Sachbuch
Bits of philosophic history repeated - Michael Tomasello erläutert „Die Ursprünge der menschlichen Kommunikation“
In Hinblick auf die gerade angesprochene Zielgerichtetheit, auf die hin die Aktionen eines Individuums zu untersuchen seien, ist etwa zwischen zweierlei zu unterscheiden: Was will zum einen beispielsweise ein Affe mit seinem Kreischen erreichen, was ist zum anderen die Funktion des Kreischens in der Interaktion der Affen (unter anderem: was bewirkt es darin)? So werden Individuen häufig von anderen in spezifischer Hinsicht beeinflusst, während diese eine solche Beeinflussung gar nicht (‚bewusst‘) beabsichtigt haben. Einem Laut kann damit durchaus eine Warnung für ein Individuum sein, obwohl der Lautgeber gar nicht vorhatte, irgendjemanden zu warnen.
Dieser Umstand ist für die Bildung des Begriffs von Kommunikation äußerst wichtig – leider bekräftigt Tomasello gerade in diesem Zusammenhang eine Marginalisierung der intentionalen Dimension: „In der biologischen Welt muß Kommunikation jedoch weder absichtlich noch kooperativ sein. Für Biologen fallen unter Kommunikation alle möglichen Merkmale des Körpers und des Verhaltens, die das Verhalten anderer beeinflussen – von charakteristischen Färbungen bis zum Dominanzgebaren –, unabhängig davon, ob der Signalgebende absichtliche Kontrolle über das Signal hat (oder überhaupt weiß, daß es andere beeinflußt).“ Diese Auffassung ergänzt Tomasello als Psychologe lediglich um die Binnendifferenzierung zwischen „Kommunikationsdisplays“ und „Kommunikationssignalen“: nur bei letzteren gehe es um intentionales Tun. Als Formen von „Kommunikation“ werden trotzdem beide angesprochen.
Selbst wenn man bezüglich obiger Formulierung darüber hinwegsieht, dass ‚Kommunikation‘ sicherlich nicht die Merkmale selber, sondern bestenfalls die durch jene ausgelöste Interaktion bezeichnet, wäre der Ausdruck, so verstanden, eine ziemlich nichtssagende Phrase: Nicht allein würde dann schließlich sowohl das Darm-Bakterium mit den nur aufgrund seiner Tätigkeit zur Verdauung befähigten Lebewesen, als auch das transpirierende Säugetier mit den auf den Schweiß reagierenden Zecken kommunizieren. Sogar ein eines Verbrechens Verdächtigter stünde schon allein über die Papillarleisten seiner Finger mit den seine Fingerabdrücke überprüfenden Ermittlern in einem Kommunikationszusammenhang. Einen Schritt weitergehend wäre dann vielleicht sogar die Kommunikation mit oder gar zwischen unbelebten Gegenständen – der ausgelöste Feuermelder kommuniziert mit den Hausbewohnern oder dem Babyfon – möglich.
Doch warum sollte man so reden, dass der Elefant, der mir auf den Fuß getreten ist, mit mir ‚kommuniziert‘ hat (insofern, dass er durch sein Gewicht in der Folge meinen Gang beeinflusst)? Gerade der von Tomasello doch offenbar geschätzte Wittgenstein legt dar, dass die Bedeutung von Wörtern nicht als menschenunabhängig und fix anzusehen sei, sondern genau in deren sprachlichem Gebrauch bestehe – und warnt vor den philosophischen Problemen, die durch achtlosen Sprachgebrauch („wenn die Sprache feiert“) entstünden. Es wäre daher zu begrüßen, die Bedeutung von ‚Kommunikation‘ enger zu fassen, schon, weil dann dem Terminus ein größerer Informationsgehalt zukäme. In den genannten Fällen wäre es hingegen ausreichend, schlicht von ‚interagieren‘, in einigen Fällen von ‚signalisieren‘ (was immer aus der Perspektive des Signalempfängers zu verstehen ist) zu sprechen.
Einige andere Möglichkeiten für definitorische Unterscheidungen lässt Tomasello bedauerlicherweise ebenfalls ungenutzt, etwa in Bezug auf ‚Information’ oder ‚wissen‘: „Wenn eine grüne Meerkatze einen ‚Schlangenwarnruf‘ hört, weiß sie, daß eine Schlange in der Nähe ist; hört sie einen ‚Adleralarmruf‘, weiß sie, daß ein Adler in der Nähe ist.“ Dabei ‚weiß‘ er doch um die durch solche Rede erzeugten Schwierigkeiten – und sicherlich in einer anderen Weise, als eine Meerkatze um irgendwelche Feinde ‚weiß‘: „Wenn das Jagdereignis mit diesem Vokabular komplementärer Rollen [‚Treiber‘, ‚Fänger‘ et cetera] beschrieben wird, erscheint es natürlich als genuin gemeinschaftliche Tätigkeit: Komplementäre Rollen implizieren bereits, daß es ein gemeinsames Ziel gibt, das von den Individuen, die die Rollen einnehmen, geteilt wird. Die Frage ist jedoch, ob dieses Vokabular angemessen ist.“
Ausgehend von seinen Erörterungen lässt er sich zudem bisweilen zu bemerkenswert unsicheren (und wohl auch unsicherbaren) Prognosen oder Vermutungen hinreißen: „Individuen, die bloß damit beschäftigt sind, Dinge voneinander im Hier und Jetzt zu verlangen, oder auch einander über Dinge zu informieren, die vom Hier und Jetzt etwas entfernt sind, würden einfach für viele der extravaganten syntaktischen Hilfsmittel, die wir in modernen Sprachen antreffen und deren Funktion auf recht direkte Weise mit den funktionalen Anforderungen erzählender Rede über räumliche und zeitlich versetzte, strukturierte Ereignisfolgen zusammenhängt, keinen Bedarf haben.“ Oder gar: „Noch spannender ist es, sich vorzustellen, wie die menschliche ‚Sprache‘ aussähe – falls wir sie dann überhaupt noch so nennen wollten –, wenn sie sich nicht im Kontext der Kooperation, sondern der Konkurrenz entwickelt hätte.“ Nein, das wäre nicht ‚spannend‘, sondern vielmehr ‚absurd‘ und nein, ‚Sprache‘ könnte man dieses Was-Auch-Immer dann nicht mehr nennen: Was wäre, wenn Äpfel Fahrräder wären? Wollte oder könnte man sie dann noch ‚Äpfel‘ nennen? Ein letztes Beispiel: „Es ist ganz einfach so, daß sich die menschlichen Sprachen auch ganz anders hätten entwickelt [sic!] können, wenn irgendwelche [ihrer] Teile – aus irgendeinem der zahllosen evolutionären Gründe – signifikant anders gewesen wären.“ Spätestens durch das ‚signifikant‘ wird die These gänzlich trivial.
Dieser Umstand ist für die Bildung des Begriffs von Kommunikation äußerst wichtig – leider bekräftigt Tomasello gerade in diesem Zusammenhang eine Marginalisierung der intentionalen Dimension: „In der biologischen Welt muß Kommunikation jedoch weder absichtlich noch kooperativ sein. Für Biologen fallen unter Kommunikation alle möglichen Merkmale des Körpers und des Verhaltens, die das Verhalten anderer beeinflussen – von charakteristischen Färbungen bis zum Dominanzgebaren –, unabhängig davon, ob der Signalgebende absichtliche Kontrolle über das Signal hat (oder überhaupt weiß, daß es andere beeinflußt).“ Diese Auffassung ergänzt Tomasello als Psychologe lediglich um die Binnendifferenzierung zwischen „Kommunikationsdisplays“ und „Kommunikationssignalen“: nur bei letzteren gehe es um intentionales Tun. Als Formen von „Kommunikation“ werden trotzdem beide angesprochen.
Selbst wenn man bezüglich obiger Formulierung darüber hinwegsieht, dass ‚Kommunikation‘ sicherlich nicht die Merkmale selber, sondern bestenfalls die durch jene ausgelöste Interaktion bezeichnet, wäre der Ausdruck, so verstanden, eine ziemlich nichtssagende Phrase: Nicht allein würde dann schließlich sowohl das Darm-Bakterium mit den nur aufgrund seiner Tätigkeit zur Verdauung befähigten Lebewesen, als auch das transpirierende Säugetier mit den auf den Schweiß reagierenden Zecken kommunizieren. Sogar ein eines Verbrechens Verdächtigter stünde schon allein über die Papillarleisten seiner Finger mit den seine Fingerabdrücke überprüfenden Ermittlern in einem Kommunikationszusammenhang. Einen Schritt weitergehend wäre dann vielleicht sogar die Kommunikation mit oder gar zwischen unbelebten Gegenständen – der ausgelöste Feuermelder kommuniziert mit den Hausbewohnern oder dem Babyfon – möglich.
Doch warum sollte man so reden, dass der Elefant, der mir auf den Fuß getreten ist, mit mir ‚kommuniziert‘ hat (insofern, dass er durch sein Gewicht in der Folge meinen Gang beeinflusst)? Gerade der von Tomasello doch offenbar geschätzte Wittgenstein legt dar, dass die Bedeutung von Wörtern nicht als menschenunabhängig und fix anzusehen sei, sondern genau in deren sprachlichem Gebrauch bestehe – und warnt vor den philosophischen Problemen, die durch achtlosen Sprachgebrauch („wenn die Sprache feiert“) entstünden. Es wäre daher zu begrüßen, die Bedeutung von ‚Kommunikation‘ enger zu fassen, schon, weil dann dem Terminus ein größerer Informationsgehalt zukäme. In den genannten Fällen wäre es hingegen ausreichend, schlicht von ‚interagieren‘, in einigen Fällen von ‚signalisieren‘ (was immer aus der Perspektive des Signalempfängers zu verstehen ist) zu sprechen.
Einige andere Möglichkeiten für definitorische Unterscheidungen lässt Tomasello bedauerlicherweise ebenfalls ungenutzt, etwa in Bezug auf ‚Information’ oder ‚wissen‘: „Wenn eine grüne Meerkatze einen ‚Schlangenwarnruf‘ hört, weiß sie, daß eine Schlange in der Nähe ist; hört sie einen ‚Adleralarmruf‘, weiß sie, daß ein Adler in der Nähe ist.“ Dabei ‚weiß‘ er doch um die durch solche Rede erzeugten Schwierigkeiten – und sicherlich in einer anderen Weise, als eine Meerkatze um irgendwelche Feinde ‚weiß‘: „Wenn das Jagdereignis mit diesem Vokabular komplementärer Rollen [‚Treiber‘, ‚Fänger‘ et cetera] beschrieben wird, erscheint es natürlich als genuin gemeinschaftliche Tätigkeit: Komplementäre Rollen implizieren bereits, daß es ein gemeinsames Ziel gibt, das von den Individuen, die die Rollen einnehmen, geteilt wird. Die Frage ist jedoch, ob dieses Vokabular angemessen ist.“
Ausgehend von seinen Erörterungen lässt er sich zudem bisweilen zu bemerkenswert unsicheren (und wohl auch unsicherbaren) Prognosen oder Vermutungen hinreißen: „Individuen, die bloß damit beschäftigt sind, Dinge voneinander im Hier und Jetzt zu verlangen, oder auch einander über Dinge zu informieren, die vom Hier und Jetzt etwas entfernt sind, würden einfach für viele der extravaganten syntaktischen Hilfsmittel, die wir in modernen Sprachen antreffen und deren Funktion auf recht direkte Weise mit den funktionalen Anforderungen erzählender Rede über räumliche und zeitlich versetzte, strukturierte Ereignisfolgen zusammenhängt, keinen Bedarf haben.“ Oder gar: „Noch spannender ist es, sich vorzustellen, wie die menschliche ‚Sprache‘ aussähe – falls wir sie dann überhaupt noch so nennen wollten –, wenn sie sich nicht im Kontext der Kooperation, sondern der Konkurrenz entwickelt hätte.“ Nein, das wäre nicht ‚spannend‘, sondern vielmehr ‚absurd‘ und nein, ‚Sprache‘ könnte man dieses Was-Auch-Immer dann nicht mehr nennen: Was wäre, wenn Äpfel Fahrräder wären? Wollte oder könnte man sie dann noch ‚Äpfel‘ nennen? Ein letztes Beispiel: „Es ist ganz einfach so, daß sich die menschlichen Sprachen auch ganz anders hätten entwickelt [sic!] können, wenn irgendwelche [ihrer] Teile – aus irgendeinem der zahllosen evolutionären Gründe – signifikant anders gewesen wären.“ Spätestens durch das ‚signifikant‘ wird die These gänzlich trivial.