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Kritik

Howard Jacobson beneidet „Im Zoo“ die Affen

Mal wieder ein Roman über den Literaturbetrieb
Hamburg

Der Literaturbetrieb als Zoo? Das ist doch eine Herabsetzung des Zoos, oder? Natürlich ist der Londoner Howard Jacobson, der 2010 den Booker-Preis bekam und mit seinem Buch „J“ erneut nominiert wurde, mit seinem Titel hintersinniger. Ganz praktisch war die frühere Freundin des Ich-Erzählers Guy Ableman in der Affenabteilung tätig, musste schon auch einem Gorilla beim Masturbieren helfen, was Ableman mächtig anmacht. Wie überhaupt Sex sein Dasein beherrscht, seinen Kopf besetzt, statt das betreffende Organ, weil er eben nicht stattfindet. Mit seiner schönen Frau oder seiner ewig jugendlichen Schwiegermutter mit dem bezeichnenden Namen Poppy. 

Nein, der Hauptzoo ist schon der Literaturbetrieb, in dem Ableman über 400 Seiten Schritt für Schritt absteigt.

In einem Interview sagt Jacobson, dass ihn Bücher über Schriftsteller eigentlich nicht interessieren. Trotzdem schrieb er eins. Eine Satire über den Literaturbetrieb. Wie unlängst sein Kollege Edward St. Aubin „Das beste Buch des Jahres“, wie Marlene Streeruwitz „Nachkommen“ oder Jens Wonneberger „Goetheallee“, um ein paar aktuelle Titel des herbstlichen Büchermarktes zu nennen, es gibt noch viele mehr. Was treibt sie, die Schriftsteller hier und dort, über den Untergang ihres Gewerbes zu ironisieren. Natürlich geht das nur mit Ironie, denn so tritt man noch einen Schritt beiseite und kann alle Jammerei über sinkende Verkaufszahlen, über die Ignoranz der Preisverleiher-Jurys voll auskosten: Seht, ich mache mich über mich selbst lustig. Doch auf dem Rost der Selbstironie bleibt übrig: Kein Schwein ruft mich an, kein Schwein interessiert sich für mich. Und dann kommt ein bisschen Realität ins Spiel: die Autoren, Lektoren, Agenten werden immer jünger, die Bereiche Kochen, Ratgeber, Krimi prosperieren und natürlich die  Pest Amazon. Aber das ist doch alles nichts Neues! Schon Goethe klagte darüber, dass der Theaterautor Kotzebue besser verdiene als er, seine ersten Werke hat Goethe übrigens selbst finanziert.

Im Zoo wird also auf höchstem Niveau gejammert. Natürlich werden solche Werke von der Kritik als „bissig“, „witzig“, „brillant“ eingestuft. Kein Wunder, der Zuhälter Literaturbetrieb hält es gut aus, beschimpft zu werden, das treibt den Preis hoch.

Ableman ist also zu Beginn des Buches noch ein leidlich erfolgreicher Autor. Sein eigenes Buch „Wer schert sich einen feuchten Affen?“ klaut er in einer Buchhandlung, worauf die Polizei sich mit ihm in einer originellen Replik über die Kommasetzung in der Widmung streitet, die an seine Frau und Schwiegermutter geht, die er beide begehrt. Dann nimmt sich sein Verleger das Leben. Dem Nachfolger verrät Ableman den Plot seines nächsten ultimativen Buches: er wird sich an seine attraktive Schwiegermutter heran machen. Am Ende des Romans, das sei hier übler Weise schon verraten, verlässt auch der Nachfolger den Verlag, an seiner Seite die geläuterte Schwiegermutter. Nun im intellektuellen Schlabberlook liest sie auch keine Schmöker mehr. Ablemans Frau, mit der er sich laufend Wortgefechte liefert, die anfangs witzig sind, doch im Laufe der vielen Seiten eher ermüden, schreibt schließlich auch einen Roman, der sogar verfilmt wird. Ableman kommt aus dem Staunen nicht heraus, aber was ihn am meisten ärgert, er ist nicht drin im Roman und auch nicht im Film. Mit dem Filmemacher geht nun auch seine schöne Frau davon und ihm bleibt seine Halluzination Hemingway, dem er dauernd begegnet und der seine ungewaschenen Eier schaukelt.

„Einstmals hatten Kriege oder die Pest unseren Bestand dezimiert. Heutzutage als Ungelesene sterben wir an Wortwundbrand.“ Solche Sätze bringen Jacobsons zuhörergefüllte Säle zum Brüllen. Das kann der geneigte Leser vom 10. bis 12. November in Deutschland (Heidelberg, Berlin, Hamburg) selbst prüfen.

Das Buch ist edel und zugleich mit einem halbseidenen Hauch aufgemacht. Unter einem schwarzen Umschlag blitzt pinkfarbenes Untendrunter hervor, das könnte dem Geschmack von Schwiegermutter Poppy entsprechen, bevor sie mit dem Verleger davongeht. Weniger Mühe hat sich das Lektorat gemacht, es gibt etliche Patzer. Oder gibt es beim Übersetzen kein Lektorat? Friedhelm Rathjen bringt den englischen Humor sicher ins Deutsche. Doch mit dem RomanimRoman-Titel „Wer schert sich einen feuchten Affen“ vermute ich ein sprachliches Opfer an die Schlüpfrigkeit. Im Deutschen schert man sich doch „einen feuchten Kehricht“, oder?

 

Lesetermine:

Basel / 9.11.               BuchBasel, Internationales Literaturfestival, Volkshaus, 14 Uhr, Mod.: Gabriele von Arnim, dt. Les.: Thomas Sarbacher

Heidelberg / 10.11.   Deutsches-Amerikanisches Institut, Sofienstr. 12, 20 Uhr, Mod. und dt. Les.: Jakob Köllhofer

Berlin / 11.11.            Bertelsmann-Repräsentanz, Unter den Linden 1, 19.30 Uhr, Mod.: Shelly Kupferberg, dt. Les.: Heikko Deutschmann

Hamburg / 12.11.      Literaturhaus, Schwanenwik 38, 19.30 Uhr, Mod.: Gabriele von Arnim, dt. Les.: Tim Grobbe

Howard Jacobson
Im Zoo
Aus dem Englischen von Friedhelm Rathjen
DVA
2014 · 448 Seiten · 24,99 Euro
ISBN:
978-3-421-04564-5

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