Poesiekick

Kleine Chronologie

Autor:
Anna Breitenbach
 

Kleine Chronologie

Chronologie meiner fußballpoetischen Laufbahn - kleine Werkübersicht

Sage mir wie du sprichst und ich sage dir …! „Leistungsträger“ – Industriepoesie! Unsere Fußballmannen und -frauen tragen nicht mehr nur ihre Trikots. Sie sind „technisch gesehen“ Leistungsträger für ihren Verein und Werbungsträger – und auch noch Hoffnungsträger, jetzt gerade für die EM. Früher trugen sie ihre Mannschaft zum Sieg!
Aber ich, ungestoppt weiter, am Ball bleiben: Die Stürmerkraft (weibl.) verhalf mir dann zur Nr. 4 Sturmspitze. Und dem angekündigten Slam-Auftritt während der WM 10, meiner fußball-poetischen Performance zur vollen Einsatzberechtigung.

Kampfsprache, Krieg – „Fußball ist Krieg!“ hatte der niederländische Nationaltrainer Rinus Michels 1974 erklärt und damit auch das Feldherrentum. An Kriegsmetaphorik wahrlich kein Mangel – „über den Kampf zum Spiel finden“ hieß es: schießen, abfeuern, Volltreffer, Manntreffer, überfallartige Angriffe, tödliche Pässe, deutsche Panzer, Brecher, Abfangjäger, Kopfball-Raketen und -Torpedos, die Granate schlägt ein, Bombenhagel vor dem Tor, der Bomber der Nation, die Todesschwadron. Eine offene Feldschlacht, die Truppen stehen sich auf dem Feld gegenüber, man formiert sich, in Abwehr- und Angriffsreihen.
Die vollständige Vernichtung des Gegners im Visier, ihn frontal attackieren, über die Flanken vorrücken, mannhaftes Eindringen in feindliche Linien, Strategien untergraben, der Gegner muß niedergemacht werden, abgeschlachtet, gründlich ins Gras beißen – Rasen fressen aber Ehrensache. Gegnerische Kampfmaschinen, nicht tot zu kriegen. Und dann noch die dröhnenden Schlachtenbummler (und -bummlerinnen)! Zur WM 2010 bis an die Zähne vuvuzela-bewaffnet.

Jogi Löw soll seine Mannschaft nach einem Spiel gegen die Tschechische Republik mit dem Satz „Im Angriff sind die Spieler wie Giftpfeile in die gegnerische Abwehr gestoßen! (1) “gelobt haben."Die deutschen Panzer haben aus der armen Schweiz Hackfleisch gemacht.(2)
„Abnutzungskampf gegen bissige Portugiesen.“ (3) – Lautstarke nationale „Volksmusik“, unabgeschirmt. Und aber: „Wir gewinnen und verlieren zusammen!“ – ist so ein Mannschaftsgeist nicht geradezu global gedacht, ökologisch vorbildlich?!! Ausgleich das Ziel!
Reporter und Medien hypten die schon gewaltfreundliche Sprache noch mehr, bilder- und synonymgeil. „Gomez köpft die Angst weg!“ (ARD Sportschau) –  aber da ist doch der Fußball eine bombige Lebensspritze, in den deutschen Sprachkörper!? Sprachhüter ans Telefon!

Der Braunschweiger Lehrer Konrad Koch, der 1874 den Fußball in Deutschland eingeführt hatte, an seiner Schule, schrieb 1903 in der „Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins“: „Mit dem Spiele … haben sich leider von drüben auch eine Anzahl englischer Ausdrücke bei uns eingeschlichen. Und … so hört man auf recht vielen Spielplätzen ein widerwärtiges Kauderwelsch, das unserem köstlichen Spiele in den Augen echt vaterländisch gesinnter Männer Eintrag tun muss.“ (4)
Konrad Koch gab uns die deutschen Fußballwörter und versuchte, „der Poesie des Fußballkampfes gerecht“ zu werden – was versuche ich denn hier?!! 

Man kannte schon den Satz: Liebe ist Krieg. (Fußballer, Sportler sprechen bei Interviews gern in der Man-Person!) Und der kam dem Satz: Fußball ist Krieg! entgegen, eine Wunschbegegnung! Da fanden sich zwei Vereine, zu einem Spiel. Und stehen sich nicht auch 2 Mannschaften in der Liebe gegenüber, auf einem Spielfeld, egal ob Mann oder Frau, gemischtes Doppel oder doppeltes Einzel, Stellungsspiel, mit oder ohne Manndeckung. Mit Regeln und allen erdenkbaren Fouls. Blitzkriege und blutige, schier nicht endenwollende Auseinandersetzungen, friendly fire.
"Einige Leute denken, Fußball sei eine Sache auf Leben und Tod. Ich mag diese Haltung nicht. Ich kann denen versichern, dass es viel ernster ist als das." Bill Shankley, Mananger des FC Liverpool.(5)
Trifft das nicht auch auf die Liebe zu, Stoff und Kampfstoff, heftigster. Kann es grausamere und andere so bittere persönliche Niederlagen geben als auf diesem Feld, Knochenbrecherbegegnungen. Kann man verlassener sein als in einem Riesenstadion, unter allen Spielern der Welt, mit dem Ball allein.
Da fiel mir ein, hatte ich nicht irgendwo ein Gedicht gesehen, das „kampfstimmung“ heißt:

die spitze meiner brust
zwischen zwei fingern
wie eine zigarette
zieht er mich zu sich
und fragt in meine augen
was los ist …
antworten kann ich nicht
weil meine lippen schon
mit seinen bis aufs blut
sich streiten
                                           
                                         
Und hier, offenbar ein Naturgedicht:


sommerfeldzug

über den umgestürzten
alten baum gebogen
die lippen aufgerieben
die achseln ausgeküßt

und als ihre brüste sich
ihm entgegenstellen
schlägt er ihr den rock
übers gesicht