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Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik |
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![]() © Marion Ettlinger ![]() ![]() ![]() |
Die große amerikanische Sinfonie der
Verbrechen |
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Die
Biographie des heute 74-jährigen
James Ellroy
kommt so ziemlich allen Sex-Drug&Crime-Reflexen der Boulevardpresse
außerordentlich entgegen, und bietet selbst hinreichend Stoff für mehr als eine aufregende Story.
Vielen Kritikern indes gilt Ellroy, dessen Roman
L.A.
Confidential (Stadt der Teufel) mit Russell Crowe, Kevin Spacey, Danny
deVito und Kim Basinger erfolgreich verfilmt wurde, als der beste lebende
amerikanische Krimi-Autor seit Raymond Chandler und Dashiell Hammett. Doch James Ellroys Bedeutung für die amerikanische Literaturgeschichte reicht weit über dieses Genre hinaus. Er ist der stilsichere, unbestechliche Chronist jener Epoche zwischen 1958 und 1972, während der Politik und Verbrechen in den USA so eng verzahnt gewesen waren, daß niemand mehr sagen konnte, wer tatsächlich die Macht inne hatte, wer das Land eigentlich regiert, wer Opfer und wer Täter ist. Die Guten und die Bösen? Bei Ellroy gibt es keine Guten, selbst die meisten Opfer haben Dreck am Stecken, und sei es »nur« Erpressung, Verleumdung oder Diebstahl von vertraulichen Dokumenten. Was ich mir zum Ziel setzte, war, den Kennedy-Mythos zu zerstören. Eben diesen Mythos, der besagt, dass Amerika vor seinem Tod die reine Unschuld war, dass sein Tod uns daran gehindert hat, in ein goldenes neues Zeitalter einzutreten. Scheißdreck. (James Ellroy) Und dies gelingt ihm gründlich mit seiner Underworld-Trilogie »Ein amerikanischer Thriller«, »Ein amerikanischer Albtraum« und »Blut will fließen«. Ellroy beschreibt darin den Zustand Amerikas nach der McCarthy-Ära als intellektuell wie moralisch offenbar wehrlosen Spielball konkurrierender Interessengruppen: Allen voran Edgar J. Hoover, als übermächtiger und permanent informationssüchtiger Chef des FBI, der zusehends an Realitätsverlust leidende, aber wegen seiner Milliarden einflussreiche Howard Hughes, dann La Cosa Nostra, deren Existenz Hoover bezeichnenderweise lange geleugnet hat, schließlich Jimmy Hoffa, der chronisch jähzornige Boss der Teamster-Gewerkschaft, natürlich die CIA, und nicht zuletzt der Kennedy-Clan bestehend aus den Akteuren J.F.K & Robert Kennedy. Ellroys Figuren, gleich ob zeitgenössisch real oder fiktiv, bilden dabei die Stimmen einer ebenso komplexen wie virtuosen literarischen Partitur, in der die gescheiterte Invasion in der Schweinebucht, die Morde an den Kennedy-Brüdern und Martin Luther King in die Sinfonie implementierte Kadenzen des Todes bilden, in denen das teilweise desaströse Zusammenspiel miteinander paktierender Kräfte sich in Orgien aus Gewalt und Hass entlädt. Das ist an vielen Stellen für den Leser kaum zu ertragen, und ich mußte das Buch ein paar mal weglegen, um keiner Überdosis crime und Ekel zu erliegen. Ellroy zu lesen, ist auch eine körperliche Anstrengung und das ist keine Koketterie. Ellroy verzichtet auf sprachlichen Zierrat, produziert reinsten literarischen Stoff. Er schreibt nur das Notwendige, das aber erbarmungslos direkt. Gegen das Ende hin werden seine Sätze immer kürzer, bestehen streckenweise nur noch aus Subjekt, Prädikat, Objekt. Damit sorgt er für ein stetig steigendes Tempo, das dem Leser kaum die Zeit läßt, den Überblick zu behalten, und saugt ihn in die Geschichte hinein. Das ist nicht immer ein Vergnügen, denn einiges von dem dichten Geflecht aus Fakten & Fiktion wollte ich gar nicht so genau wissen, aber als schließlich, nach gut 2.200 Seiten, unzähligen Toten, gestorbenen Hoffnungen und geplatzten Träumen, der Satz: »Der Glaube siegt.« auftaucht, war mir klar, drei der Bücher gelesen zu haben, die auch für zukünftige Lesergenerationen ihren Platz nicht nur in der amerikanischen Literaturgeschichte haben werden. Herbert Debes Artikel online seit13.03.12 |
James Ellroy |
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