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Komm! Ins Offene haus für poesie
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Komm! Ins Offene haus für poesie
Kritik

Am Ende kommt es auf das „wie“ an

Hamburg

Dass Markus Orths der Meister des morbiden Pageturners ist, hat er nicht zuletzt mit seinem Roman „Die Tarnkappe“ bewiesen; auch in der kurzen Form erweist er sich als versierter Erzähler, der den Leser immer wieder überraschen kann und abgedrehte Ideen en masse liefert – allerdings nie so abgedreht, dass man sich nicht fragen würde, wie man selbst in der jeweiligen Situation handeln würde. Das hat er mit Stephen King gemein: immer wieder lässt er seine Figuren aus ihrem meist recht gewöhnlichen Alltag geradewegs in die Katastrophe taumeln. „Irgendwann ist Schluss“ heißt sein neuster, unlängst bei Schöffling erschienener Band. Der Titel ist zugleich ein Motto, das sich wie ein roter Faden durch die insgesamt acht Stories zieht.

Ein Mann verkauft sein Leben. Vierzehn Monate lang darf er im Luxus leben: Frauen, Sonne, Strand, Pool und gutes Essen, jeder Wunsch wird ihm erfüllt. Und nach Ablauf der Zeit wird er seinem Mörder gegenübertreten. Für ihn klingt das wie ein guter Deal, wäre da ganz am Ende nicht noch diese eine Partie Snooker, die er unbedingt gewinnen will…

Ein anderer wird von den Opfern seines Vaters verfolgt, der im Gefängnis sitzt. Sie wollen Rache, also muss der Sohn herhalten. Der leistet seiner komatösen Mutter Sterbehilfe und verschanzt sich danach in der abgelegenen Familienvilla, die er zum übergroßen Panic Room umfunktioniert. Doch er weiß, dass draußen seine Feinde nur darauf warten, dass er eine Sekunde lang unachtsam wird…

Ein stinkreicher Waffenfabrikant, der für einen guten Deal auch mal ohne mit der Wimper zu zucken die Existenz seiner Konkurrenten vernichtet, sucht wie jeden Dienstag sein Lieblingsrestaurant auf, doch in seinem Stammseparee sitzt bereits jemand. Eine unglückliche Falschbuchung, entschuldigt sich der Maitre. Doch wer ist dieser Typ, der stets dasselbe bestellt wie der Protagonist, und der seinen Job als Kammerjäger wirklich zu lieben scheint?

Was steckt hinter der Stimme, die den Innenarchitekten dazu antreibt, sein eigenes Leben zu zerstören? Wer ist der alte Mann, der eines Tages aus seinem Stammtischalltag ausbricht und sich aufmacht, die BRD zu verklagen? Was steckt hinter dem 22.000 Seiten starken wirren Manuskript des Doktormachers Löwe? Und was hat er mit den Giftmorden zu tun, die in der Stadt für Panik sorgen?

Markus Orths‘ Protagonisten sind Normalos, in deren Leben der Wahnsinn hereinbricht, die sich nicht selten aus der Rationalität eines durchgetakteten Alltags verabschieden und ihren Impulsen folgen, so irre sie mitunter auch sein mögen. Was dabei fasziniert ist die Raffinesse, mit der er seine Geschichten aufbaut; oft sieht man das Unglück heranrollen, will es aber nicht wahrhaben, und was Orths schon in seinen Romanen auszeichnet ist, dass er über die Grenzen der Erwartungshaltung des Lesers weit hinausgeht, dass er sich die Ängste zunutze macht ebenso wie verallgemeinerbare Wunschvorstellungen. Würde man sein Leben aufgeben für vierzehn Monate Paradies? Lieber ein kurzes aber dafür maximal erfülltes Leben? Und ist man wirklich in der Lage, das durchzuziehen? Über allem steht die Frage, wie weit man zu gehen bereit ist und das Wissen: Irgendwann ist Schluss, mit allem, überall.

Markus Orths
Irgendwann ist Schluss
Schöffling & Co
2012 · 248 Seiten · 19,95 Euro
ISBN:
978-3-895614729

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