Die Ursprünge der menschlichen Kommunikation

Sachbuch

Autor:
Michael Tomasello
Besprechung:
Willem Warnecke
 

Sachbuch

Bits of philosophic history repeated - Michael Tomasello erläutert „Die Ursprünge der menschlichen Kommunikation“

Im Zuge seiner diesbezüglichen Argumentation stellt er Ergebnisse empirischer Studien vor, für die er sehr anschauliche Deutungen vorschlägt. Zumindest ein paar Entdeckungen und Überlegungen seien hier erwähnt: Schimpansen helfen anderen nicht, selbst wenn zumindest ihr „Wissen“ dafür eine Grundlage böte. „Bezeichnenderweise geben Makkaken-Muttertiere keinen Alarmruf von sich, wenn sie in experimentellen Studien ein ‚Raubtier‘ sehen, das sich ihrem Nachwuchs nähert, solange sie nicht selbst in Gefahr sind.“ Beobachtungen, dass Affen unerwünschtes Futter anderen anbieten würden, seien zwar gemacht worden, allerdings nur sehr selten. Dabei verstünden Affen andere zwar „als intentionale, möglicherweise sogar als rationale Akteure“, verfügten jedoch „weder über die Fertigkeiten noch über die Motivationen […], mit anderen gemeinsame Ziele und gemeinsame Aufmerksamkeit auszubilden oder sich auf andere Weise mit anderen an gezielter Intentionalität zu beteiligen.“

In Bezug auf (Laut-)Sprache unterliegen die Tiere wohl ebenfalls strikten Beschränkungen: „Versuche von Menschen, Affen und Menschenaffen neue Vokalisierungen zu lehren, schlagen immer fehl; und Versuche, sie zu lehren, ihre eigenen Vokalisierungen auf Befehl hervorzubringen, sind entweder erfolglos oder es bedarf Tausender von Testversuchen, um nur ein spärliches Ergebnis zu erzielen.“ Das rühre wohl daher, dass die Tiere die Vokalisierungen nicht als Zeichen für etwas verwenden, sondern sie bei ihnen schlicht Ausdruck ihrer jeweiligen Verfassung sind. In Zoos lebende Menschenaffen entwickelten allerdings häufig sogenannte ‚Aufmerksamkeitsfänger‘, „zum Beispiel In-die-Hände-klatschen, damit die menschlichen Besucher auf sie aufmerksam werden und ihnen Futter zuwerfen.“ Die psychologische beziehungsweise kommunikationstheoretische Deutung dieses Verhaltens sei jedoch umstritten, denn wie schon im Fall, dass „ein Affe lernt, daß ein bestimmter Alarmruf einer bestimmten Vogelart oder auch der eigenen Art die Gegenwart eines Leoparden anzeigt, ist unklar, ob wir das als das Verstehen einer kommunikativen Handlung interpretieren sollten.“ (Ergänzt sei, dass schließlich nicht einmal jener Ruf selbst unbedingt als kommunikative Handlung anzusehen ist.) Zeigegesten verstünden sie nicht oder zumindest deutlich anders als menschliche Kinder.

Interessanter- und bezeichnenderweise gebe es weiterhin „immer noch keine experimentellen Belege dafür, daß Schimpansen andere aktiv in die Irre führen können“. Dies bringt Tomasello zum einen mit ihrem „nicht besonders ausgeprägten“ Vermögen in Zusammenhang, die Aufmerksamkeitszustände von anderen einzuschätzen. Zum anderen erfordere „auch Täuschen und Lügen kooperative Kommunikation“.
Das Verhalten menschlicher Kinder sei dagegen in quasi allen Bereichen sozialer Interaktion geprägt durch Kooperation. „Manchmal verwandeln sie die instrumentellen Aufgaben sogar in Gesellschaftsspiele, indem sie die erhaltene Belohnung in den Apparat zurücklegten, um mit der Tätigkeit von neuem zu beginnen; die gemeinschaftliche Tätigkeit selbst war belohnender als das instrumentelle Ziel. Am wichtigsten war folgender Unterschied: Wenn der Erwachsene die Handlung unterbrach, ermunterten ihn die Kinder aktiv, sie fortzusetzen, indem sie mit ihm auf irgendeine Weise kommunizierten. Dies legt nahe, daß sie ein gemeinsames Ziel mit ihm ausgebildet hatten, auf das sie ihn nun wieder verpflichten wollten. Insgesamt schienen die Kinder nur um der Zusammenarbeit willen zusammenzuarbeiten, während die Schimpansen sich auf eine mehr individualistische Weise beteiligten.“
Detailliert beschreibt Tomasello dann den (hypothetischen) phylogenetischen Wandel: „Im Kontext dieses Pfades der Evolution wurden die Aufmerksamkeitsfänger der Menschenaffen in menschliche Zeigegesten verwandelt […]. Nach diesem ersten Schritt konnten sich die Intentionsbewegungen der Menschenaffen zu den ikonischen Gesten der Menschen entwickeln“, von denen aus es nur noch ein kleiner Schritt zur ausgebildeten Sprache sei. Zumindest der Chomsky’schen Annahme einer zusätzlichen sprachspezifischen Fähigkeit, einer angeborenen ‚Universalgrammatik‘ (die sich derzeit nicht einmal kohärent formulieren ließe) bedürfe es dann nicht mehr. Allerdings reiche es für die Untersuchung dieser Formen von Kommunikation nicht aus, sie ausschließlich in einem ethologischen Rahmen zu betrachten, also innerhalb eines Kausal-Modells schlicht als syntaktisch-grammatische Routinen. Vielmehr sei gerade ein Verständnis der pragmatischen Dimension des Kommunikationsvorganges vonnöten; er müsse also ergänzend auch in einem (nicht reduktionistischen) psychologischen Rahmen aufgefasst werden als ein durch zielgerichtetes Tun etablierter.

Soweit Tomasellos insgesamt gut verständliche und auch kurzweilige Darstellung. Aus wissenschaftstheoretischer Sicht sind zu Details davon jedoch ein paar Anmerkungen zu machen. Der Umfang der Kritik ist dabei allein den Erfordernissen der Erläuterungen geschuldet, drückt hingegen keine Ablehnung des Werkes insgesamt aus.