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Kritik

Nicht teuflisch

Hamburg

Vielleicht ist ein humanistischer Aberwille, dem Teufel schmeichelhaft zuzuschreiben, er sei ein Libertin – doch unbestritten ist, daß Mephistopheles aus Goethes Faust oder eben jener Teufel, der im Wörterbuch von Bierce dem Verfasser die Feder führte, über Witz, Freimut und Geist souverän verfügt.

Was aber darf ein Libertin nicht sein, wenn er doch alles sein zu können scheint? – Zwänglerisch vielleicht..? Und damit ist man beim Problem von Schuberths neuem Wörterbuch des Teufels, witzig sein zu wollen ist fast das Gegenteil davon, es eben zu sein: So wird sich alphabetisch von Pointe zu Pointe gemüht. Manche dieser Pointen sitzen, manche aber gar nicht; und auch wenn aus vielem intellektuelle Schärfe spricht, so ist es doch wenig erquicklich, sich einen Teufel vorzustellen, dem zu Angelina Jolie etwas einfällt, zumal wenn es so uninspiriert ist: „Vorauseilender Gehorsam der Natur gegenüber der Ästhetik der Computeranimation” (65), so schreibt dieser Teufel über sie – und man will sich nicht ausmalen, wie schlecht es sein kleinbürgerliches Leben mit ihm meinte...

Auch der Umstand, daß dem Bildungskanon nicht wenigstens Ambivalenz zugestanden wird – er sei ein „Kloster, in das man die Wissbegierigen so früh wie möglich von den Abenteuergründen der Erkenntnis und den Blumenwiesen der Weisheit wegsperrt” (18) –, spricht für diese Profilierungsneurose eines in die Jahre gekommenen Philosophiestudenten aus fast gutem Hause. Mephistopheles hätte als der klügere Teufel schon dem Bild der „Blumenwiese” mißtraut, er spricht bekanntlich ironisch aus, was hier verfehlt wird: „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, / Und grün des Lebens goldner Baum.” Das Schiefe des Bildes, daß das Grüne das Goldene wäre, läßt erahnen, daß so grau das Grau nicht ist, das Kloster ist womöglich in einem gewissen Sinn diabolischer als sein braver Analytiker.

Überzeugend ist dieser Teufel nur, wo er gegen seine eigenen Träume angeht, etwa die Enttäuschung über die Sozialdemokratie, die „zuverlässigster Butler im Hause des Kapitals” (129) sei – ein ungerechtes Urteil, doch eines, das immerhin an einen Schmerz rühren mag. Das Mißbehagen am Ungerechten darin, das im Aphorismus doch eigentlich gestattet ist, liegt vielleicht darin begründet, daß das Christlich-Soziale als Butler da vernachlässigt wird, sowieso aber die scheinbar systemfeindliche Rechte, zu der einem nichts einfallen muß – „Mir fällt zu Hitler nichts ein.” (Die Fackel: Nr. 890-905, 07.1934, S.153) –, in diesem Kontext aber vernehmlicher nichts einfallen sollte; was beim von Schuberth verehrten Kraus ein Urteil ist, ist bei Schuberth eine Lücke. Interessanter wäre jedenfalls bei einer Kritik der Linken, wie die Sozialdemokratie sich in Dienst nehmen läßt, nämlich sich durch das Vernünftige vor allem der Ökonomie (Merkels Alternativlosigkeit) gängeln zu lassen gewillt ist; und auch da ist Kraus’ Bemerkung, daß „die Sozialdemokraten keinen Zweifel darüber aufkommen zu lassen (wünschen), daß das Wort »Genosse« nicht von »geniessen« stammt” (Die Fackel: Nr. 208, 04.10.1906, S.19), im Vergleich zu Schuberths Pampigkeit dann doch ungleich gewitzter.

Alles in allem ist dieses Buch, keine Frage, nicht schlecht – aber den Teufel zu bemühen, das ist weit hergeholt, denn teuflisch gut ist dieser Band denn doch nicht; oder ist es in Zeiten des Atheismus soweit mit dem Teufel gekommen? Ist es das, was bleibt, wenn dieser nicht mehr an Gott glaubt..? Viel besser ist da Schuberth, das sei abschließend doch unterstrichen, wo er vom Witz die Finger läßt; Rost und Säure ist eine Lektüre, die in der Tat anzuempfehlen ist.1

Richard Schuberth
Das neue Wörterbuch des Teufels
Ein aphoristisches Lexikon mit zwei Essays zu Ambrose Bierce und Karl Kraus sowie aphoristischen Reflexionen zum Aphorismus selbst
Klever
2014 · 228 Seiten · 19,90 Euro
ISBN:
978-3-902665-75-1

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