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Gedichte
Unbeirrt modern. Doris Runge' gesammelte Gedichte - »zwischen tür und engel«
28.05.2013 | Hamburg
Es ist eine schöne Sitte, einem Lyriker nach etlichen Publikationsjahren zum runden Geburtstag eine Sammlung auszurichten. Doris Runge veröffentlicht seit 1981 und ist seit 1985 bei der DVA beheimatet. Nun hat Heinrich Detering, der ihre Arbeit seit Jahren wohlwollend begleitet, eine Auswahl von 154 Gedichten aus 10 bisherigen Lyrikbänden zusammengestellt und 16 neue Gedichte sowie ein ausführliches Nachwort beigegeben. In dem soliden, in dezenter Farbigkeit gestalteten Band sind die Texte in klarer, relativ großer Schrift chronologisch nach ihrer jeweiligen Herkunft angeordnet. Das ergibt einen guten Gesamtblick auf Runges Werk, zumal nicht mehr alle Bände beim Verlag greifbar sind.
Wie mag sich die Autorin mit dieser Ausgabe fühlen? Man wünscht ihr, dass sie nicht etwa einen Doppelstrich ziehen möge in der Meinung, es käme nichts mehr, sondern dass sie nach zufriedenem Rückblick ein neues Aufbruchssignal darin sieht.
Ist es, wie man so sagt, still geworden um Doris Runge? Sie ist gar nicht der Typ, der Furore macht; bereits 1997 bescheinigte ihr Jochen Hieber in seiner Laudatio zum Bad Homburger Hölderlin-Preis, sie lebe am liebsten in randständiger Ländlichkeit am Rande des Literaturbetriebs. Immerhin habe ich aus meiner altmodischen Sammlung von Zeitungsartikeln (die zu entsorgen ich mich noch nicht entschließen konnte) nicht weniger als 6 Rezensionen gefunden, dazu 4 Einzelinterprationen in der Reihe „Frankfurter Anthologie“, an der sie auch selbst mit konzentrierten und informativen Deutungen mitgewirkt hat. Mit der Liliencron-Dozentur der Universität Kiel, der Poetik-Professur der Universität Bamberg und der Mitgliedschaft in der Mainzer Akademie der Wissenschaften hat sie also insgesamt ihren festen Platz in der literarischen Welt.
Bei einem Rückblick über 32 Jahre liegt es nahe, nach Entwicklungen zu suchen. Wenn es welche gegeben hat, so liegen sie eher in Nuancen. Denn im dichterischen Verfahren ist die Autorin sich erstaunlich treu geblieben. Es sind die Modi einer gemäßigten klassischen Moderne: Verzicht auf Metrum und Interpunktion, Kleinschreibung, kurzgebrochene Zeilen, lose Reihung und Verschränkung von Satzelementen, Reduktion auf größtmögliche Knappheit – kurz: eine entschieden anti-rhetorische Sprachfügung. Dichtung will Anti-Rhetorik, Anti-Gerede, Anti-Normalität sein.