Die Gegenwart im Spiegelsaal der Metaphern
Kühl sind die Gedichte von Matthias Buth, auch wenn man sich vorstellen kann, daß manches bei seiner ungeheuren Produktivität durchaus ›mit brennender Feder‹ geschrieben sein muß. Kühl und beherrscht, so daß bunt flirrende Metaphern direkt neben nüchternen Benennungen stehen. Vielleicht kommt Jörg Aufenanger in seinem Nachwort deshalb zu der Überlegung, daß »die Verzweiflung im Dichterleben des Matthias Buth nicht allzu groß sein« könne. Man muß darüber aber kein Urteil finden, weil das letzten Endes keinen brauchbaren Maßstab darstellt. Dennoch ist nicht zu leugnen, nach einem Streifblick durch die Gedichte, daß zwischen sehr vielen Zeilen unverkennbar die Wehmut weht.
Matthias Buth bleibt seinem Tonfall und seinen Themen treu. Der neue Band, »Weiß ist das Leopardenfell des Himmels«, schließt darum unmittelbar an seine Vorgänger an, »Gnus werden auf der Flucht geboren« (2015) und »Paris regnet« (2017). Es ist erstaunlich, daß Buth innerhalb dieser Kontinuität zu immer neuen Bildern findet, auch wenn natürlich nicht alle dieselbe Originalität aufweisen. Es zieht ihn auch hierin wieder einmal in die Länder Afrikas und nach Osteuropa, doch auch die Gefilde der Kindheit und die rheinische Gegend um Köln werden besucht.
Was Buths Gedichte auszeichnet, ist ihre Gegenwärtigkeit, das Hervorlocken des sinnlich aufgeladenen Gegenwartspotentials. Erinnerungen, Sinneseindrücke, Beobachtungen, Fakten werden miteinander verwoben zu einem transluziden Stoff. Die Musik ist die Schwester des Metrums und die Metapher die andere Seite der Beschreibung. Jeder Gegenstand, jedes Ereignis birgt dichterische Möglichkeiten, deshalb bleiben Buths Gedichte immer ganz hiesig, ganz heutig, obwohl auch bereits in ihrem Gestus eine Sehnsucht nach einem alten Ton durchschimmert. Daß Buth dem Juristenberuf nachgeht – irgendwie muß das Dichterleben ja finanziert werden –, wäre nicht erwähnenswert, wenn man nicht spürte, daß tatsächlich zwei Herzen in seiner Brust schlagen, das kalte, sachliche, berechnende, und das träumerische, wehmutswarme. In den besten Gedichten schlagen sie im Gleichtakt:
Auch die Biochemie weiß es
Sterne sind wir
KohlenstaubDer aufwirbelt wie die Möwen
Wenn sie landen in der ersten Eishaut des Sees
Und sie durchbrechen mit Wärme und GewichtBis Mittag sind sie ein weißes Feld
Das die Wellen öffnet
Alle Schnäbel sind KompassnadelnSo erkunden sie die Sterne und
Nennen die Namen
Die Übersetzer von Salz zu Schnee
Vor allem der afrikanische Kontinent mit seinen Landschaften und Himmeln scheint Buths Inspiration gleichsam eruptiv freizusetzen, die längeren Zyklen »Okavango Akkorde« und »Weiches Land« blühen auf vor farbigen Metaphern. Doch auch mancher geschichtliche Ausflug, etwa mit dem »Orgelbaumeister Johann Heinrich Mundt« ist unterhaltsam und lehrreich zugleich. Am schwächsten dagegen ist Buths Lyrik, wenn sie die bildreichen Sinneseindrücke verläßt und sich auf eher staubtrockenes Terrain begibt: Politische, gesellschaftskritische Gedichte wirken ja generell oft recht bemüht, sprechen eine allzu offensichtlich dem Zweck ergebene Sprache, das ist auch hier nicht anders, deshalb überblättert man besser diese – sicherlich wohlmeinenden – Texte. Matthias Buths Stärke liegt nämlich nicht unbedingt im Kommentar, sondern in der bildhaften Bündelung kleiner, schnell zu übersehender Momente und Stimmungen. Und davon finden sich auch in dem neuen Buch wieder zahlreiche, sehr erfreuliche Beispiele.
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