Ballbesitz. Frauen, Männer und Fußball.
Da schreibt eine Frau über Frauen, Männer und Fußball, in der Aufstellung, die neugierig macht. Interessanter Dreier. Das Motto liefert Loddar und etwas gegnerisch hör ich mich denken: ausgerechnet Der! Der bei seinen Frauen immer unbedingt für 2 pralle Bälle war, dank OPs. Und schon sind wir bei den Laufrichtungen auch dieses Buches: 1) Frauen und Fußball mit Männern, 2) Männer über Frauen und Fußball, 3) Dagrun Hintze über: Fußball, was auch zu 1) gehört. Freund Jan findet, Dagrun sollte mal was über Frauen und Fußball schreiben. Das tut sie, im Mairisch Verlag. Keine einfache Sache, weiß sie auch.
Frauen verstehen was von Fußball, wie Frau Hintze. Oder stehen dem ganzen Geschehen eher unwissend bis ablehnend, als Männersache, gegenüber. Oder werden von Männern, die denken, Frauen verstehen nichts von Fußball, unfair verbal gefoult, gern vor dem Bildschirm, auf dem Sofa, in Lokalen, wenn sie nur den Mund auftun.
Von ersten Lieben berichtet sie, zu Männern und dem Fußball …
So weit war ich, in der Betrachtung des Fußballbändchens, als eine Bombe erneut in die Fußballwelt flog und alle erschreckte, verletzte, Spieler wie Zuschauer – weil ein terroristischer Angriff, schien es, auch auf den heiligen Fußball. Das Spiel der Helden, wobei ja auch Frauen …, ja. Kommentatoren, auch eine Sportpsychologin sprachen von einem Angriff auf das „eigene Leben“, der Fußballer im Bus. Das eigene macht dann doch noch mal den Unterschied, zu dem der anderen, das in Bomben, Kriegen und Fluchten täglich und andauernd fast schon gewöhnlich untergeht.
Aber weiter mit Frauen, Männern und Fußball. Über Frauen, die sich vom Fußball fernhalten: „Was sie nicht wissen können, denn sie haben offenbar nie erlebt, wie 90 Minuten lang alles außer Kraft gesetzt wird, was das eigene Leben ausmacht.“ Als gäbe es nicht andere Stoffe auch, die das auch noch länger als 90 Minuten können, von Buch, Konzert, Film bis zur Liebe.
Dagrun Hintze nennt es: Ekstase und die Teilhabe „setzt allerdings zwei Dinge voraus: Wissen und Berührtsein. Wer sich nie mit den Grundlagen des Spiels beschäftigt hat, wird besondere technische Eleganz, die Genialität eines Spielzugs oder eine katastrophale Abwehrleistung nicht erkennen (und ergo auch nicht genießen oder verfluchen) können. Wer nie vor Wut über ein Kontertor oder eine Fehlentscheidung gegen den Couchtisch getreten hat, dem fehlt emotionale Identifikation.“ Oha.
„Nicht nur für Fußball, sondern für jede Kulturtechnik gilt: Man muss sich schon intellektuell und emotional darauf einlassen, will man etwas erfahren.“
Nun kam Dagrun Hintze scheint‘s durch eigene Entwicklung (Weiterbildung: „Sportschau, Livespiele, BILD-Zeitung, KICKER) zum Fußball, aber sollte es nicht auch Hetero-Paare geben, die zusammen Spiele anschauen und learning bei viewing doch auch Frauen durch Kommentare, ja, S p r e c h e n beim Spiel, verstehen können, was ein Abseits, was ein Elfmeter ist, Handspiel oder eine Schwalbe. Ohne sich im Internet oder mit einem Sachbuch in der Hand vorher schlau machen zu müssen, um ansatzweise mitreden zu können? Es kann ja nicht nur BlödMänner im Fußballfan-Lager geben, hoffe ich doch. Aber weiter.
„Ein Pass, eine Flanke, ein Torschuss – kann immer auch schiefgehen. Und manchmal eben wundersam glücken. Genau diese Unwägbarkeit macht Fußball nicht nur zu einem einzigartigen Spiel, sondern zu einem Gleichnis aufs Leben.“
Womit sie Recht hat. Drama, Tragödie, Höhenflug, Untergang … alles drin.
Hintze findet es bedauerlich, dass „viele Frauen sich einer Erfahrung berauben, die viel weniger mit bierseligem Zeitvertreib zu tun hat als mit Nachdenken über das Leben: anhand von Fußballspielen.“
Na, ich weiß nicht, ob da in der „Verlängerung“, nach dem Spiel, so viel übers große Spielfeld nachgedacht wird, gibt’s da Untersuchungen? Und ich fürchte, Frauen haben selber genug Drama, Tragödie, Komödie? Flüge und Stürze in ihrem Leben, aus erster Hand, hautnah. Auch so genug zum Nachdenken.
Sie beschreibt im Buch, wie Männer angesichts des schönen Ronaldos zu schussfreudigen Giftspritzen werden – „Ronaldo-Bashing“, neidisch auf seine „höchstseltene Eleganz“ auf dem Platz, aber sie schreibt auch über „dubiose Steuerpraktiken“ der Stars, auch sie Millionenverdiener, und wie überhaupt „diese abscheuliche Gier unseren Planeten ruiniert“. Und sie schreibt über die ihrer Ansicht nach Ansicht vieler Frauen: Fußball sei nur eine Form von „Brot und Spiele“ zur Volksbetäubung. Da setzt sie dagegen: dass „die Fußballkultur eines Landes immer auch die jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse widerspiegelt bzw. diese sogar verändern kann.“
Sie bewegt sich im Buch von EMs zu WMs, durch die Jahre und Länder, wer die Spiele mitbekommen, mitgelitten oder gejubelt hat, geht hier noch mal gern zurück mit ihr bis zum sog. Sommermärchen, die Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Dazwischen schlaue Sätze:
„Wie rum man auch immer das Pferd aufzäumen will: Die Welt ist ziemlich am Arsch. Und wir sollten nicht den Fehler machen, den Fußball in dieser Situation zu unterschätzen. Er erzählt uns im Guten und im Schlechten mehr über gesellschaftliche Realitäten, als manch einem und manch einer lieb ist.“
Und leider lässt sie auch wieder mal Freund Jan sprechen, der wohl mehr von Fußball als von Frauen versteht?
„Frauen haben diese Erfahrung nicht, die verstehen einfach nicht dieses Glück, den Ball perfekt zu treffen, ihn genau dahin zu bekommen, wo man ihn hinhaben will“.
Ach!?
Im Kapitel „Neuer, Schiller, Shakespeare“ schildert sie die Parallelen zu ihrem Beruf, zum Theater. Und sie kommt immer wieder auf den Punkt zurück:
„Das allerallerentscheidendste Argument dafür, sich zumindest spielerisch mal auf das Thema Fußball einzulassen, lautet jedoch: Menschen, die Fußball lieben, können Momente erleben, wie sie an Intensität im Leben nicht allzu oft vorkommen.“
Wobei ich dann doch an Torschüsse und Spielfolgen denken muss, im real life von Frauen: Geburten zum Beispiel. Ich glaube, an Intensität auch von d e m absoluten Hammer-, Mörder-, Megaspiel nicht zu überbieten.
Attentate, Terror, Trump, Brexit … Turxit möchte man zufügen. „Dunkle Tage, an denen man sich fragt, ob man sich allen Ernstes überhaupt mit Fußball beschäftigen darf …“
Und dann auch noch der Frauenfußball. Hintze geniert sich, aber sympathisiert doch sehr mit dem Satz: „Frauenfußball interessiert mich nicht.“ – von Wiebke Porombka: Der Zwölfte Mann ist eine Frau, Berlin Verlag 2013.
Und sie forscht ihrer fehlenden Begeisterung nach und kommt zu dem Schluss: Es fehlt die Begeisterung! Es fehlt bei den Frauenspielen die tobende Menge, mit Schals, Trommeln, Klappern und vor allem: Es fehlt der Fanblock hinter dem Tor. Es fehlt die Stimmung und! die ganze Geschichte: „… die geteilte große Erzählung mit all ihren Neben- und Unterkapiteln, kann der Frauenfußball nicht bieten.“ Also eine Vergangenheit, die Heldensagen, die Heldenspiele?
Dagrun Hintzes Fazit:
„Ich interessiere mich nicht für Frauenfußball. Aber ich würde jederzeit dafür kämpfen, dass es ihn gibt.“
Das kann man glauben oder nicht. Ich glaube, es geht in diesem Buch doch irgendwie deutlich mehr um Männer und Fußball. Abpfiff.
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