Kerschbaumer verdient Leser
Martina Wörgötters Studie zu Marie-Thérèse Kerschbaumers literarischer Sprache ist fabelhaft. Bloß: Kann man Sekundärliteratur allgemein empfehlen, die sich einer Autorin widmet, die ihrerseits „not a popular author” ist, wie die Verfasserin aus der Rezeption zitiert? Ja, das kann man, es ist keine rhetorische Frage; man kann und muß es, freilich mit der Lektüre Kerschbaumers, die ja zu Unrecht wenig gelesen wird.
Wie sehr Kerschbaumer Leser verdiente, das erhellt die Studie Wörgötters, die sich Kerschbaumer raffiniert, vielschichtig und umsichtig nähert, unter dem Aspekt, daß die Autorin promovierte Linguistin ist, also Beschreibung und Kritik ihres Werks antizipiert und in dieses sublim flicht, unter dem Gender-Aspekt, unter dem Aspekt der Mittelposition: daß Kerschbaumer die Avantgarde bald kannte, aber deren Moden nicht gegen Heinrich und Thomas Mann, Hermann Broch und Robert Musil auszuspielen geneigt war und ist, … bis hin zu subtilen Exegesen, die Wirklichkeitsaneignung und Sprachkritik als dialektische Momente dieses Schreibens identifizieren, wobei das Experiment als Möglichkeit bedacht wird, die freilich nicht an ihre Stilisierung preisgegeben wird, vielmehr bei Kerschbaumer akkurat betrieben wird. Die sich ergebenden Texte sind nicht leicht dieser oder jener Schule zuzuschlagen, was die Rezeption erschwerte, aber gewissermaßen die Qualität mit ausdrückt, die den Arbeiten Kerschbaumers – und hier auch der Interpretin, die close reading und klare Methodik aufbietet – eignet. Quasi-Collagen von Texten, die das Collagierte aber nicht einfach moderieren, Texte, die bis ins Syntaktische verschwimmen, Sprachspiele im Sinne Wittgensteins, Wörgötter zeigt die Facetten einer Autorin, die sich durch diese Brüche als genuine Stimme bewährt.
So empfiehlt Wörgötter durchs Erhellen eine Autorin; man schließt sich ihrer durchaus subtilen Art der Empfehlung gerne an. Und wünscht Wörgötter desgleichen, gelesen zu werden, dieses Buch verdient es.
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