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Essay
Postmoderne in der türkischen Literatur - Kriterien für eine Annäherung an Ahmet Hamdi Tanpınars, Bilge Karasus und Orhan Pamuks Werke
Um die ersten Punkte – um den individuellen Stil und um das Handzeichen – wird der Diskurs geführt, durch den ganzen Roman hindurch und zugleich der Eindruck erweckt, der Mörder sei derjenige Maler, der auf persönlichen Stil Wert legt. Schließlich findet sich der Mörder, auch die Liebenden kommen nach vielen Abenteuern zusammen und die Miniaturmalerei im Osmanischen Reich siecht - laut Orhan Pamuk - weiterhin perspektivlos dahin. Am Schluss rundet ein kleiner Scherz Pamuks Weltbetrachtung ab. Die weibliche Hauptfigur Seküre erzählt:
"Vielleicht schreibt er es auf, deshalb habe ich diese unabbildbare Geschichte meinem Sohn Orhan erzählt. Ich gab ihm ungeniert die Briefe, die mir Hasan und Kara geschickt hatten, und die Pferdebilder mit der ausgelaufenen Tusche, die in der Tasche des armen ermordeten Zarif Efendi waren. Er ist immer nervös, gereizt und deprimiert und schreckt nicht davor zurück, den Menschen, die er nicht mag, Unrecht zu tun. Seien Sie Orhan deshalb nicht böse, wenn er Kara kopfloser, unser Leben schwerer, Sevket als schlecht und mich schöner und frecher als ich bin, geschildert hat. Denn um seine Geschichte schön und glaubhaft zu gestalten, lügt er alles mögliche zusammen."
Wenn man weiß, dass Orhan Pamuks Mutter in der Wirklichkeit Seküre heißt und sein Bruder Sevket, dann scheint es, als würde er den ganzen Roman relativieren wollen - er - Orhan - lügt ja schließlich alles mögliche zusammen! Ein merkwürdiger Sinnrahmen.
Betrachten wir nun die formale Ausführung des Romans. 59 Kapitel, die jeweils als Monologe gestaltet sind und oft mit erlebter Rede einhergehen, sind voller Merkmale des postmodernen Romans. Typisch ist der fehlende allwissende Erzähler und die fehlende Figurenpsychologie. Obwohl die Handlungsführung linear wirkt, gibt es sowohl eine Simultaneität der Handlungen, als auch Sprünge in verschiedene Zeiten. Allerdings sind diese Sprünge weder genau terminiert, noch scheinen sie auf genaue Kenntnis der Materie zu basieren, sie sind beliebig und höchst ungenau. Sie sind andererseits argumentativ bedeutend und unter dem Aspekt einer Beweisführung bezüglich der Unvollkommenheit der türkischen Miniaturmalerei von technischer Wichtigkeit. Sie sind schwer lesbar und wirken verwirrend, sogar auf solche Leser, die sich mit der Materie auskennen. Die Kapitel sind überschrieben mit den Namen der jeweils Sprechenden. Als Neuerung bezeichnet Orhan Pamuk, dass ein Toter spricht, ein Hund, ein Baum, ein roter Farbfleck, das Geld, ein Pferd, also Teile der Bilder. Allerdings sind derartige Techniken in der Weltliteratur keineswegs neu, und in traditionellen Märchen gibt es schon seit jeher sprechende Tiere, Fabelwesen und andere Kreaturen. Also kann man das nicht als eine originelle Schreibtechnik Pamuks deklarieren - wie sogar deutsche “Kritiker” dies tun.
Auch in diesem Roman ist die Sprache eine besondere Schwachstelle von Pamuk. Es gibt grammatische Fehler, Syntaxfehler, vor allem aber Stilfehler. Ganz besonders fällt ins Auge, dass alle Figuren - nicht nur in diesem Roman Pamuks - auf die gleiche Art und Weise sprechen, der alte Maler verwendet den gleichen Wortschatz und Syntax wie sein siebenjähriger Enkel, die junge Witwe redet die gleiche Sprache wie der Mörder - kurz gesagt: keine der Figuren ist an einer angemessenen Ausdrucksweise wieder zu erkennen.
Am Ende des anstrengenden Leseaktes stellt sich die Frage, was im Roman beabsichtigt wurde? Unterhaltung? Wohl kaum, denn die Lektüre ist - unnötigerweise - viel zu schwierig gestaltet. Das mögliche Ziel, einen allgemeingültigen Wahrheitsbegriff zum Thema Wertigkeit der Kulturen zu etablieren, was wegen der willkürlichen Gegenüberstellung der unterschiedlichen Auffassungen über die Malerei im christlichen Europa und dem islamischen Orient plausibel wirkt, scheint sehr nahe liegend. Um dies nachvollziehen zu können, wenden wir uns zuerst der Zeit der Handlung zu. 1591 ist die Herrschaft von Sultan Murad III., jenes Sultans, der eine ganze Reihe neuer und neuartiger Bilder in Auftrag gegeben hat. Der auch im Roman erwähnte Osman war tatsächlich der oberste Miniaturmaler dieser Epoche und aus seiner Feder bzw. aus seinem Atelier stammt vor allem der berühmte Surname, das Buch des Festes. Auf 500 Bildern wurde das Beschneidungsfest des Kronprinzen Mehmed III. im Jahre 1582 verewigt. Wenn wir angesichts der Zeitangabe, 1591, die Frage stellen, an welchem geheimen Buch die Miniaturmaler aus dem Roman gearbeitet haben könnten, kommen mehrere Werke in Frage. Es könnte sich um das Werk Hünername (Das Buch der Heldengedichte) handeln, an dem "die besten Künstler der Epoche" gearbeitet haben müssen. Die Miniaturen stammen von Osman selbst. Erzählt werden die Kriege Sultan Süleyman des Prächtigen. Da aber von ihm im Roman keine Rede ist, kommt dieses Werk kaum in Frage. Das oft erwähnte Buch, das von dem persischen Schah Tahmasp in Auftrag gegeben wurde, ist ein Album aus dem 16. Jahrhundert und wurde Sultan Murad III. zum Geschenk gemacht. Die eingeklebten Bilder darin stammen aus verschiedenen Epochen und aus verschiedenen Malschulen, können also auch nicht das fragliche Werk sein, obwohl im Roman überwiegend Bilder aus diesem Werk erwähnt und erörtert werden. Am wahrscheinlichsten ist es, dass das fragliche Werk der Schehinschahname ( Das Buch des Königs der Könige) ist, das die Ereignisse der Herrschaft Murads III. in persischer Sprache erzählt und von einem Aserbaidschaner erstellt wurde. Es handelt sich um ein besonders schönes Werk, in dem „Eleganz und Harmonie der Gestalten trotz eines raffinierten Geschmacks eher konventionell (sind). Im ganzen Buch gilt die besondere Aufmerksamkeit der Zeichnung der Pferde, und die Komposition scheint dem Maler besser zu gelingen, wenn es sich darum handelt, Reiter zu beschreiben. Die Darstellung des Pferdes war übrigens von jeher eine der größten Talentproben der orientalischen Maler und sogar der Dichter." - führt der weltbekannte türkische Kunsthistoriker Mazhar Ipsiroglu aus. Aber ob daran 5 bis 6 Maler gearbeitet haben, ist nicht genau überliefert. Aber da es sich um eine große Zahl von Pferden handelt, dürfte dies das fragliche Buch aus dem Roman sein. Trotz der hohen Qualität gilt dieses Bilderbuch als Ausnahme seiner Zeit, denn es steht dem persischen Stil nahe und es ist in Persisch verfasst. Insofern ist es für die zeitgenössische türkische Miniaturmalerei untypisch. Was Bekanntheit und Wertungen der türkischen Malschule betrifft, möchte ich eine wichtige Anmerkung zitieren:
"Vielleicht schreibt er es auf, deshalb habe ich diese unabbildbare Geschichte meinem Sohn Orhan erzählt. Ich gab ihm ungeniert die Briefe, die mir Hasan und Kara geschickt hatten, und die Pferdebilder mit der ausgelaufenen Tusche, die in der Tasche des armen ermordeten Zarif Efendi waren. Er ist immer nervös, gereizt und deprimiert und schreckt nicht davor zurück, den Menschen, die er nicht mag, Unrecht zu tun. Seien Sie Orhan deshalb nicht böse, wenn er Kara kopfloser, unser Leben schwerer, Sevket als schlecht und mich schöner und frecher als ich bin, geschildert hat. Denn um seine Geschichte schön und glaubhaft zu gestalten, lügt er alles mögliche zusammen."
Wenn man weiß, dass Orhan Pamuks Mutter in der Wirklichkeit Seküre heißt und sein Bruder Sevket, dann scheint es, als würde er den ganzen Roman relativieren wollen - er - Orhan - lügt ja schließlich alles mögliche zusammen! Ein merkwürdiger Sinnrahmen.
Betrachten wir nun die formale Ausführung des Romans. 59 Kapitel, die jeweils als Monologe gestaltet sind und oft mit erlebter Rede einhergehen, sind voller Merkmale des postmodernen Romans. Typisch ist der fehlende allwissende Erzähler und die fehlende Figurenpsychologie. Obwohl die Handlungsführung linear wirkt, gibt es sowohl eine Simultaneität der Handlungen, als auch Sprünge in verschiedene Zeiten. Allerdings sind diese Sprünge weder genau terminiert, noch scheinen sie auf genaue Kenntnis der Materie zu basieren, sie sind beliebig und höchst ungenau. Sie sind andererseits argumentativ bedeutend und unter dem Aspekt einer Beweisführung bezüglich der Unvollkommenheit der türkischen Miniaturmalerei von technischer Wichtigkeit. Sie sind schwer lesbar und wirken verwirrend, sogar auf solche Leser, die sich mit der Materie auskennen. Die Kapitel sind überschrieben mit den Namen der jeweils Sprechenden. Als Neuerung bezeichnet Orhan Pamuk, dass ein Toter spricht, ein Hund, ein Baum, ein roter Farbfleck, das Geld, ein Pferd, also Teile der Bilder. Allerdings sind derartige Techniken in der Weltliteratur keineswegs neu, und in traditionellen Märchen gibt es schon seit jeher sprechende Tiere, Fabelwesen und andere Kreaturen. Also kann man das nicht als eine originelle Schreibtechnik Pamuks deklarieren - wie sogar deutsche “Kritiker” dies tun.
Auch in diesem Roman ist die Sprache eine besondere Schwachstelle von Pamuk. Es gibt grammatische Fehler, Syntaxfehler, vor allem aber Stilfehler. Ganz besonders fällt ins Auge, dass alle Figuren - nicht nur in diesem Roman Pamuks - auf die gleiche Art und Weise sprechen, der alte Maler verwendet den gleichen Wortschatz und Syntax wie sein siebenjähriger Enkel, die junge Witwe redet die gleiche Sprache wie der Mörder - kurz gesagt: keine der Figuren ist an einer angemessenen Ausdrucksweise wieder zu erkennen.
Am Ende des anstrengenden Leseaktes stellt sich die Frage, was im Roman beabsichtigt wurde? Unterhaltung? Wohl kaum, denn die Lektüre ist - unnötigerweise - viel zu schwierig gestaltet. Das mögliche Ziel, einen allgemeingültigen Wahrheitsbegriff zum Thema Wertigkeit der Kulturen zu etablieren, was wegen der willkürlichen Gegenüberstellung der unterschiedlichen Auffassungen über die Malerei im christlichen Europa und dem islamischen Orient plausibel wirkt, scheint sehr nahe liegend. Um dies nachvollziehen zu können, wenden wir uns zuerst der Zeit der Handlung zu. 1591 ist die Herrschaft von Sultan Murad III., jenes Sultans, der eine ganze Reihe neuer und neuartiger Bilder in Auftrag gegeben hat. Der auch im Roman erwähnte Osman war tatsächlich der oberste Miniaturmaler dieser Epoche und aus seiner Feder bzw. aus seinem Atelier stammt vor allem der berühmte Surname, das Buch des Festes. Auf 500 Bildern wurde das Beschneidungsfest des Kronprinzen Mehmed III. im Jahre 1582 verewigt. Wenn wir angesichts der Zeitangabe, 1591, die Frage stellen, an welchem geheimen Buch die Miniaturmaler aus dem Roman gearbeitet haben könnten, kommen mehrere Werke in Frage. Es könnte sich um das Werk Hünername (Das Buch der Heldengedichte) handeln, an dem "die besten Künstler der Epoche" gearbeitet haben müssen. Die Miniaturen stammen von Osman selbst. Erzählt werden die Kriege Sultan Süleyman des Prächtigen. Da aber von ihm im Roman keine Rede ist, kommt dieses Werk kaum in Frage. Das oft erwähnte Buch, das von dem persischen Schah Tahmasp in Auftrag gegeben wurde, ist ein Album aus dem 16. Jahrhundert und wurde Sultan Murad III. zum Geschenk gemacht. Die eingeklebten Bilder darin stammen aus verschiedenen Epochen und aus verschiedenen Malschulen, können also auch nicht das fragliche Werk sein, obwohl im Roman überwiegend Bilder aus diesem Werk erwähnt und erörtert werden. Am wahrscheinlichsten ist es, dass das fragliche Werk der Schehinschahname ( Das Buch des Königs der Könige) ist, das die Ereignisse der Herrschaft Murads III. in persischer Sprache erzählt und von einem Aserbaidschaner erstellt wurde. Es handelt sich um ein besonders schönes Werk, in dem „Eleganz und Harmonie der Gestalten trotz eines raffinierten Geschmacks eher konventionell (sind). Im ganzen Buch gilt die besondere Aufmerksamkeit der Zeichnung der Pferde, und die Komposition scheint dem Maler besser zu gelingen, wenn es sich darum handelt, Reiter zu beschreiben. Die Darstellung des Pferdes war übrigens von jeher eine der größten Talentproben der orientalischen Maler und sogar der Dichter." - führt der weltbekannte türkische Kunsthistoriker Mazhar Ipsiroglu aus. Aber ob daran 5 bis 6 Maler gearbeitet haben, ist nicht genau überliefert. Aber da es sich um eine große Zahl von Pferden handelt, dürfte dies das fragliche Buch aus dem Roman sein. Trotz der hohen Qualität gilt dieses Bilderbuch als Ausnahme seiner Zeit, denn es steht dem persischen Stil nahe und es ist in Persisch verfasst. Insofern ist es für die zeitgenössische türkische Miniaturmalerei untypisch. Was Bekanntheit und Wertungen der türkischen Malschule betrifft, möchte ich eine wichtige Anmerkung zitieren: