Sachbuch
Bits of philosophic history repeated - Michael Tomasello erläutert „Die Ursprünge der menschlichen Kommunikation“
Weiterhin sind in Tomasellos Darlegungen bisweilen die Rollen und Bezüge nicht klar bestimmt: „Ich selbst bin jedoch davon überzeugt – aus Gründen, die uns zu weit wegführen würden –, daß Menschen diese Dimensionen des ,Wie-die-anderen-sein-Wollens’ als ein Mittel entwickelt haben, um die Konformität innerhalb der Gruppe und Unterschiede zwischen Gruppen im Kontext einer auf mehreren Ebenen stattfindenden und an der Gruppe als ganzer ansetzenden Selektion zu maximieren: die sogenannte kulturelle Gruppenselektion.“ Dies klingt – übrigens auch in der Englischen Vorlage – nicht nur, als ob jene Menschen die eigene evolutionäre ‚Verbesserung‘ selbst im Auge gehabt hätten, sondern auch, als habe es überhaupt so etwas wie einen Plan gegeben. Doch Erklärungen des phylogenetischen Wandels beziehen sich weder auf Taten von Akteuren, noch auf zielgerichtetes Tun überhaupt. Zielgerichtet erscheinen Vorgänge nur aus der Retrospektive, das heißt in der Rekonstruktion. Solche ‚als ob‘-Redeweisen ausdrücklich kenntlich zu machen beziehungsweise entsprechende Ungenauigkeiten strikt zu vermeiden, ist mindestens bei einer Überblicksdarstellung sehr wichtig, wie sie das hier betrachtete Buch bieten soll.
Darüber hinaus mögen dem einen oder anderen Leser die argumentationslogischen Übergänge unangenehm auffallen, denn oftmals findet – erneut: in der Übersetzung wie im Original – aufbauend auf ausdrückliche Vermutungen direkt der Indikativ Verwendung (kursiviert durch W.W.): „Dem hier präsentieren Vorschlag zufolge entstand die gemeinsame Aufmerksamkeit bei gemeinschaftlichen Tätigkeiten mit gemeinsamen Zielen jedoch von oben nach unten (und entwickelt sich heutzutage bei menschlichen Kleinkindern auf diese Weise). Mutualistische Zusammenarbeit ist also die Geburtsstätte des gemeinsamen begrifflichen Hintergrunds, der notwendig ist für die inferentiell reichhaltige kooperative Kommunikation menschlichen Stils.“ Der Geltungsanspruch, den diese bestimmte Redeform impliziert beziehungsweise suggeriert, kann hier jedoch nicht gerechtfertigt werden.
Solche Ungenauig- oder Nachlässigkeiten erleichtern vielleicht teilweise die unbedarfte Lektüre des Textes, behindern aber Tomasellos Erklärungsvorhaben: eben indem sie die mit der Darlegung erhobenen, über die strikte empirische Forschung zweifellos hinausragenden Geltungsansprüche untergraben. In diesem Zusammenhang ist eine weitere Problematik zu sehen, die indes die gesamte Evolutionsforschung betrifft. Viele Evolutionsbiologen, speziell Soziobiologen, sehen ihre Aufgabe in der Angabe bestimmter (in aller Regel prähistorischer) Zustände, von denen aus aufgrund der Naturgesetzlichkeiten gewisse spätere Zustände, inklusive der Beschaffenheit biologischer Organismen, erklärbar sind. In die Argumentation gehen außerdem Überlegungen bezüglich der Nützlichkeit von ebenfalls anzugebenden Eigenschaften jener Organismen im „Überlebenskampf“ ein. Bei Tomasello ist etwa zu lesen: „Diese Gefühle haben sich vermutlich genau deshalb entwickelt, weil sie sowohl die Aufmerksamkeit für als auch die Einhaltung von soziale(n) Normen der Hilfsbereitschaft/Reziprozität sowie die Konformität/Solidarität/Zugehörigkeit zu gewährleisten helfen.“ Dass sich bestimmte Eigenschaften des Menschen entwickelt haben, „muß mit irgendeinem Vorteil für das menschliche Individuum verbunden sein“.
Dabei darf jedoch mindestens nicht übersehen werden, dass die Definition von Eigenschaften wiederum erst durch den Forscher geschieht. Also ist, genau wie im Tomasello-Zitat oben bezüglich der Jagd angemerkt, auch hier genau zu prüfen, ob die Beschreibung überhaupt dem Erklärungsvorhaben angemessen ist. Um sich die Schwierigkeiten zu veranschaulichen, die sich bei der Erarbeitung eines Modells des phylogenetischen Wandels (Evolutionsszenario) ergeben, möge man sich einige der Möglichkeiten der beschreibenden Erfassung des Unterschiedes in der Gesichtsbehaarung bei Männern und Frauen vergegenwärtigen: Ist der evolutionäre Vorteil im Bartwuchs bei männlichen oder aber in der reduzierten Gesichtsbehaarung bei weiblichen Individuen zu suchen? Oder ist das Selektionsmerkmal vielleicht in dem in der Behaarung des Körpers (unter anderem des Gesichts) ausgeprägten Geschlechtsdimorphismus zu sehen? Geht es dabei um Wärmedämmung, um Tarnung, um Licht- oder um Feuchtigkeitsschutz – oder um Partnerwerbung? ‚Die eine‘ kontextunabhängig gültige Beschreibung gibt es hier schlicht nicht. Leider ist es im Gegenteil sogar oft so, dass just aufgrund einer einigermaßen passenden Erklärung für eine der möglichen Beschreibungen diese als ‚die richtige‘ propagiert wird, ein Merkmal also auf eine singuläre Funktion reduziert wird. Doch der Bart ist eben nicht nur ‚Zierde‘ des Mannes. Die Engführung der Argumentation auf eine einfache Nutzen-Dimension, welche auch bei Tomasello bisweilen anklingt, ist somit verfehlt.
Darüber hinaus mögen dem einen oder anderen Leser die argumentationslogischen Übergänge unangenehm auffallen, denn oftmals findet – erneut: in der Übersetzung wie im Original – aufbauend auf ausdrückliche Vermutungen direkt der Indikativ Verwendung (kursiviert durch W.W.): „Dem hier präsentieren Vorschlag zufolge entstand die gemeinsame Aufmerksamkeit bei gemeinschaftlichen Tätigkeiten mit gemeinsamen Zielen jedoch von oben nach unten (und entwickelt sich heutzutage bei menschlichen Kleinkindern auf diese Weise). Mutualistische Zusammenarbeit ist also die Geburtsstätte des gemeinsamen begrifflichen Hintergrunds, der notwendig ist für die inferentiell reichhaltige kooperative Kommunikation menschlichen Stils.“ Der Geltungsanspruch, den diese bestimmte Redeform impliziert beziehungsweise suggeriert, kann hier jedoch nicht gerechtfertigt werden.
Solche Ungenauig- oder Nachlässigkeiten erleichtern vielleicht teilweise die unbedarfte Lektüre des Textes, behindern aber Tomasellos Erklärungsvorhaben: eben indem sie die mit der Darlegung erhobenen, über die strikte empirische Forschung zweifellos hinausragenden Geltungsansprüche untergraben. In diesem Zusammenhang ist eine weitere Problematik zu sehen, die indes die gesamte Evolutionsforschung betrifft. Viele Evolutionsbiologen, speziell Soziobiologen, sehen ihre Aufgabe in der Angabe bestimmter (in aller Regel prähistorischer) Zustände, von denen aus aufgrund der Naturgesetzlichkeiten gewisse spätere Zustände, inklusive der Beschaffenheit biologischer Organismen, erklärbar sind. In die Argumentation gehen außerdem Überlegungen bezüglich der Nützlichkeit von ebenfalls anzugebenden Eigenschaften jener Organismen im „Überlebenskampf“ ein. Bei Tomasello ist etwa zu lesen: „Diese Gefühle haben sich vermutlich genau deshalb entwickelt, weil sie sowohl die Aufmerksamkeit für als auch die Einhaltung von soziale(n) Normen der Hilfsbereitschaft/Reziprozität sowie die Konformität/Solidarität/Zugehörigkeit zu gewährleisten helfen.“ Dass sich bestimmte Eigenschaften des Menschen entwickelt haben, „muß mit irgendeinem Vorteil für das menschliche Individuum verbunden sein“.
Dabei darf jedoch mindestens nicht übersehen werden, dass die Definition von Eigenschaften wiederum erst durch den Forscher geschieht. Also ist, genau wie im Tomasello-Zitat oben bezüglich der Jagd angemerkt, auch hier genau zu prüfen, ob die Beschreibung überhaupt dem Erklärungsvorhaben angemessen ist. Um sich die Schwierigkeiten zu veranschaulichen, die sich bei der Erarbeitung eines Modells des phylogenetischen Wandels (Evolutionsszenario) ergeben, möge man sich einige der Möglichkeiten der beschreibenden Erfassung des Unterschiedes in der Gesichtsbehaarung bei Männern und Frauen vergegenwärtigen: Ist der evolutionäre Vorteil im Bartwuchs bei männlichen oder aber in der reduzierten Gesichtsbehaarung bei weiblichen Individuen zu suchen? Oder ist das Selektionsmerkmal vielleicht in dem in der Behaarung des Körpers (unter anderem des Gesichts) ausgeprägten Geschlechtsdimorphismus zu sehen? Geht es dabei um Wärmedämmung, um Tarnung, um Licht- oder um Feuchtigkeitsschutz – oder um Partnerwerbung? ‚Die eine‘ kontextunabhängig gültige Beschreibung gibt es hier schlicht nicht. Leider ist es im Gegenteil sogar oft so, dass just aufgrund einer einigermaßen passenden Erklärung für eine der möglichen Beschreibungen diese als ‚die richtige‘ propagiert wird, ein Merkmal also auf eine singuläre Funktion reduziert wird. Doch der Bart ist eben nicht nur ‚Zierde‘ des Mannes. Die Engführung der Argumentation auf eine einfache Nutzen-Dimension, welche auch bei Tomasello bisweilen anklingt, ist somit verfehlt.