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Essay
Olav H. Hauge - Europäischer Dichter aus Norwegen
„Was für eine Freude! Endlich ein Dichter, ein wirklicher Dichter! Man traut seinen eigenen Augen kaum. Und wieder wird einem bewußt, wie künstlich all diese Unterschiede sind zwischen früher und heute, zwischen Traditionalismus und Modernismus, zwischen Reim und Nicht-Reim und so weiter. Die einzige wirkliche Unterscheidung ist die zwischen gut und schlecht, zwischen Talent und Nicht-Talent.“
So äußerte sich der Kritiker Odd Solumsmoen im Arbeiderbladet am 9. Dezember 1961 über Olav H. Hauges vierten Gedichtband Auf Adlers Höhe (På ørnetuva), der in diesem Jahr erschienen war. Nicht alle waren begeistert, aber die Zustimmung war doch so groß, daß Hauge der hochgeschätzte Kritikerpreis zugesprochen wurde. Da war der Dichter 53 Jahre alt.
Manche werden in eine ihre spätere Kunstausübung begünstigende Umgebung hineingeboren. Schon als Kinder macht man sie mit Kunstwerken vertraut, die Erziehung ihrer ästhetischen Urteilskraft, ihres Geschmacks beginnt in frühem Alter. Als Halbwüchsige verfügen sie bereits über eine solide Grundlage, die jemand, der aus beschränkteren Verhältnissen kommt, nun erst sich mühselig aneignen muß. Zu dieser letztgenannten Gruppe von Künstlern, denen, die in einer kunstfernen und -fremden Umgebung aufwuchsen, in der Herkommen und Armut den Kampf ums Überleben und die Zurüstung der Kinder darauf zum Wichtigsten in der Erziehung machten, gehört Olav Håkonsson Hauge, geboren am 8. August 1908 in Ulvik am Hardangerfjord in Norwegens Westland, Sohn des Kleinbauern Håkon Monsson Hauge, der zeitweise am Bau der Bergensbahn arbeitete, und seiner Frau Katrina, aus einer Bauernfamilie stammend, vor ihrer Heirat als Magd beschäftigt.
Ulvik liegt am Ende eines Seitenarms des Hardangerfjords, ca. 150 km Luftlinie von der Küste entfernt. Bis zur nächsten Großstadt Bergen fährt man heute mit dem Auto ungefähr drei Stunden. Die Gemeinde lebt seit Jahrhunderten von der Landwirtschaft, vor allem ? aufgrund des milden Klimas am Fjord und der hier einigermaßen sanft abfallenden Süd- und Südwesthänge ? vom Obstbau, seit dem 19. Jahrhundert auch vom damals aufkommenden Tourismus. Jedoch liegen 95 % des Landkreises oberhalb 300 Meter ü. NN, die hochgelegenen Gebiete sind schwer zugängliche Gebirge, von Menschen zumeist unbewohnt. An den fjordzugewandten Hängen liegen die Höfe in mehreren „Etagen“, zuoberst die Almen, die im Sommer von Schafen und Ziegen beweidet werden.
Trotz des milden Klimas ist die Gefährdung durch Spätfröste groß, weniger für die erst im Mai blühenden Äpfel, eher für Kirschen und Pflaumen. Die Süßkirschen werden z.B. auf eine Höhe von 2 – 2,50 m getrimmt. Darüber sind an Gestellen Drähte gespannt, über die bei Frostgefahr während der Blüte Persennings gezogen werden, die die gesamte Plantage zelten.
Olav Hauge war eines von sieben Kindern, drei starben früh, von den verbleibenden war der künftige Dichter durch seinen Hang sich zurückzuziehen und seine Kränklichkeit deutlich verschieden. Er nahm nicht in gleichem Maß an der Arbeit teil wie seine Geschwister, las viel. Mit fünfzehn erkrankte er für längere Zeit, verpaßte dadurch (und „weil ich nicht rechnen konnte“) die Gelegenheit, auf das Gymnasium in der 30 km entfernten Stadt Voss zu kommen. Er beendet die Mittelschule. Mit 16 beginnt er ein Tagebuch zu schreiben, eine Übung, die er bis auf zwei längere Unterbrechungen, von 1943 – 37 und von 1939 – 45, beibehalten wird bis zu seinem Tod 1994.
„I am sixteen years old (…) I am already an old man! What a unhappy boy I am!”