Olav H. Hauge - Europäischer Dichter aus Norwegen

Essay

Autor:
Klaus Anders
 

Essay

Olav H. Hauge - Europäischer Dichter aus Norwegen

Nach seinem Abgang von der Schule bleibt er zunächst zu Hause, ohne Schulabschluß. Sein Vater drängt ihn nicht, er sagt: In Ordnung, geh jobben, schreib und lies nebenbei.
Eine Zeitlang übernimmt Hauge Gelegenheitsarbeiten. Doch seine Mutter setzt ihm zu, er solle einen Beruf lernen. Am Ort gibt es eine Gartenbauschule, also wird er für einen einjährigen Lehrgang angemeldet. Er hatte nicht den Drang, Gärtner und Obstbauer zu werden. Wenn er sich nicht mit Literatur beschäftigen konnte, fühlte er sich schwach und krank. Und doch sollte er seinen Beruf bis über sein siebzigstes Jahr ausüben und seinen Lebensunterhalt daraus beziehen.

Es ist sein Onkel mütterlicherseits, Edmund, der in den nächsten Jahren für Hauge zum Mentor und wesentlichen Gesprächspartner wird. Er hatte etliche Jahre in den USA gelebt, war belesen, macht Hauge vertraut mit Henrik Wergeland, Kristofer Uppdal, Santayana, T. Carlyle und Tennyson. „Russell, Browning und Schopenhauer waren meine Abgötter zwischen meinem 19. und 30. Lebensjahr,“ notiert dieser später in seinem Tagebuch. Er beginnt aus dem Englischen zu übersetzen, schreibt Gedichte, die dann und wann in regionalen Zeitungen gedruckt werden.

Seine Ausbildung setzt er fort an der Landwirtschaftsschule in Ås bei Oslo, danach in Sogn nördlich von Bergen. Er ist häufig krank. 1934 bricht dann – womöglich mit ausgelöst durch eine unglückliche Liebe – seine sinnssjukdom aus, also die Geisteskrankheit, Psychose, der Wahnsinn, der ihn in den folgenden dreißig Jahren immer wieder heimsuchen wird. Er aß und trank nicht mehr, schlief nicht, wurde zunehmend verwirrt und aggressiv. Dem Vater blieb nichts anderes übrig als seinen Sohn zwangseinweisen zu lassen. Hauge blieb in der geschlossenen Psychiatrie dreieinhalb Jahre. Während dieser Zeit schrieb er kein Tagebuch, auch keine Gedichte, die meiste Zeit verharrte er ein einer Art Traum- oder Trancezustand. Darüber sollte er Jahrzehnte später in seinem Tagebuch ausführlich berichten. Die Diagnose war Schizophrenie, die Behandlung bestand in erster Linie im Wegsperren (auch zum Schutz der Insassen vor sich selbst) und in der Beschäftigung mit einfachen Arbeiten.
1937 wurde Hauge als gesund entlassen. Sein Onkel Edmund, auch er seit einiger Zeit stationärer Patient in der psychiatrischen Klinik, starb kurz darauf. Hauge nahm hier und da Tagesarbeiten an, für eine feste Anstellung fühlte er sich zu labil. Er stellte das Manuskript für einen Gedichtband zusammen, das er unter dem Titel Die Weidenflöte an einen Verlag schickte. Es wurde abgelehnt. Den nächsten Versuch zur Veröffentlichung unternahm er nach Kriegsende, im Sommer 1945.

Doch verweilen wir noch bei Hauges Geisteskrankheit. Zur Annäherung an seine Gedichte und seine geistige Haltung kann diese Seite seines Lebens nicht unbeachtet bleiben. Er selbst hat sich immer wieder damit auseinandergesetzt, er war der Meinung, daß es sich hier nicht einfach um einen Negativposten handelte, den man eben hinzunehmen habe, sondern daß für ihn diese Erkrankung (bei dem Begriff Erkrankung oder Krankheit bleibe ich hier der Einfachheit halber. Tatsächlich setzt eine Geisteskrankheit unserem Verständnis einen größeren Widerstand entgegen als ein entzündeter Blinddarm, dem mit den Mitteln einer rationalistischen Denktradition und dem entsprechenden chirurgischen Handwerk erfolgreich beizukommen ist), daß sie für ihn ein anderer Zugang zur Welt sei – oder man könnte auch sagen: ein Zugang zu einer anderen Welt. Daher waren die akuten Phasen, in denen er seiner Umwelt nur einfach verrückt zu sein schien, keine leere Zeit, im Gegenteil, in seinem Tagebuch schreibt er: