Eine kleine Zitatensammlung zum 225. Geburtstag
Die Welt als Wille und Vorstellung
Aber das Leben ist kurz und die Wahrheit wirkt ferner und lange: Sagen wir die
Wahrheit.
Aber die Sprache um ein Wort ärmer machen heißt das Denken der Nation um einen
Begriff ärmer machen.
Aber Keiner Bilde sich ein, die
»Kritik der reinen Vernunft« zu kennen und einen
deutlichen Begriff von Kants Lehre zu haben, wenn er jene nur in der zweiten,
oder einer der folgenden Auflagen gelesen hat; das ist schlechterdings
unmöglich: denn er hat nur einen verstümmelten, verdorbenen, gewissermaaßen
unächten Text gelesen. Es ist meine Pflicht, Dies hier entschieden und zu
Jedermanns Warnung auszusprechen.
Aber Optimismus ist, in den Religionen, wie in der Philosophie, ein Grundirrtum,
der aller Wahrheit den Weg vertritt.
Aber so ein Gott Jehova, der zum Vergnügen und mutwillig diese Welt der Not und
des Jammers hervorbringt und dann noch gar sich selber Beifall klatscht mit
»Alles war sehr gut« (Moses, 1,31): Das ist nicht zu Ertragen.
Alle Befreiung, oder was man gemeinhin Glück nennt, ist eigentlich und
wesentlich immer nur negativ und durchaus nie positiv.
Alles im Leben giebt kund, daß das irdische Glück bestimmt ist, vereitelt oder
als eine Illusion erkannt zu werden.
Alles ist nur so lange schön, als es uns nicht angeht.
Alles Objektive ist Vorstellung, mithin Erscheinung, ja bloß Gehirnphänomen.
Alles Urdenken geschieht in Bildern: darum ist die Phantasie ein so nothwendiges
Werkzeug desselben, und werden phantasielose Köpfe nie etwas Großes leisten, -
es sei denn in der Mathematik.
Auch behaupte ich schlechthin, daß der Begriff Wechselwirkung durch kein
einziges Beispiel zu belegen ist.
Auch hat die Erfahrung gezeigt, daß große Genien in der Kunst zur Mathematik
keine Fähigkeit haben: nie war ein Mensch zugleich in beiden sehr ausgezeichnet.
Aus der dargelegten Ursprünglichkeit und Unbedingtheit des Willens ist es
erklärlich, daß der Mensch ein Daseyn voll Noth, Plage, Schmerz, Angst und dann
wieder voll Langeweile, welches rein objektiv betrachtet und erwogen, von ihm
verabscheut werden müßte, über Alles liebt und dessen Ende, welches jedoch das
einzige Gewisse für ihn ist, über Alles fürchtet.
Aus jeder Seite von David Hume ist mehr zu lernen, als aus Hegels, Herbarts und
Schleiermachers sämtlichen philosophischen Werken zusammengenommen.
Bei keiner Sache hat man so sehr den Kern von der Schaale zu unterscheiden, wie
beim Christentum.
Daher deutet Schwerfälligkeit im Gange des Körpers auf Schwerfälligkeit im Gange
der Gedanken und wird, so ganz wie Schlaffheit der Gesichtszüge und Stumpfheit
des Blickes, als ein Zeichen von Geisteslosigkeit betrachtet, sowohl an
Individuen, wie an Nationen.
Daher kommt die wunderliche Thatsache, daß Jeder sich a priori für ganz frei,
auch in seinen einzelnen Handlungen, hält und meint, er könne jeden Augenblicke
einen andern Lebenwandel anfangen, welches hieße ein Anderer werden. Allein a
posteriori, durch die Erfahrung, findet er zu seinem Erstaunen, daß er nicht
frei ist, sondern der Nothwendigkeit unterworfen, daß er, aller Vorsätze und
Reflexionen ungeachtet, sein Thun nicht ändert, und vom Anfang seines Lebens bis
zum Ende denselben von ihm selbst mißbilligten Charakter durchführen und
gleichsam die übernommene Rolle bis zu Ende spielen muß.
Daher will Jeder Alles für sich, will Alles besitzen, wenigstens beherrschen,
und was sich ihm widersetzt, möchte er vernichten.
Das Bewußtseyn ist die bloße Oberfläche unseres Geistes, von welchem, wie vom
Erdkörper, wir nicht das Innere, sondern nur die Schaale kennen.
Das Leben, mit seinen stündlichen, täglichen, wöchentlichen und jährlichen,
kleinen, größern und großen Widerwärtigkeiten, mit seinen getäuschten Hoffnungen
und seinen alle Berechnung vereitelnden Unfällen, trägt so deutlich das Gepräge
von etwas, das uns verleidet werden soll, daß es schwer zu begreifen ist, wie
man dies hat verkennen können und sich überreden lassen, es sei da, um dankbar
genossen zu werden, und der Mensch, um glücklich zu seyn.
Das Urtheilen, dieser elementare und wichtigste Proceß des Denkens, besteht im
Vergleichen zweier Begriffe; das Schließen im Vergleichen zweier Urtheile.
Dazu kommt, daß von der Höhe der Fall am tiefsten ist. Den bürgerlichen Personen
fehlt es demnach an Fallhöhe.
Denn, ich wiederhole es, alle Tugend, die irgendwie eines Lohnes wegen geübt
wird, beruht auf klugen, methodischen, weitsehenden Egoismus.
Denn Kants Lehre bringt in jedem Kopf, der sie gefaßt hat, eine fundamentale
Veränderung hervor, die so groß ist, daß sie für die geistige Widergeburt gelten
kann. […] Wer hingegen der Kantischen Philosophie sich nicht bemeistert hat,
ist, was sonst er auch getrieben haben mag, gleichsam im Stande der Unschuld,
nämlich in demjenigen natürlichen und kindlichen Realismus befangen geblieben,
in welchem wir Alle geboren sind und der zu allem Möglichen, nur nicht zur
Philosophie befähigt. […] Die Kantische Lehre also wird man vergeblich irgend wo
anders suchen, als in Kants eigenen Werken: diese aber sind durchweg belehrend,
selbst da wo er irrt, selbst da wo er fehlt.
Denn natürlicher Verstand kann fast jeden Grad der Bildung ersetzen, aber keine
Bildung der natürlichen Verstand.
Denn wenn man etwas auf einem falschen Weg sucht; so hat man eben deshalb den
rechten verlassen und wird auf jenem am Ende nie etwas Anderes erreichen, als
späte Enttäuschung.
Der gewöhnliche Mensch, diese Fabrikware der Natur, wie sie solche täglich zu
Tausenden hervorbringt, ist wie gesagt, einer in jedem Sinn völlig
uninteressirten Betrachtung, welches die eigentliche Beschaulichkeit ist,
wenigstens durchaus nicht anhaltend fähig: er kann seine Aufmerksamkeit auf die
Dinge nur insofern richten, als sie irgend eine, wenn auch nur sehr mittelbare
Beziehung auf seinen Willen haben.
Der heimliche Prosaiker hingegen sucht zum Gedanken den Reim; der Pfuscher zum
Reim den Gedanken.
Der Lebenslauf des Menschen besteht darin, dass er, von der Hoffnung genarrt,
dem Tod in die Arme tanzt.
Der Realismus führt, wie gesagt, notwendig zum Materialismus.
Die Geschichte vom Fall eines Apfels ist ein eben so grundloses, als beliebtes
Mährchen und ohne alle Autorität.
Die gewöhnlichen Flachköpfe sind nicht ein Mal rechter Freude fähig: sie leben
in Dumpfheit dahin.
Die Menschen werden nur scheinbar von vorne gezogen, eigentlich aber von hinten
geschoben: nicht das Leben lockt sie an, sondern die Noth drängt sie vorwärts.
Die Physik vermag nicht auf eigenen Füßen zu stehen, sondern bedarf einer
Metaphysik, sich darauf zu stützen; so vornehm sie auch gegen diese thun mag.
Die Vernunft ist weiblicher Natur: sie kann nur geben, nachdem sie empfangen
hat.
Die Wahrheit ist keine Hure, die sich Denen an den Hals wirft, welche ihrer
nicht begehren: vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr Alles
opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß seyn darf.
Die Welt ist meine Vorstellung.
Dies geht soweit, daß bei monotheistischen Völkern Atheismus, oder
Gottlosigkeit, das Synomym von Abwesenheit aller Moralität geworden ist.
Diesem gemäß verheißen alle Religionen für die Vorzüge des Willens, oder
Herzens, einen Lohn jenseits des Lebens, in der Ewigkeit; keine aber für die
Vorzüge des Kopfes, des Verstandes.
Ein Bewußtseyn ohne Gegenstand ist kein Bewußtseyn.
Eine Allegorie ist ein Kunstwerk, welches etwas Anderes bedeutet, als es
darstellt.
Eine gefaßte Hypothese giebt uns Luchsaugen für alles sie Bestätigende, und
macht uns blind für alles ihr Widersprechende."
Eine Moral ohne Begründung, also bloßes Moralisiren, kann nicht wirken; weil sie
nicht motivirt.
Er [Kant] hat aus der Philosophie den Theismus eliminirt, da in ihr, als einer
Wissenschaft, und nicht Glaubenslehre, nur Das eine Stelle finden kann, was
entweder empirisch gegeben, oder durch haltbare Beweise festgestellt ist.
Erst durch die Geschichte wird ein Volk sich seiner selbst bewußt.
Es gibt nur einen angeborenen Irrthum, und das ist der, daß wir dasind, um
glücklich zu seyn.
Es ist unmöglich, daß eine Zeitgenossenschaft, welche, zwanzig Jahre hindurch,
einen Hegel, diesen geistigen Kaliban, als den größten der Philosophen
ausgeschrieben hat, so laut, daß es in ganz Europa widerhallte, Den, der Das
angesehen, nach ihrem Beifall lüstern machen könnte.
Für das praktische Leben ist das Genie so brauchbar, wie ein Stern-Teleskop im
Theater.
Ganz besonders thut dies auch die Anstrengung des noch unreifen Gehirns, in den
frühen Kinderjahren: ich glaube, daß das Erlernen der Lateinischen und
Griechischen Grammatik vom sechsten bis zum zwölften Jahre den Grund legt zur
nachherigen Stumpfheit der meisten Gelehrten.
Genie ist nie ohne hohe, breite, schön gewölbte Stirn; diese aber oft ohne
jenes; - von einem geistreichen Aussehen ist auf Geist um so sicherer zu
schließen, je häßlicher das Gesicht ist, und von einem dummen Aussehen auf
Dummheit desto sicherer, je schöner das Gesicht ist; weil Schönheit, als
Angemessenheit zu dem Typus der Menschen, schon an und für sich den Ausdruck
geistiger Klarheit trägt, Häßlichkeit sich entgegengesetzt verhält, u.s.w.
Gesetzt es würde uns einmal ein deutlicher Blick in das Reich der Möglichkeit
und über alle Ketten der Ursachen und Wirkungen gestattet, es träte der Erdgeist
hervor und zeigte uns in einem Bilde die vortrefflichsten Individuen,
Welterleuchter und Helden, die der Zufall vor der Zeit ihrer Wirksamkeit
zerstört hat, - dann die großen Begebenheiten, welche die Weltgeschichte
geändert und Perioden der höchsten Kultur und Aufklärung herbeigeführt haben
würden, die aber das blindeste Ungefähr, der unbedeutendste Zufall, bei ihrer
Entstehung hemmte, endlich die herrlichsten Kräfte großer Individuen, welche
ganze Weltalter befruchtet haben würden, die sie aber, durch Irrtum oder
Leidenschaft verleitet, oder durch Nothwendigkeit gezwungen, an unwürdigen und
unfruchbaren Gegenständen nutzlos verschwendeten, oder gar spielend vergeudeten:
- sähen wir das Alles, wir würden schaudern und wehklagen über die verlorenen
Schätze ganzer Weltalter."
Hätte man jemals Kants Lehre, hätte man seit Kant den Platon eigentlich
verstanden und gefaßt, hätte man treu und ernst dem innern Sinn und Gehalt der
Lehren beider großer Meister nachgedacht, statt mit den Kunstausdrücken des
einen ums sich zu werfen und den Stil des andern zu parodieren; es hätte nicht
fehlen können, daß man längst gefunden hätte, wie sehr die beiden großen Weisen
übereinstimmen und die reine Bedeutung, der Zielpunkt beider Lehren, durchaus
derselbe ist.
Ich hege wirklich längst die Meinung, daß die Quantität Lerm, die Jeder
unbeschwert vertragen kann, in umgekehrtem Verhältniß zu seinen Geisteskräften
steht, und daher als das ungefähre Maaß derselben betrachtet werden kann.
Ich wollte, ich hätte ein authentisches Verzeichniß aller Verbrechen, die
wirklich das Christentum verhindernt, und aller guten Handlungen, die es
wirklich erzeugt hat, um sie auf die andere Waagschale legen zu können.
In jedem Mikrokosmos liegt der ganze Makrokosmos, und dieser enthält nichts mehr
als jener.
Jedoch die größte Frechheit im Auftischen baren Unsinns, im Zusammenschmieren
sinnleerer, rasender Wortgeflechte, wie man sie bis dahin nur in Tollhäusern
vernommen hatte, trat endlich im Hegel auf und wurde das Werkzeug der plumpesten
allgemeinen Mystifikation, die je gewesen, mit einem Erfolg, welcher der
Nachwelt fabelhaft erscheint und ein Denkmal Deutscher Niaserie bleiben wird.
Jugend ohne Schönheit hat immer noch Reiz; Schönheit ohne Jugend keinen.
Kants Stil trägt durchweg das Gepräge eines überlegenen Geistes, ächter, fester
Eigenthümlichkeit und ganz ungewöhnlicher Denkkraft; der Charakter desselben
läßt sich vielleicht treffend bezeichnen als eine glänzende Trockenheit, vermöge
welcher er die Begriffe mit großer Sicherheit fest zu fassen und
herauszugreifen, dann sie mit größter Freiheit hin- und herzuwerfen vermag, zum
Erstaunen des Lesers.
Kein Wille: keine Vorstellung, keine Welt.
Man betrachte z.B. den Koran: dieses schlechte Buch war hinreichend, eine
Weltreligion zu begründen, das metaphysische Bedürfniß zahlloser Millionen
Menschen seit 1200 Jahren zu befriedigen, die Grundlage ihrer Moral und einer
bedeutenden Verachtung des Todes zu werden, wie auch, sie zu blutigen Kriegen
und den ausgedehntesten Eroberungen zu begeistern. Wir finden in ihm die
traurigste und ärmlichste Gestalt des Theismus
Man soll nicht Judenthum mit Vernunft identificiren.
Mit kleiner Quantität, aber guter Qualität desselben leistet man mehr, als mit
großer Quantität, bei schlechter Qualität.
Notwendigkeit ist das Reich der Natur; Freiheit ist das Reich der Gnade.
Religionen sind dem Volke nothwendig, und sind ihm eine unschätzbare Wohlthat.
Schließen ist leicht, urtheilen schwer. Falsche Schlüsse sind eine Seltenheit,
falsche Urtheile stets an der Tagesordnung.
Sogar aber läßt sich den handgreiflichen sophistischen Beweisen Leibnitzens, daß
diese Welt die beste unter den möglichen sei, ernstlich und ehrlich der Beweis
entgegenstellen, daß sie die schlechteste unter den möglichen sei.
Unrecht, das mir Jemand zufügt, befugt mich keineswegs ihm Unrecht zuzufügen.
Viele Wahrheiten bleiben bloß deshalb unentdeckt, weil Keiner Muth hat, das
Problem ins Auge zu fassen und darauf los zu gehen.
Vorzüglich erblich ist der Hang zum Selbstmord.
Was dem Herzen widerstrebt, läßt der Kopf nicht ein.
Weiber können bedeutendes Talent, aber kein Genie haben: denn sie bleiben stets
subjektiv.
Wenn man nun endlich noch Jedem die entsetzlichen Schmerzen und Quaalen, denen
sein Leben beständig offen steht, vor die Augen bringen wollte; so würde ihn
Grausen ergreifen: und wenn man den verstocktesten Optimisten durch die
Krankenhospitäler, Lazarethe und chirurgische Marterkammern, durch die
Gefängnisse, Folterkammern und Sklavenställe, über Schlachtfelder und
Gerichtsstädten führen, dann alle die finstersten Behausungen des Elends, wo es
sich vor den Blicken kalter Neugier verkriecht, ihm öffnet und zum Schluß ihn in
den Hungerthurm des Ugolino blicken lassen wollte; so würde sicherlich auch er
zuletzt einsehen, welcher Art dieser meilleur des mondes possibles ist.
Wenn man, wie so oft geschieht, der Metaphysik vorwirft, im Laufe so vieler
Jahrhunderte, so geringe Fortschritte gemacht zu haben; so sollte man auch
berücksichtigen, daß keine andere Wissenschaft, gleich ihr, unter fortwährendem
Druck erwachsen, keine von außen so gehemmt und gehindert worden ist, wie sie
allezeit durch Religion jedes Landes, als welche, überall im Besitz des Monopols
metaphysischer Erkenntnisse, sie neben sich ansieht wie ein wildes Kraut, wie
einen unberechtigten Arbeiter, wie eine Zigeunerhorde, und sie in aller Regel
nur unter der Bedingung toleriert, daß sie sich bequeme ihr zu dienen und
nachzufolgen.
Wer nicht zeitlebens gewissermaaßen ein großes Kind bleibt, sondern ein
ernsthafter, nüchterner, durch gesetzter und vernünftiger Mann wird, kann ein
sehr nützlicher und tüchtiger Bürger dieser Welt seyn; nur nimmermehr ein Genie.
Wie ästhetisch ist doch die Natur!
Wir werden überhaupt ganz und gar nicht von Sollen reden: denn so redet man zu
Kindern und zu Völkern in ihrer Kindheit, nicht aber zu denen, welche die ganze
Bildung einer mündig gewordenen Zeit sich angeeignet haben.
Wirklich ist jedes Kind gewissermaaßen ein Genie, und jedes Genie gewissermaßen
ein Kind.
Zur Logik verhält sich die Grammatik wie das Kleid zum Leibe.
Zur Philosophie verhält sich die Poesie, wie die Erfahrung sich zur empirischen
Wissenschaft verhält.
Parerga und Paralipomena
Auch wird unsere Scheu vor jenem kolossalen Gedanken sich mindern, wenn wir uns
erinnern, dass das Subjekt des großen Lebenstraumes in gewissem Sinne nur Eines
ist […] und dass alle Vielheit der Erscheinungen durch Raum und Zeit bedingt
ist. Es ist ein großer Traum, den jenes Eine Wesen träumt: aber so, dass alle
seine Personen ihn mitträumen.
Das große gebildete Publikum sucht Wohlleben und Zeitvertreib, legt daher
beiseite, was nicht Roman, Komödie oder Gedicht ist. Um ausnahmsweise einmal zur
Belehrung zu lesen, wartet es zuvörderst auf Brief und Siegel von denen, die es
besser verstehen, darüber, daß hier wirklich Belehrung zu finden sei.
Ein unpersönlicher Gott ist gar kein Gott, sondern bloß ein missbrauchtes Wort,
ein Unbegriff, eine contradictio in adjecto, ein Schiboleth für
Philosophieprofessoren, welche, nachdem sie die Sache haben aufgeben müssen, mit
dem Worte durchzuschleichen bemüht sind.
Es gibt keine andere Offenbarung als die Gedanken der Weisen.
Es gibt nur eine Heilkraft, und das ist die Natur; in Salben und Pillen steckt
keine. Höchstens können sie der Heilkraft der Natur einen Wink geben, wo etwas
für sie zu tun ist.
Ja, wie bekanntlich jede andere Wissenschaft durch Einmischung von Theologie
verdorben wird, so auch die Philosophie, und zwar am allermeisten; wie Solches
die Geschichte derselben bezeugt: daß Dies sogar auch von der Moral gelte, habe
ich in meiner Abhandlung über das Fundament derselben sehr deutlich dargethan;
daher die Herren auch über diese mäuschenstill gewesen sind; getreu ihrer Taktik
des passiven Widerstandes.
LESEN heißt mit einem fremden Kopfe, statt des eigenen, denken.
Religionen sind Kinder der Unwissenheit, die Ihre Mutter nicht lange überleben.
Religionen sind wie die Leuchtwürmer: sie bedürfen der Dunkelheit um zu
leuchten. Ein gewisser Grad allgemeiner Unwissenheit ist die Bedingung aller
Religionen, ist das Element, in welchem allein sie leben können.
Die Hegel'sche Afterweisheit ist recht eigentlich jener Mühlstein im Kopfe des
Schülers im Faust. Wenn man einen Jüngling absichtlich verdummen und zu allem
Denken völlig unfähig machen will; so giebt es kein probateres Mittel, als das
fleißige Studium Hegelscher Originalwerke: denn diese monstrosen
Zusammenfügungen von Worten, die sich aufheben und widersprechen, ?o daß der
Geist irgend etwas dabei zu denken vergeblich sich abmartert, bis er endlich
ermattet zusammensinkt, vernichten in ihm allmälig die Fähigkeit zum Denken so
gänzlich, daß, von Dem an, hohle, leere Floskeln ihm für Gedanken gelten. Dazu
nun noch die durch Wort und Beispiel aller Respektpersonen dem Jüngling
beglaubigte Einbildung, jener Wortkram sei die wahre, hohe Weisheit!
Eine Kunst hat dieser Hegel wirklich verstanden, nämlich die, die Deutschen bei
der Nase zu führen.
Als Grundcharakter des Aristoteles ließe sich angeben der allergrößte
Scharfsinn, verbunden mit Umsicht, Beobachtungsgabe, Vielseitigkeit und Mangel
an Tiefsinn. Seine Weltansicht ist flach, wenn auch scharfsinnig
durchgearbeitet.
Auf Schelling folgte jetzt schon eine philosophische Ministerkreatur, der, in
politischer, obendrein mit einem Fehlgriff bedienter Absicht, von oben herunter
zum großen Philosophen gestämpelte Hegel, ein platter, geistloser,
ekelhaft-widerlicher, unwissender Scharlatan, der, mit beispielloser Frechheit,
Aberwitz und Unsinn zusammenschmierte, welche von seinen feilen Anhängern als
unsterbliche Weisheit ausposaunt und von Dummköpfen richtig dafür genommen
wurde, wodurch ein so vollständiger Chorus der Bewunderung entstand, wie man ihn
nie zuvor vernommen hatte.
Zu den glänzendesten und verdienstlichen Seiten der Kantischen Philosophie
gehört unstreitig die Transcendentale Dialektik, durch welche er die spekulative
Theologie und Psychologie dermaaßen aus dem Fundament gehoben hat, daß man
seitdem, auch beim besten Willen, nicht im Stande gewesen ist, sie wieder
aufzurichten.
Die glänzenden Blätter der Litteraturgeschichte sind, beinahe durchgängig,
zugleich die tragischen.
Denn Kant ist vielleicht der originellste Kopf, den jemals die Natur
hervorgebracht hat. Mit ihm und in seiner Weise zu denken, ist etwas, das mit
gar nichts Anderem irgend verglichen werden kann: denn er besaß einen Grad von
klarer, ganz eigenthümlicher Besonnenheit, wie solche niemals irgend einen
andern Sterblichen zu Theil geworden ist.
Allein was das Publikum nie erkennt und begreift, weil es gute Gründe hat, es
nicht zu erkennen wollen, ist die Aristokratie der Natur.
Von diesem Gesichtspunkt aus, läßt sich daher der Traum als ein kurzer Wahnsinn,
der Wahnsinn als ein langer Traum bezeichnen.
Dennoch sind aber die Menschen tausend Mal mehr bemüht, sich Reichthum, als
Geistesbildung zu erwerben; während doch ganz gewiß was man ist, viel mehr zu
unserm Glücke beiträgt, als was man hat.
Ueberhaupt aber beruhen 9/10 unseres Glücks allein auf der Gesundheit.
Demgemäß sehn wir die niedere Volksklasse in einem beständigen Kampf gegen die
Noth, also den Schmerz; die reiche und vornehme Welt hingegen in einem
anhaltenden, oft wirklich verzweifelten Kampf gegen die Langeweile.
Denn man hat in der Welt nicht viel mehr, als die Wahl zwischen Einsamkeit und
Gemeinschaft.
Daher ist, in allen Ländern, die Hauptbeschäftigung aller Gesellschaft das
Kartenspiel geworden: es ist der Maaßstab des Werthes derselben und der
deklarirte Bankrott an allen Gedanken.
So hat z.B. mir meine Philosophie nie etwas gebracht; aber sie hat mir sehr viel
erspart.
Wenn man hingegen sieht, wie fast Alles, wonach Menschen, ihr Leben lang, mit
rastloser Anstrengung und unter tausend Gefahren und Mühsäligkeiten, unermüdlich
streben, zum letzten Zwecke hat, sich dadurch in der Meinung Anderer zu erhöhen,
indem nämlich nicht nur Aemter, Titel und Orden, sondern auch Reichthum und
selbst Wissenschaft und Kunst, im Grunde und hauptsächlich deshalb angestrebt
werden, und der größere Respekt Anderer das letzte Ziel ist, darauf man
hinarbeitet; so beweist Dies leider nur die Größe der menschlichen Thorheit.
Dem entsprechend macht die Eitelkeit gesprächig, der Stolz schweigsam.
Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verräth
in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er
stolz seyn könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so
vielen Millionen theilt.
Wie Geschimpftwerden eine Schande, so ist Schimpfen eine Ehre.
Zeigt etwan in einer Diskussion, oder sonst im Gespräch ein Anderer richtige
Sachkenntniß, strenge Wahrheitsliebe, gesünderes Urtheil, mehr Verstand, als
wir, oder überhaupt, läßt er geistige Vorzüge blicken, die uns in den Schatten
stellen; so können wir alle dergleichen Ueberlegenheiten und unsere eigene durch
sie aufgedeckte Dürftigkeit sogleich aufheben und nun umgekehrt selbst überlegen
seyn, indem wir beleidigend und grob werden.
Sogar aber lehrt ein unbefangener Blick auf die Natur des Menschen, daß diesem
das Prügeln so natürlich ist, wie den reißenden Thieren das Beißen und dem
Hornvieh das Stoßen: er ist eben ein prügelndes Thier.
Auf Ehre hat jeder Anspruch; auf Ruhm nur die Ausnahmen: denn nur durch
außerordentliche Leistungen wird Ruhm erlangt.
Denn da die Menschen in der Regel ohne eigenes Urtheil sind und zumal hohe und
schwierige Leistungen abzuschätzen durchaus keine Fähigkeit haben; so folgen sie
hier fremder Auktorität, und der Ruhm, in hoher Gattung, beruht bei 99 von 100
Rühmern, bloß auf Treu und Glauben.
Ruhm und Jugend auf Ein Mal ist zu viel für einen Sterblichen.
Ganz er Selbst seyn darf Jeder nur so lange er allein ist: wer also nicht die
Einsamkeit liebt, der liebt auch nicht die Freiheit: denn nur wenn man alleine
ist, ist man frei: Zwang ist der unzertrennliche Gefährte jeder Gesellschaft.
Demgemäß wird Jeder in genauer Proportion zum Werthe seines eigenen Selbst die
Einsamkeit fliehen, ertragen oder lieben.
Was nun andererseits die Menschen gesellig macht ist ihre Unfähigkeit, die
Einsamkeit, und in dieser sich selbst, zu ertragen.
Diesem Allem zufolge steht die Geselligkeit eines Jeden ungefähr im umgekehrten
Verhältnisse seins intellektuellen Werthes; und »er ist sehr ungesellig« besagt
beinahe schon »er ist ein Mann von großen Eigenschaften«.
Dem intellektuell hochstehenden Menschen gewährt nämlich die Einsamkeit einen
zweifachen Vortheil: erstlich den, mit sich selber zu seyn, und zweitens den,
nicht mit Anderen zu seyn.
Also, wer erwartet daß in der Welt der Teufel mit Hörnern und die Narren mit
Schellen einhergehn, wird stets ihre Beute, oder ihr Spiel seyn.
Die Freunde nennen sich aufrichtig; die Feinde sind es: daher man ihren Tadel
zur Selbsterkenntniß benutzen sollte, als eine bittre Arznei.
Höflichkeit mit Stolz zu vereinigen ist ein Meisterstück.
Zorn oder Haß in Worten, oder Mienen blicken zu lassen ist unnütz, ist
gefährlich, ist unklug, ist lächerlich, ist gemein.
Was aber die Leute gemeiniglich das Schicksal nennen sind meistens nur ihre
eigenen dummen Streiche.
Armuth im Alter ist ein großes Unglück.
Die 6 kürzlich noch hinzu entdeckten Planetoiden sind eine Neuerung, von der ich
nichts wissen will. Ich mache es daher mit ihnen, wie mit mir die
Philosophieprofessoren: ich ignorire sie; weil sie nicht in meinen Kram passen.
Parerga und Paralipomena II
Der Grund und Boden, auf dem alle unsere Erkenntnisse und Wissenschaften ruhen,
ist das Unerklärliche.
Wo daher Widerspruch und Lüge ist; da sind Gedanken, die nicht aus objektiver
Auffassung entsprungen sind, -z.B. im Optimismus.
Gedanken kommen aber nicht wann wir, sondern wann sie wollen.
Alles wirkliche Dichten und Denken nämlich ist gewissermaaßen ein Versuch, den
kleinen Leuten einen großen Kopf aufzusetzen: kein Wunder, daß er nicht gleich
gelingt.
Ach, es ist doch ein saures Stück Brod, das Philosophieprofessorenbrod!
In Wahrheit aber giebt es weder Geist, noch Materie, wohl aber viel Unsinn und
Hirngespinste in der Welt.
Daher ist die Aufgabe nicht sowohl zu sehen was noch Keiner gesehen hat, als,
bei Dem, was Jeder sieht, zu denken, was noch Keiner gedacht hat.
Demnach nun muß jedenfalls der Adam unserer Rasse schwarz geacht werden, und da
Jehova ihn nach seinem Bilde geschaffen hat, so ist auf Kunstwerken auch dieser
schwarz darzustellen; wobei man ihm jedoch den herkömmlichen weißen Bart lassen
kann; da die Dünnbärtigkeit nicht der schwarzen Farbe, sondern bloß der
Aethiopischen Rasse anhängt.
Jede menschliche Vollkommenheit ist einem Fehler verwandt, in welchen
überzugehen sie droht; jedoch auch umgekehrt, jeder Fehler, einer
Vollkommenheit.
Ist doch unsere civilisirte Welt nur eine große Maskerade.
Der Mensch ist im Grunde ein wildes, entsetzliches Thier.
Denn die Moral mittels des Theismus stützen, heißt sie auf Egoismus
zurückführen; obgleich die Engländer, wie auch bei uns die untersten Klassen der
Gesellschaft, gar nicht die Möglichkeit einer anderen Begründung absehen.
Denn bei mir findet, in England, der rothe Rock mehr Glauben, als der schwarze,
und Alles, was daselbst zu Gunsten der Kirche, dieser so reichen und bequemen
Versorgungsanstalt der mittellosen jüngern Söhne der gesammten Aristokratie
gesagt wird ist mir eo ipso verdächtig.
Demnach ist der ganze empirische Verlauf des Lebens eines Menschen, in allen
seinen Vorgängen, großen und kleinen, so nothendig vorherbestimmt, wie der eines
Uhrwerks.
Stets denke man: besser allein, als unter Verräthern.
So hängen die Wahrheiten alle zusammen, fordern sich, ergänzen sich; während der
Irrthum an allen Ecken anstößt.
Ein eigenthümlicher Fehler der Deutschen ist, daß sie, was vor ihren Füßen
liegt, in den Wolken suchen.
Daß Der, welcher für sich selbst nicht mehr leben mag, nun noch als bloße
Maschine zum Nutzen Anderer fortleben sollte, ist eine überspannte Forderung.
Demnach würde zur Milderung des menschlichen Elends das Wirksamste die
Verminderung, ja, Aufhebung des Luxus seyn.
Wird nämlich das Unrecht von Einer Seite herausgeworfen, so schleicht es sich
von der andern wieder herein; weil eben die Unrechtlichkeit tief im menschlichen
Wesen liegt.
Ich bin der Meinung, daß die Weiber nie ganz mündig werden, sondern stets unter
wirklicher männlicher Aufsicht stehn sollten, sei es die des Vaters, des Gatten,
des Sohnes, oder des Staats, - wie es in Indien ist; daß sie demnach niemals
über ein Vermögen, welches sie nicht selbst erworben haben, müßten eigenmächtig
verfügen können. Daß hingegen eine Mutter sogar bestellter Vormund und Verwalter
des väterlichen Erbteils ihrer Kinder werden könne, halte ich für unverzeihliche
und verderbliche Thorheit.
Jedenfalls bedarf ein Weib stets des Vormundes, darf also nie Vormund seyn. -
Auch bin ich der Meinung, daß, vor Gericht, das Zeugniß eines Weibes, caeteris
paribus, weniger Gewicht haben sollte, als das eines Mannes; so daß z.B. zwei
männliche Zeugen etwan drei, oder gar vier weibliche aufwögen. Denn ich glaube,
daß das weibliche Geschlecht, in Masse genommen, täglich drei Mal so viel Lügen
in die Luft schickt, als das männliche, und noch dazu mit einem Anschein von
Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit, den das männliche nie erlangt.
Demnach ist es eine höchst oberflächliche und falsche Ansicht, wenn man die
Juden bloß als Religionssekte betrachtet: wenn aber gar, um diesen Irrthum zu
begünstigen, das Judenthum, mit einem der Christlichen Kirche entlehnter
Ausdruck, bezeichnet wird als »Jüdische Konfession«; so ist Dies ein
grundfalscher, auf das Irreleiten absichtlich berechneter Ausdruck, der gar
nicht gestattet seyn sollte. Vielmehr ist »Jüdische Nation« das Richtige. Die
Juden haben gar keine Konfession: der Monotheismus gehört zu ihrer Nationalität
und Staatsverfassung und versteht sich bei ihnen von selbst. Ja, wohlverstanden,
sind Monotheismus und Judenthum Wechselbegriffe.
Erkenntniß ist, an sich selbst, stets schmerzlos.
So viel ich sehe, sind es allein die monotheistischen, also jüdischen
Religionen, deren Bekenner die Selbsttötung als ein Verbrechen betrachten.
Daß unser Daseyn selbst eine Schuld implicirt, beweist der Tod.
Vom Vater erhält das Kind den Willen, den Charakter; von der Mutter den
Intellekt.
Alles, was im Christentum Wahres findet, findet sich auch im Brahmanismus und
Buddhismus.
Der Grundunterschied der Religionen liegt darin, ob sie Optimismus oder
Pessimismus sind; keineswegs darin, ob Monotheismus, Polytheismus, Trimurti,
Dreieinigkeit, Pantheismus, oder Atheismus (wie der Buddhismus.
Das Christentum ist eine Allegorie, die einen wahren Gedanken abbildet; aber
nicht ist die Allegorie an sich selbst das Wahre.
Entweder glauben oder philosophiren! was man erwählt sei man ganz.
Die, welche wähnen, daß die Wissenschaften immer weiter fortschreiten und immer
mehr sich verbreiten können, ohne daß Dies die Religionen hindere, immerfort zu
bestehn und zu floriren, - sind in einem großen Irrthum befangen. Religionen
sind Kinder der Unwissenheit, die ihre Mutter nicht lange überleben.
Der Glaube ist wie die Liebe: er läßt sich nicht erzwingen. Daher ist es ein
mißliches Unternehmen, ihn durch Staatsmaaßregeln einzuführen, oder zu
befestigen zu wollen: denn, wie der Versuch, Liebe zu erzwingen, Haß erzeugt; so
der, Glauben zu erzwingen, erst rechten Unglauben.
Im Homer sind die vielen, unendlich oft vorkommenden Phrasen, Tropen, Bilder und
Redensarten so steif, starr und mechanisch eingesetzt, als wäre es mit
Schablonen geschehen.
Die Fabel von der Pandora ist mir von jeher nicht klar gewesen, ja, ungereimt
und verkehrt vorgekommen.
Die Zeitungen sind der Sekundenzeiger der Geschichte. Derselbe aber ist meistens
nicht nur von unedlerem Metalle, als die beiden andern, sondern geht auch selten
richtig.
Der Neid nämlich ist die Seele des überall florirenden, stillschweigenden und
ohne Verabredung zusammenkommenden Bundes aller Mittelmäßigen, gegen den
einzelnen Ausgezeichneten, in jeder Gattung. [...] Neid ist das sichere
Anzeichen des Mangels, also, wenn auf Verdienste gerichtet, des Mangels an
Verdiensten.
Die ganze Litteraturgeschichte, alter und neuer Zeit, hat kein Beispiel von
falschem Ruhme aufzuweisen, welches dem der Hegelschen Philosophie an die Seite
zu stellen wäre.
Die Barberei kommt wieder, trotz Eisenbahnen, elektrischen Drähten und
Luftballons.
Lesen heißt mit einem fremden Kopfe, statt des eigenen, denken.
Wenn nun aber schon die Natur den Menschen zum Denken bestimmt hätte; so würde
sie ihm keine Ohren gegeben, oder diese wenigstens, wie bei Fledermäusen, die
ich darum beneide, mit luftdichten Schließklappen versehen haben.
Fremden Stil nachahmen heißt eine Maske tragen.
Ueberhaupt zieht das Naive an: die Unnatur hingegen schreckt überall zurück.
Dunkelheit und Undeutlichkeit ist allemal und überall ein sehr schlimmes
Zeichen.
Es thäte daher Noth, daß man eine kleine Sprachschule für deutsche
Schriftsteller errichte, in welcher der Unterschied zwischen Imperfektum,
Perfektum und Plusquamperfekt gelehrt würde; nächstdem auch in einer zwischen
Genitiv und Ablativ; da, immer allgemeiner, dieser statt jenes gesetzt und ganz
unbefangen z.B. »das Leben von Leibnitz«, statt Leibnitzens Leben und »der Tod
von Andreas Hofer«, statt Hofers Tod, geschrieben wird.
Unwissenheit degradirt den Menschen erst dann, wann sie in Gesellschaft des
Reichthums angetroffen wird.
Die Konsonanten sind das Skelett und die Vokale das Fleisch der Wörter.
Hoffnung ist die Verwechselung des Wunsches einer Begebenheit mit ihrer
Wahrscheinlichkeit.
Aller Eigensinn beruht darauf, daß der Wille sich an die Stelle der Erkenntniß
gedrängt hat.
Es gibt keine Absurdität, die so handgreiflich wäre, daß man sie nicht allen
Menschen fest in den Kopf setzen könnte, wenn man nur schon vor ihrem sechsten
Jahre, anfienge, sie ihnen einzuprägen, indem man unablässig und mit
feierlichstem Ernst sie ihnen vorsagte.
Das Delirium verfälscht die Anschauung, der Wahnsinn die Gedanken.
Zu Pflegerinnen und Erzieherinnen unserer ersten Kindheit eignen die Weiber sich
gerade dadurch, daß sie selbst kindisch, läppisch und kurzsichtig, mit Einem
Worte, Zeit Lebens große Kinder sind: eine Art Mittelstufe, zwischen dem Kinde
und dem Manne, als welcher der eigentliche Mensch ist.
In unserer monogamischen Welttheile heißt heirathen seine Rechte halbiren und
seine Pflichten verdoppeln.
Wenigstens sollten Weiber niemals über ererbtes, eigentliches Vermögen, also
Kapitalen, Häuser und Landgüter, freie Dispositionen haben.
Daß das Weib, seiner Natur nach, zum gehorchen bestimmt sei, giebt sich daran zu
erkennen, daß eine Jede, welche in die ihr naturwidrige Lage gänzlicher
Unabhängigkeit versetzt wird, alsbald sich irgend einem Manne anschließt, von
dem sie sich lenken und beherrschen läßt; weil sie eines Herrn bedarf.
Auch spricht der Mund nur Gedanken eines Menschen, das Gesicht einen Gedanken
der Natur aus.
Denn das Gesicht eines Menschen sagt gerade aus, was er ist; und täuscht es uns,
so ist dies nicht seine, sondern unsere Schuld.
Die Schweiz gleicht einem Genie: schön und erhaben, jedoch wenig geeignet,
nahrhafte Frucht zu tragen.
Aphorismen zur Lebensweisheit
Aber, im Ganzen genommen, liegt, wie längst gesagt ist, die Welt im Argen: die
Wilden fressen einander und die Zahmen betrügen einander, und Das nennet man den
Lauf der Welt.
Alle Dinge sind herrlich zu SEHN, aber schrecklich zu SEYN.
Alle Lumpe sind gesellig, zum Erbarmen: aber der Mensch edler und erhabener Art,
gelangt, mit den Jahren, zu der Einsicht, daß es, seltene Ausnahmen abgerechnet,
in der Welt nur die Wahl giebt, zwischen Einsamkeit und Gemeinheit.
Alles, alles kann einer vergessen, nur nicht sich selbst, sein eigenes Wesen.
Daher ist die wahre, tiefe Friede des Herzens und die vollkommene Gemüthsruhe
allein in der Einsamkeit zu finden. Ist dann das eigene Selbst groß und reich;
so genießt man den glücklichsten Zustand, der auf diser armen Erde gefunden
werden mag.
Das Gehirn denkt, wie der Magen verdaut.
Das Schicksal mischt die Karten, und wir spielen.
Die Freunde nennen sich aufrichtig; die Feinde sind es: daher man ihren Tadel
zur Selbsterkenntnis benutzen sollte, als eine bittre Arznei.
Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verräth
in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er
stolz seyn könnte, indem er sonst nicht zu Dem greifen würde, was er mit so
vielen Millionen theilt. Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird
vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am
deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat,
darauf er stolz seyn könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er
gerade angehört, stolz zu seyn: hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich
bereit, alle Fehler und Thorheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu
vertheidigen.
Die Erinnerung wirkt wie das Sammlungsglas in der Camera obscura: Sie zieht
alles zusammen und bringt dadurch ein viel schöneres Bild hervor, als sein
Original ist.
Die Gegenwart eines Gedankens ist wie die Gegenwart einer Geliebten.
Durch nichts entziehen wir uns so sehr dem Zwange von außen wie durch
Selbstzwang.
Für sein Tun und Lassen kann man keinen anderen zum Muster nehmen.
Gegen das Ende des Lebens nun gar geht es wie gegen das Ende eines Maskenballs,
wann die Larven abgenommen werden.
Gerade in Kleinigkeiten, als bei welchen der Mensch sich nicht zusammennimmt,
zeigt er seinen Charakter.
Im allgemeinen freilich haben die Weisen aller Zeiten immer dasselbe gesagt, und
die Toren, d.h. die unermessliche Majorität aller Zeiten, haben immer dasselbe,
nämlich das Gegenteil getan; und so wird es denn auch ferner bleiben.
Ja, es sei herausgesagt: so eng auch Freundschaft, Liebe und Ehe Menschen
verbinden; ganz ehrlich meint jeder es am Ende doch nur mit sich selbst und
höchstens noch mit seinem Kinde. - Je weniger einer, in Folge objektiver oder
subjektiver Bedingungen, nötig hat, mit den Menschen in Berührung zu kommen,
desto besser ist er daran.
Jeder steckt in seinem Bewusstsein wie in seiner Haut und lebt unmittelbar nur
in demselben.
Meistens belehrt uns erst der Verlust über den Wert der Dinge.
Ruhm muss erworben werden, die Ehre hingegen braucht nur nicht verloren zu
werden.
So kommt es denn, daß, obwohl in dieser Welt gar Vieles recht schlecht ist, doch
das Schlechteste darin die Gesellschaft bleibt.
Ueberhaupt aber zeigt Der, welcher bei allen Unfällen gelassen bleibt, daß er
weiß, wie kolossal und tausendfältig die möglischen Uebel des Lebens sind,
weshalb er das jetzt eingetretene ansieht als einen sehr kleinen Theil dessen,
was kommen könnte: Dies ist die stoische Gesinnung.
Vergeben und vergessen heißt, gemachte kostbare Erfahrungen zum Fenster
hinauswerfen.
Was aber die Leute gemeiniglich das Schicksal nennen, sind meistens nur ihre
eigenen dummen Streiche.
Was nun andrerseits die Menschen gesellig macht, ist ihre Unfähigkeit, die
Einsamkeit und in dieser sich selbst zu ertragen.
Wer fröhlich ist, hat allemal Ursache, es zu sein. Nämlich eben diese, dass er
es ist.
Zu unserer Besserung bedürfen wir eines Spiegels.
Zum Leitstern seiner Bestrebungen soll man nicht Bilder der Phantasie nehmen,
sondern deutlich gedachte Begriffe.
Ueber den Willen in der Natur
Besonders, meine wahrheitsdürstigen Jünglinge, laßt euch nicht von den Hofräthen
erzählen, was in der Kritik der reinen Vernunft steht; sondern lest sie selbst.
Die Wahrheit kann warten: denn sie hat ein langes Leben vor sich.
In der That beruht auf dem selben Grunde der allen Genies eigene Hang zur
Einsamkeit, als zu welcher sowohl ihre Verschiedenheit von den Uebrigen sie
treibt, wie ihr innerer Reichthum sie ausstattet: denn von Menschen, wie von
Diamanten, taugen nur die ungemein großen zu Solitärs: die gewöhnlichen müssen
beisammen seyn und in der Masse wirken.
Ehrwürdig ist die Wahrheit; nicht was ihr entgegensteht.
Genialität ist Objektivität.
Da ergiebt sich, daß Moral-Predigen leicht, Moral-Begründen schwer ist.
Jeder steckt in seinem Bewußtsein, wie in seiner Haut, und lebt unmittelbar nur
in demselben: daher ist ihm von außen nicht sehr zu helfen.
Die Unterschiede des Ranges und Reichtums geben jedem seine Rolle zu spielen;
aber keineswegs entspricht dieser eine innere Verschiedenheit des Glücks und
Behagens, sondern auch hier steckt in jedem derselbe arme Tropf mit seiner Not
und Plage...
Weil nämlich alles, was für den Menschen da ist und vergeht, unmittelbar immer
nur in seinem Bewußtsein da ist und für dieses vergeht; so ist offenbar die
Beschaffenheit des Bewußtseins selbst das zunächst Wesentliche, und auf dieselbe
kommt, in den meisten Fällen, mehr an, als auf die Gestalten, die darin sich
darstellen.
Die objektive Hälfte der Gegenwart und Wirklichkeit steht in der Hand des
Schicksals und ist demnach veränderlich: die subjektive sind wir selbst; daher
sie im Wesentlichen unveränderlich ist. Demgemäß trägt das Leben jedes Menschen,
trotz aller Abwechslung von außen, durchgängig denselben Charakter und ist einer
Reihe Variationen auf ein Thema zu vergleichen.
Aus seiner Individualität kann keiner heraus.
Daß für unser Glück und unsern Genuß das Subjektive ungleich wesentlicher, als
das Objektive sei, bestätigt sich in allem: von dem an, daß Hunger der beste
Koch ist und der Greis die Göttin des Jünglings gleichgültig ansieht, bis hinauf
zum Leben des Genies und des Heiligen. Besonders überwiegt die Gesundheit alle
äußeren Güter so sehr, daß wahrlich ein gesunder Bettler glücklicher ist, als
ein kranker König.
Ein aus vollkommener Gesundheit und glücklicher Organisation hervorgehendes,
ruhiges und heiteres Temperament, ein klarer, lebhafter, eindringender und
richtig fassender Verstand, ein gemäßigter, sanfter Wille und demnach ein gutes
Gewissen, dies sind Vorzüge, die kein Rang oder Reichtum ersetzen kann. Denn was
einer für sich selbst ist, was ihn in die Einsamkeit begleitet und was keiner
ihm geben, oder nehmen kann, ist offenbar für ihn wesentlicher, als alles, was
er besitzen, oder auch, was er in den Augen anderer sein mag.
... eigentlicher Reichtum, d. h. großer Überfluß, vermag wenig zu unserm Glück;
daher viele Reiche sich unglücklich fühlen; weil sie ohne eigentliche
Geistesbildung, ohne Kenntnisse und deshalb ohne irgendein objektives Interesse,
welches sie zu geistiger Beschäftigung befähigen könnte, sind. Denn was der
Reichtum über die Befriedigung der wirklichen und natürlichen Bedürfnisse hinaus
noch leisten kann, ist von geringem Einfluß auf unser eigentliches Wohlbehagen:
vielmehr wird dieses gestört durch die vielen und unvermeidlichen Sorgen, welche
die Erhaltung eines großen Besitzes herbeiführt.
Dennoch aber sind die Menschen tausendmal mehr bemüht, sich Reichtum, als
Geistesbildung zu erwerben; während doch ganz gewiß was man ist viel mehr zu
unserm Glücke beiträgt, als was man hat. Gar manchen daher sehn wir, in
rastloser Geschäftigkeit, emsig wie die Ameise, vom Morgen bis zum Abend bemüht,
den schon vorhandenen Reichtum zu vermehren. Über den engen Gesichtskreis des
Bereiches der Mittel hiezu hinaus kennt er nichts: sein Geist ist leer, daher
für alles andere unempfänglich. Die höchsten Genüsse, die geistigen, sind ihm
unzugänglich: durch die flüchtigen, sinnlichen, wenig Zeit, aber viel Geld
kostenden, die er zwischendurch sich erlaubt, sucht er vergeblich jene andern zu
ersetzen.
Also, was einer an sich selber hat, ist zu seinem Lebensglücke das
Wesentlichste. Bloß weil dieses, in der Regel, so gar wenig ist, fühlen die
meisten von denen, welche über den Kampf mit der Not hinaus sind, sich im Grunde
ebenso unglücklich, wie die, welche sich noch darin herumschlagen. Die Leere
ihres Innern, das Fade ihres Bewußtseins, die Armut ihres Geistes treibt sie zur
Gesellschaft, die nun aber aus eben solchen besteht; weil: jeder erfreut sich an
seinesgleichen.
Kapitel II
Immer kommt es darauf an, was einer sei und demnach an sich selber habe: denn
seine Individualität begleitet ihn stets und überall, und von ihr ist alles
tingirt, was er erlebt. In allem und bei allem genießt er zunächst nur sich
selbst: Dies gilt schon von den physischen; wieviel mehr von den geistigen
Genüssen.
Ist nun aber die Individualität von schlechter Beschaffenheit, so sind alle
Genüsse wie köstliche Weine in einem mit Galle tingirten Munde.
Was nun aber, von jenen allen, uns am unmittelbarsten beglückt, ist die
Heiterkeit des Sinnes: denn diese gute Eigenschaft belohnt sich augenblicklich
selbst. Wer eben fröhlich ist hat allemal Ursache es zu sein: nämlich eben
diese, daß er es ist. Nichts kann so sehr, wie diese Eigenschaft, jedes andere
Gut vollkommen ersetzen; während sie selbst durch nichts zu ersetzen ist.
Ohne tägliche gehörige Bewegung kann man nicht gesund bleiben: alle
Lebensprozesse erfordern, um gehörig vollzogen zu werden, Bewegung sowohl der
Teile, darin sie vorgehen, als des Ganzen.
Das Leben besteht in der Bewegung und hat sein Wesen in ihr. Im ganzen Innern
des Organismus herrscht unaufhörliche, rasche Bewegung: das Herz, in seiner
komplizierten doppelten Systole und Diastole, schlägt heftig und unermütlich;
mit 28 seiner Schläge hat es die, gesamte Blutmasse durch den ganzen großen und
kleinen Kreislauf hindurch getrieben; die Lunge pumpt ohne Unterlaß wie eine
Dampfmaschine; die Gedärme winden sich stets im motus peristalticus; alle Drüsen
saugen und secerniren beständig, selbst das Gehirn hat eine doppelte Bewegung
mit jedem Pulsschlag und jedem Atemzug.
Wenn nun hierbei, wie es bei der ganz und gar sitzenden Lebensweise unzähliger
Menschen der Fall ist, die äußere Bewegung so gut wie ganz fehlt, so entsteht
ein schreiendes und verderbliches Mißverhältnis zwischen der äußeren Ruhe und
dem inneren Tumult.
Sogar die Bäume bedürfen, um zu gedeihen, der Bewegung durch den Wind.
Nicht was die Dinge objektiv und wirklich sind, sondern was sie für uns, in
unserer Auffassung, sind, macht uns glücklich oder unglücklich: Dies eben besagt
Epiktets: Nicht die Dinge, sondern die Meinungen über die Dinge erregen die
Menschen.
Abnormes Übergewicht der Sensibilität wird Ungleichheit der Stimmung,
periodische übermäßige Heiterkeit und verwaltende Melancholie herbeiführen.
Alle diejenigen, die Ausgezeichnetes leisten, sei es nun in der Philosophie, der
Politik, der Dichtkunst, oder den bildenden Künsten, scheinen Melancholiker zu
sein.
Der Gesundheit zum Teil verwandt ist die Schönheit.
Schönheit ist ein offener Empfehlungsbrief, der die Herzen zum Voraus für uns
gewinnt.
Der allgemeine Überblick zeigt uns, als die beiden Feinde des menschlichen
Glückes, den Schmerz und die Langeweile.
... je mehr einer an sich selbst hat, desto weniger bedarf er von außen und
desto weniger auch können die Übrigen ihm sein. Darum führt die Eminenz des
Geistes zur Ungeselligkeit. Ja, wenn die Qualität der Gesellschaft sich durch
die Quantität ersetzen ließe; da wäre es der Mühe wert, sogar in der großen Welt
zu leben: aber leider geben hundert Narren, auf einem Haufen, noch keinen
gescheiten Mann.
... man hat in der Welt nicht viel mehr, als die Wahl zwischen Einsamkeit und
Gemeinheit.
Die gewöhnlichen Leute sind bloß darauf bedacht, die Zeit zuzubringen; wer
irgend ein Talent hat, - sie zu benutzen. - Daß die beschränkten Köpfe der
Langweile so sehr ausgesetzt sind, kommt daher, daß ihr Intellekt durchaus
nichts weiter, als das Medium der Motive für ihren Willen ist.
Weil sie nämlich keine Gedanken auszutauschen haben, tauschen sie Karten aus und
suchen einander Gulden abzunehmen. O, klägliches Geschlecht!
Der Geist des Spiels nämlich ist, daß man auf alle Weise, durch jeden Streich
und jeden Schlich, dem andern das seinige abgewinne.
Was einer dem andern sein kann, hat seine sehr engen Grenzen: am Ende bleibt
doch jeder allein; ...
Das Beste und Meiste muß daher jeder sich selber sein oder leisten. Je mehr nun
dieses ist, und je mehr demzufolge er die Quellen seiner Genüsse in sich selbst
findet, desto glücklicher wird er sein.
Ist doch in der Welt überall nicht viel zu holen: Not und Schmerz erfüllen sie,
und auf die, welche diesen entronnen sind, lauert in allen Winkeln die
Langeweile.
Das Schicksal ist grausam und die Menschen sind erbärmlich. In einer so
beschaffenen Welt gleicht der, welcher viel an sich selber hat, der hellen,
warmen, lustigen Weihnachtsstube, mitten im Schnee und Eise der Dezembernacht.
Es ist eine große Torheit, um nach außen zu gewinnen, nach innen zu verlieren,
d.h. für Glanz, Rang, Prunk, Titel und Ehre, seine Ruhe, Muße und Unabhängigkeit
ganz oder großenteils hinzugeben. Dies aber hat Goethe getan. Mich hat mein
Genius mit Entschiedenheit nach der andern Seite gezogen.
Muße ohne geistige Ausfüllung ist Tod und lebender Menschen Grab.
Reichtum des Geistes allein verdient als Reichtum zu gelten ...
Des Narren Leben ist ärger denn der Tod!
Wo viel Weisheit ist, da ist viel Grämens.
Das große Leiden aller Philister ist, daß Idealitäten ihnen keine Unterhaltung
gewähren, sondern sie, um der Langenweile zu entgehen, stets der Realitäten
bedürfen.
Der Reichtum gleicht dem Seewasser: je mehr man davon trinkt, desto durstiger
wird man. - Dasselbe gilt vom Ruhm.
Die Quelle unserer Unzufriedenheit liegt in unsern stets erneuerten Versuchen,
den Faktor der Ansprüche in die Höhe zu schieben, bei der Unbeweglichkeit des
andern Faktors, die es verhindert.
Eine wohlhabende Frau, die den Umgang mit Geld gewöhnt ist, verwendet es auf
kluge Art; aber eine Frau, die nach ihrer Heirat zum ersten Male über Geld
verfügt, hat so starkes Gefallen am Ausgeben, daß sie es mit großer
Verschwendung wegwirft.
Vielzuviel Wert auf die Meinung anderer zu legen, ist ein allgemein herrschender
Irrwahn: mag er nun in unserer Natur selbst wurzeln, oder infolge der
Gesellschaft und Zivilisation entstanden sein; ...
Der Unverschämtheit und Dummdreistigkeit der meisten Menschen gegenüber, tut
jeder, der irgendwelche Vorzüge hat, ganz wohl, sie selbst im Auge zu behalten,
um nicht sie gänzlich in Vergessenheit geraten zu lassen: denn wer, solche
gutmütig ignorierend, mit jenen sich geriert, als wäre er ganz ihresgleichen,
den werden sie treuherzig sofort dafür halten.
Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verrät
in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er
stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so
vielen Millionen teilt.
Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner
eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen.
Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein
könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört,
stolz zu sein: hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit alle Fehler
und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen.
Übrigens überwiegt die Individualität bei weitem die Nationalität, und in einem
gegebenen Menschen verdient jene tausendmal mehr Berücksichtigung als diese. Dem
Nationalcharakter wird, ehe er von der Menge redet, nie viel gutes
ehrlicherweise nachzurühmen sein. Vielmehr erscheint nur die menschliche
Beschränktheit, Verkehrtheit und Schlechtigkeit in jedem Lande in einer anderen
Form und diese nennt man den Nationalcharakter. - Jede Nation spottet über die
andere, und alle haben recht.
Orden sind Wechselbriefe, gezogen auf die öffentliche Meinung: ihr Wert beruht
auf dem Kredit des Ausstellers.
Der Mensch für sich allein vermag gar wenig und ist ein verlassener Robinson:
nur in der Gemeinschaft mit den andern ist und vermag er viel.
Aus den verschiedenen Beziehungen, in denen der Mensch zu andern stehen kann,
und in Hinsicht auf welche sie Zutrauen zu ihm, also eine gewisse gute Meinung
von ihm zu hegen haben, entstehen mehrere Arten der Ehre.
Wer Treu und Glauben bricht, hat Treu und Glauben verloren, auf immer, was er
auch tun und wer er auch sein mag: die bittern Früchte, welche dieser Verlust
mit sich bringt, werden nicht ausbleiben.
Die Geschlechtsehre der Männer wird durch die der Weiber hervorgerufen, als der
entgegengesetzte esprit de corps, welcher verlangt, daß jeder, der die dem
Gegenpart so sehr günstige Kapitulation, die Ehe, eingegangen ist, jetzt darüber
wache, daß sie ihm gehalten werde, damit nicht selbst dieses Paktum, durch das
Einreißen einer laxen Observanz desselben, seine Festigkeit verliere und die
Männer, indem sie alles hingeben, nicht einmal des einen versichert seien, was
sie dafür erhandeln, des Alleinbesitzes des Weibes.
Ja es ist ein Trost im Alter, daß man die Arbeit des Lebens hinter sich hat.
... die Genüsse sind und bleiben negativ: daß sie beglücken ist ein Wahn, den
der Neid, zu seiner eigenen Strafe, hegt. Die Schmerzen hingegen werden positiv
empfunden: daher ist ihre Abwesenheit der Maßstab des Lebensglückes. Kommt zu
einem schmerzlosen Zustand noch die Abwesenheit der Langenweile; so ist das
irdische Glück im wesentlichen erreicht: denn das Übrige ist Chimäre.
Mit großem Rechte also singt der Dichter der Lebensweisheit:
Wer den goldenen Mittelweg liebt, der meidet,
um sicher zu sein, das schmutzig zerfallene Haus
ebenso wie den Palast, den neiderweckenden. -
Sehr oft peitschen die Winde die nächtigen Tannen, die hohen Türme stürzen in
wuchtigem Fall,
und gerade die höchsten Berge treffen die Blitze.
Was jedoch die Erlangung dieser heilsamen Einsichten besonders erschwert, ist
die schon oben erwähnte Gleißnerei der Welt, welche man daher der Jugend früh
aufdecken sollte. Die allermeisten Herrlichkeiten sind bloßer Schein wie die
Theaterdekoration, und das Wesen der Sache fehlt.
Überhaupt aber ergeht es uns im Leben wie dem Wanderer, vor welchem, indem er
vorwärts schreitet, die Gegenstände andere Gestalten annehmen, als die sie von
ferne zeigten, und sich gleichsam verwandeln, indem er sich nähert. Besonders
geht es mit unseren Wünschen so. Oft finden wir etwas ganz anderes, ja,
besseres, als wir suchten; oft auch das Gesuchte selbst auf einem ganz anderen
Wege, als den wir zuerst vergeblich danach eingeschlagen hatten.
Ein ander Vergnügen, als das zu lernen, laß ich nicht gelten.
Wie der Arbeiter, welcher ein Gebäude aufführen hilft, den Plan des Ganzen
entweder nicht kennt, oder doch nicht immer gegenwärtig hat, so verhält der
Mensch, indem er die einzelnen Tage und Stunden seines Lebens abspinnt, sich zum
Ganzen seines Lebenslaufes und des Charakters desselben.
Wie der Wanderer erst, wenn er auf einer Höhe angekommen ist, den zurückgelegten
Weg, mit allen seinen Wendungen und Krümmungen, im Zusammenhange überblickt und
erkennt; so erkennen wir erst am Ende einer Periode unseres Lebens, oder gar des
ganzen, den wahren Zusammenhang unserer Taten, Leistungen und Werke, die genaue
Konsequenz und Verkettung, ja, auch den Wert derselben.
Viele leben zu sehr in der Gegenwart; die Leichtsinnigen. Andere zu sehr in der
Zukunft: die Ängstlichen und Besorglichen. Selten wird einer genau das rechte
Maß halten.
Denn die Ferne, welche dem Auge die Gegenstände verkleinert, vergrößert sie den
Gedanken. Die Gegenwart allein ist wahr und wirklich: sie ist die real erfüllte
Zeit, und ausschließlich in ihr liegt unser Dasein.
Tausend heitere, angenehme Stunden lassen wir, mit verdrießlichem Gesicht,
ungenossen an uns vorüberziehen, um nachher, zur trüben Zeit, mit vergeblicher
Sehnsucht ihnen nachzuseufzen.
|
|