlagener Zimmermannsnagel, die gewagte…und doch für zu leicht befundene Unterschrift Julios, der Zeigefinger des Postboten, der flüchtig an seine Kopfbedeckung, einen Tirolerhut fährt, der Wachholderschnaps im Stamperl, das erneute leichte Berühren des Hutes mit dem Zeigefinger und schliesslich die Drehung auf der Schwelle beim Verlassen der Wohnung. Und auch der Inhalt dieses anonymen Einschreibens ist stets gleich: ein einmal gefaltete[s] leere[s] Blatt.

Julio ist 40, Deutscher und lebt in Innsbruck mehr schlecht als recht als Gitarrenmusiker. Paintner, der Musikproduzent mit den schlechten Witzen, nahm ihn trotz oder vielleicht gerade wegen seiner roten, verschorften Hände für seine skurrilen Projekte, wie zum Beispiel Klassiker der Unterhaltungsmusik für chinesische Schnellimbisse zu bearbeiten. Nach mehr als 20 Jahren wurde Julio von seiner Frau Ines verlassen, was ihn deprimiert und verstört. Und dann auf einmal diese Einschreiben. Anfangs noch als einen harmlosen Irrtum betrachtet, der sich schnell durch den »richtigen« Versand aufklären würde, beginnt Julio die Impertinenz dieser anonymen Post zu beunruhigen aber auch zu faszinieren. Und so nebenbei verändert sie sein Leben.

Der Ich-Erzähler Julio hat bei oberflächlicher Betrachtung zunächst durchaus etwas von einer prekär-modernen Version eines Prinz Leonce oder Oblomows. Er verbringt auch schon einmal seine Tage im Bett und zelebriert seine Langeweile. Wiederkehrend und unversehens, fast anfallartig seine Mutlosigkeit. Sie überkommt ihn beim Schuheputzen, bei häuslichen Kleinreparaturen. Alles wird schwarz, alles wird schwer, unerträglich schwer, zu schwer für mich, unerträglich für mich…ich halte dieses Leben, mein Leben schlechthin, nicht mehr aus. Nach landläufiger Diktion würde man ihn als depressiv einstufen – und auch wieder nicht, denn er stemmt sich sehr wohl gegen dieses Gehenlassen und beginnt ein »Nächtebuch« zu schreiben, zaghaft, mit müden Gedanken. Er versucht, die Zeit urbar zu machen und irgendwann dreht sich die Welt nur noch um diese Zeilen.

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