Postmoderne in der türkischen Literatur

Essay

Autor:
Beatrix Caner
 

Essay

Postmoderne in der türkischen Literatur - Kriterien für eine Annäherung an Ahmet Hamdi Tanpınars, Bilge Karasus und Orhan Pamuks Werke

Die Diskussion Moderne-Postmoderne ist die Diskussion über eine Krise unserer Zivilisation. Diese Krise erscheint umso eklatanter, je direkter die zerstörerischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts als eine verhängnisvolle Kette von Wirtschafts- und Gesellschaftskrisen, Kriegen und Massenverelendung ihre Wirkung ausüben können. Vorsichtige Zeitgenossen reden statt einer Krise – verharmlosend – von Orientierungslosigkeit, die sich allerdings weltweit ausbreitet. Die große Zahl der im 20. Jahrhundert aufgekeimten, gegensätzlichen Ideologien und „Ismen“ sind für sich schon ein Zeichen dafür, dass sich der Mensch geistig nicht mehr geborgen fühlt. Das gilt für die Industrieländern noch mehr als für Länder, die weniger von einer industriellen Produktion abhängig sind.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Erkenntnis immer dominanter, dass die rationalen und funktionalen Koordinaten der Moderne die Menschheit nicht von selbst gemachten oder selbst verursachten Katastrophen schützen können. Der Glaube an der Grenzenlosigkeit und Zuverlässigkeit der Technik war vorher bereits erschüttert worden – denken wir an den Untergang der Titanic, an die Explosion des Zeppelins, an die zerstörerischen Einsatzmöglichkeiten von bestimmten Wissenschaften, etwa der Atomphysik. Allmählich erschien die Moderne als zu technikgläubig und zugleich menschenfeindlich. Die Bilanz des Krieges zwang die Menschen nach 1945 zum umdenken. Eine Suche nach stabileren Grundlagen einer besseren Zivilisation war nach dem Zweiten Weltkrieg unvermeidlich geworden. Allerdings schlug sich diese Erkenntnis weniger in der Politik, als vielmehr bei vielen Künstlern als Motivation nieder.

Ihren Anfang nahm die Postmoderne in der US-amerikanischen Architektur schon Anfang der 1950er Jahre, allerdings geriet der ursprüngliche soziale Gedanke in der Praxis schnell in den Hintergrund und wurde zu einer Frage der Geldmittel kontra Stilistik. Aus der ursprünglichen Zielsetzung „menschenwürdigen Wohnraum für alle“ zu schaffen, entstanden letztendlich neue Wohnsilos und Trabantenstädte an den Peripherien der Großstädte, die ihrerseits – wie man es heute vielerorts erkennen kann – zu neuen sozialen Brennpunkten wurden.
In den verschiedenen Bereichen der Kunst manifestierte sich die Postmoderne als Protestbewegung gegen die etablierte Moderne, wobei einen konkreten, allgemeingültigen Anfang zu nennen nicht möglich scheint. Erst Anfang bis Mitte der sechziger Jahre kristallisiert sich der Begriff heraus, ohne jedoch eine einheitliche Definition zu erhalten.

Die Definition der Postmoderne scheint in der Literatur am schwierigsten zu sein. Auch in der Literatur gibt es 1945 einen deutlichen Schnitt – seinerzeit als geistigen Wendepunkt betrachtet –, der in erster Linie bei den amerikanischen Schriftstellern offenkundig ist, aber auch in Europa und in Deutschland. Wie der bekannte Literaturhistoriker Ihab Hasan es formuliert: "Als einzelne wie als Gruppe zeichnen sich die amerikanischen Schriftsteller der Nachkriegszeit durch deutlich erkennbare Merkmale aus. Sie distanzieren sich entschieden vom Erbe der dreißiger Jahre. Die Drohung des Totalitarismus von rechts oder links lässt ihnen jegliche Ideologie als hassenswert und alle offiziellen Darstellungen der "Wirklichkeit" als verdächtig erscheinen. Dem Krieg, der so sehr an ihren Energien gezehrt hat, verdanken sie ihre unerschrockene Klarheit, ihre Einsicht in das Wesen der menschlichen Existenz und eine Vorahnung des Kommenden. Die Illusionen, die ihnen geblieben sind, stellen sich als überlebensnotwendig heraus; die von ihnen erdachten, teils ausweichenden, teils in Aggression übergehenden literarischen Kunstgriffe dienen demselben Zweck."

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