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# 008
IN AUGENSCHEIN - Gespräche über anonymisierte Texte (# 008). Zu Gast: Mónika Koncz
Kegelberge mit Hüten und
Mützen. Im See da unten
Wohnet der Drach.
Auf dem Eis geht ein Alter
Barfuß in Holzschuhn indessen
Sieben Paar Handschuh – o wie es
Mich an den Fäusten friert so
Ruft er im Donner der
Kleinen Lawinen.
Ich würde das spontan in die 20er-Jahre datieren, Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hutund andere haben einen Schnupfen, der Text erinnert mich an Jacob van Hoddis. [liest nocheinmal] Ja, das ist total grotesk. [lacht] Es hat drei Strophen à drei Verse, die Versanfänge sind großgeschrieben, aber gegen diese formale Strenge steht der tendenziell dadaistische Inhalt. Ich verstehe nichts. Es könnte heutig sein, es könnte aber auch schon fast hundert Jahre alt sein. Da ist schon etwas Rebellisches. Aber was für Lawinen? Wozu diese seltsamen Archaismen und wer spricht da? Ich habe das Gefühl, dieses Gedicht führt mich aufs Glatteis. [lacht] Die archaischen Worte und Verbindungen sind schon sehr eigentümlich: Im See da unten / Wohnet der Drach. Ist das von Bertram Reinecke? Nein, wahrscheinlich nicht. Es ist absurd. Wieso indessen?
Indessen ist schon ein unerwartet sachliches Wort an dieser Stelle.
Aber die Kausalitäten sind absurd. Wo sind denn diese vielen Handschuhe, wenn es den Alten an den Fäusten friert? Was sind diese kleinen Lawinen? Das ist höchst merkwürdig, ich kann nach wie vor nur sagen: drei mal drei Verse. Ein bisschen märchenhafte Zahlenversessenheit, drei und sieben und Drachen. Berge, Seen, Donner, große Begriffe werden bemüht, aber ich weiß nicht, wo sie herkommen. Ich habe ja hermeneutische Zähne und die beiße ich mir gerade an diesem Text aus, ohne zu einem befriedigenden Punkt zu kommen. Es gibt Texte, an denen man sich diese Zähne auch ausbeißt, die aber dennoch so geschlossen sind, dass es Spaß macht und in Ordnung ist, sich die Zähne auszubeißen. Hier aber geschieht nichts. Ich könnte das Gedicht auch als lustig begreifen, bleibe aber ratlos.