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Mitten ins
Herz und doch ein Stück vorbei
Peter
V. Brinkemper über Harald Bergmanns
dreiteiliges DVD-Film-Werk
»Brinkmanns
Zorn«
Harald
Bergmanns Kinofilm "Brinkmanns Zorn" ist ein kleines Meisterstück. Der Film über
und mit dem gleichnamigen radikalen Kölner-Antiliteratur-Beat-Poeten trifft
mitten ins Herz. Aber auch ein Stück weit an Brinkmann, den Begründer einer
neuen Literatur, vorbei. Rolf Dieter Brinkmann war das enfant terrible, der
zornige junge Mann, eine Ausnahmeerscheinung der westdeutschen Literaturszene.
1940 geboren in Vechta, in Köln lebend und schreibend, 1975 gestorben nach einer
Vortragsreise nach England in London, als ihn, den ewigen Fußgänger und
Passanten in den Städten und Metropolen der späten 60er und 70er Jahre, ein Auto
vor dem Lokal "Shakespeare's" tödlich anfuhr.
Brinkmann war ein Bilder-, Ton- und Wortstürmer, Hardcore-Utopist und
Selfmade-Man mit Rhythmus im Blut, ein obsessiver Augen- und Ohren-Mensch, dabei
ein immer währender Sprechsänger ohne Gitarre. Er wollte die "hohe" Literatur
schlichtweg umkrempeln, sie vom Gehirn auf die Beine stellen, sie aus der
Betulichkeitsnische der klassischen Poesie und der linken Betroffenheitsepik
herausholen. Poetry sollte als körperlich spürbarer Song, als differenziertes
Seismogramm und hartnäckige Stimme mitten im aktuellen Leben ansiedeln -
zwischen (tristem) Alltag, sozialem Protest und musikalischem Beat und Rock.
Die musikalische Wut und der libidinöse Zorn, die Brinkmann versprühte, haben
auch nur bedingt
mit den Pop-Literaten der 90er Jahre zu tun, die ihn medienwirksam für sich
reklamierten. Vielleicht noch mit Rainald Goetz, aber doch eher mit Sartres Ekel
und Baudelaires Ennui, vor allem aber mit der amerikanischen Beatnik-Kultur und
den subversiven Tendenzen der Pop-Ära, dem existentiellen Erlebnishunger von
Sex, Drugs and Rock nRoll als Genuss-, Widerstands- und neuem Erfahrungsprinzip
(Brinkmann/Rygulla: "ACID").

Brinkmanns Zorn war eine explosive Mischung aus schonungslos nach außen
getragener selbstkritischer Angst vor dem eigenen starken Können, für dessen
Umsetzung zunächst die Kriterien fehlten, aber auch eine instinktive und
intelligente Aversion gegenüber dem eingeschworenen Getue der hochgestochenen
deutschen Bildungsphilister, Germanisten und Stipendiatenkünstler, die sich aus
seiner Sicht (in Rom) über Connections und schleimig gehandhabte Beziehungen nur
in weiteren Selbstbestätigungszirkeln, Interpretationsrunden und Applausspiralen
bewegten, während Brinkmann sich fast naiv einer lebendigen, externen und
extremen Lebenserfahrung hingab, die nach seinem wilden und doch zärtlichen
Empfinden für einen spürbaren Gehrhythmus, einen Walking Bass, in der Literatur
mit Kleinhirn, Schwanz und Schenkeln sorgte.
Oh, yeah
Brinkmann war
auf der Suche nach der Antiliteratur, nach der konkreten
leiblichen Erfahrung jenseits der verfloskelten Sprache, nach einer Erkundung
der unverfälschten, intensiven alltäglichen Wahrnehmung im urbanen Raum. Es ging
ihm um die radikale Reportage aus dem Hier und Jetzt, an der alle Sinne,
Nervenbahnen und Organe beteiligt sind, auch die Stimme mit ihren urtümlichen
Lauten, lustvollen und schmerzhaften Shouts, "oh, yeah", weit unterhalb der
abgehobenen begrifflich-diskursiven Sprache.

Mit Super-8-Filmen und Tonband-Aufnahmen dokumentierte Brinkmann selbst
zahlreiche Exkursionen aus der Wohnung in der Engelbertstraße, um die Ecke den
Kölner Ring, nahe der Aachener Straße, der Westachse zwischen Neumarkt-City und
Aachener Weiher. Brinkmann entwickelte eine fragmentarisch-flexible Art zu
sprechen und zu schreiben, eine filmische und auditive Schreibweise, ein
möglichst umittelbares Aufzeichungssystem, dass dem chaotischen Gedränge und der
Widersprüchlichkeit der Eindrücke in der Gegenwart gerecht wird, statt episch zu
filtern, zu verschönen und zurecht zu fälschen.
In einem ekstatischen Diskurs deutscher Flüche und amerikanischer
Dirty-Speech-Rhythmen artikulierte Brinkmann, wo auch immer er dazu
herausgefordert wurde, seinen wütenden Widerstand gegen jegliche ideologische
Scheinharmonisierung und Glättung der Erfahrung.
Schonungsloses Programm gegen normierte Sprachvorstellungen
Brinkmanns gegen
andere und sich selbst schonungsloses Programm wollte den normierten
Sprachvorstellungen, den manipulierten Reizen und medialen Erstarrungen des
Großstadtlebens entkommen, er setzte sich dem "Non-Stop-Horror-Film der Sinne
und Empfindungen" aus, um die Verwahrlosung und Verwüstung unserer Lebenswelt
und Lebensformen schonungslos aufzudecken, und zu tiefer empfundenen
Augenblicken des Innewerdens, Gelingens und Genießens vorzustoßen.
Brinkmann hat auf diese Weise ein gewichtiges Sprachwerk
hinterlassen. Publiziert wurden davon immer wieder eigene maßgebliche Lyrik,
lyrische Übersetzungen, ein früher Roman ("Keiner weiß mehr", 1968), sowie die
von Maleen Brinkmann mitbetreuten Arbeitshefte, Text-Bild-Collage-Alben mit
Stadterkundungen, unter denen "Rom, Blicke" (1972-73) nach seinem Tod 1979
zuerst erschienen ist, dem "Erkundungen" und "Schnitte" in den 80ern folgten.
Alben wie Partituren, in dem Schreibmaschinen-getippte-Sätze-und-Wortblöcke mit
Richtig-und-Falsch-Schreibungen durch Querstriche unterbrochen filmschnittartige
Wirkungen erzeugen. Dazwischen gibt es eingeklebtes,
collagiertes Bildmaterial. Rhythmisch gegen den Strich gebürstete, zerschnittene
und umgeklebte Materialmontagen mit gestochenen sprachlichen Nahaufnahmen und
unentstellten Detailnotizen, die sich immer wieder zu poetischen Passagen mit
überraschenden Bedeutungsvarianten verdichten.
Brinkmanns Sprache ist das Protokoll der Sinne, die die Situation in einem
Alltagstext abtasten, und plötzlich, sich selbst überstürzend und steigernd in
sinnliche Erfahrungspoesie aufzuschäumen, deren unverbrauchte literarische
Qualitäten auch heute noch in Erstaunen setzen.
Die vom Rowohlt-Verlag betreuten Text-Collage-Alben sind als Reproduktionen des
Typoskript mit seinen Bildeinlagen in SW oder Farbe herausgegeben worden, wie
der audiovisuelle Sound einer LP oder eines Bandes, oder die Struktur einer
Fotografie. Brinkmanns Textarbeit lässt sich modern als ein möglicher
Original-Track (oder eine Viefalt von Spuren) im Universum der Bilder, Sounds
und anderer Sinneseindrücke definieren. Auch seine späteste lyrische Arbeit
"Westwärts 1 & 2" (1975) entgrenzt überlieferte poetische Formen in assoziative
Textfelder, in denen Hörspiele in vielen Stimmen, Echos und Zitaten angelegt
sind.
Ein Glücksfall unter den Literaturverfilmungen
Harald Bergmanns Film "Brinkmanns Zorn" (insbesondere die dritte DVD und damit
die Kinoversion) ist insofern ein Glücksfall unter den Literaturverfilmungen,
weil er aus der Gattung völlig herausfällt. Keine langweilige tautologische
Biographie, kein fader, werkgetreuer Spielfilm angesichts eines glatten Werkes
und eines Lebens, die beide Fragment geblieben sind. Bergmann bleibt hautnah in
der produktiven Gegenwart Brinkmanns, er nimmt dem Zuschauer im Dienste des
Zuhörers mit auf die labyrinthischen Wege Brinkmanns durch Köln, aber auch in
eingestreuten und finalen Episoden durch Rom, Olevano, Austin/Texas, London und
Cambridge.
Er lässt ihn teilnehmen an seinen Reportagen, Verhören, Verbalattacken, An- und
Einfällen, die Brinkmanns poetische Sprachgeburten so sonderbar einleiten, bis
er sich am Schreibtisch als Komponist, Cutter und DJ seiner eigenen
literarischen Soundtracks und Movies wieder findet, und seine Texte in
mehrstimmigem Chor, unterstützt von einem Bild-Synkopen-Feuer vorgetragen
werden.
Bergmann verwendet Brinkmanns Original-Tonbandaufnahmen (unterstützt von
Super-8-Takes) und verleiht Rolf Dieter Brinkmanns Stimme ein glaubhaftes
Filmbild. Eckhard Rhode spielt Brinkmann mit leibhaftiger, provokativer,
literaturversessener Präsenz und stattet die digital nachbearbeiten
Original-Reportagen und Erkundungen des Autors durch Köln aus mit einem ton-,
lippen-, körper- und situationssynchronen Darstellungs-Drive.
Elfi Mikeschs und Harald Bergmanns einfühlsam-dynamische Kameras
verfolgen Rhode durch Köln in Parks, auf dem verkehrsreichen Ring-Boulevard,
durch kleine Straßenschluchten mit kahlen Häuserzeilen und öden Hinterhöfen am
Eigenstein nördlich von Doms und Hauptbahnhof. Sie stellen ihn in
unverfänglichen oder intimen "Interview"-Situationen in der Wohnung in der
Engelbertstraße dar, allein bei der Arbeit, in einer Küchen-Jam-Session,
gemeinsam mit seinem behinderten Sohn Robert (Martin Kurz) und Maleen Brinkmann
(Alexandra Fischer) oder bei einer Party mit Freunden.
Selten hat das deutsche Kino dem literarischen Leben und Werk eines Autors so
hautnah-vital, konsequent und respektvoll in Bildern nachgespürt. Man mag in der
fiktiven Visualisierung von Brinkmanns eigenen Redeaufnahmen eine schlichte
dokudramatische Ergänzung sehen. Diese Lesart entspricht der heute oft zitierten
simplen Verfilmung. Sie greift aber zu kurz. Denn die kunstvolle, atmosphärisch
eng verzahnte Engführung von O-Ton und leibhafter Kinodarstellung geht weit über
bloße Bebilderung des Tons bzw. ledigliche Vertonung der Bilder hinaus.
Bergmanns eigene Angabe, er habe "eine visuelle Welt hinzugefügt, die das
sprachliche und soziale Universum Brinkmanns nachzeichnet" geht bereits in die
Richtung, dass beide Medienspuren gedanklich zu trennen sind, und die neue
Medienspur die alte komplex interpretiert. Einer der möglichen Binnenkommentare
lautet: Der historische Abstand zwischen Brinkmanns damaligem Protestverhalten
und einer heute im kulissenförmigen Wohlstand äußerlich befriedeten, aber auch
erstarrten und entleerten Kölner Stadtlandschaft bleibt unüberbrückbar.
Umgekehrt klingt Brinkmanns auditives Vermächtnis, bei aller Radikalität, wie
die unhintergehbare Poetisierung eines Sounds der frühen 70er Jahre. Als ob sich
der Wunsch erfüllt hätte: Den puren Alltag bloß aufzuzeichnen, um zugleich die
Poesie bei ihrer unwillkürlichen Zeugung zu belauschen. Es ist aber dann doch
das Abspielen der Vergangenheit. Der Lauf der Zeit gebiert die Poesie wieder
einmal anders. Irgendwann wird das Dokument zum fiktionalen Event- "im
Nirgendwo, im Jetzt" des Mediums, dem Alltag und der Geschichte entrissen, wie
Brinkmann zu Lebzeiten sich selbst prophezeite.
Die DVD-Edition und das
Jenseits der Medienhörigkeit
„Brinkmanns Zorn“, das ist nicht nur der Titel eines im Kino gezeigten
Films, sondern einer insgesamt dreiteiligen DVD-Edition von Harald Bergmann. Sie
potenziert das audio-visuelle Potential, das auch in Brinkmanns Poesie und Prosa
steckt, indem sie frühe Original-Ton- und Film-Aufnahmen sowie die späteren
Arbeitsbücher/Collagehefte als Erlebnis- und Inspirations-Spuren im heftigen
„Diesseits“ und im Vorfeld der harten Eroberung eines neuen literarischen
Schreibens ansiedelt.
Die erste DVD enthält den 88minütigen Zusammenschnitt von Brinkmanns
Super-8-Filmen (in 12 Original-Episoden mit Abspann) aus den Jahren 1967-70
gezeigt. Körpernah
und besessen tritt der Poet, Rebell und Familienvater in der Wohnung der
Engelbert-Straße auf, zusammen mit der jungen Maleen Brinkmann und dem Sohn
Robert, um als Regisseur, Kameramann und Cutter (in Bild, Ton und Schrift) mit
Freunden einen frühen psychedelischen Snapshot Pop zwischen selbstinszenierten
Live-Acts und karger Künstlerboheme vor filmisch springenden
Plakat-Wand-Collagen und im Passantengedränge des damaligen Köln auszuleben.
Das ganze ist erweitert mit Ausflügen in die niedersächsische Provinz um
Vechta, aus der Brinkmann stammt und aus der er die Distanz zum oft
unverbindlichen rheinischen Frohsinn schöpfte. Die stumme filmische Präsentation
ist mit leitmotivischen Musikrhythmen von Bergmann wie mit einer Art „Muzak“
unterlegt.
Die zweite DVD 2 bezieht sich auf den Zeitraum 1971-73. Das „Longkamp-Tagebuch
1971“ (rund 70 Min) bringt Brinkmanns Eintragungen als
fortlaufenden Schreibmaschinen-Text auf den frostigen blauen Untergrund der
Kinobilder, die die verschneite Gegend um Longkamp, einem Dorf mit einer
verlassenen Mühle im Hunsrück einkreisen. Dort hatte sich Brinkmann eingenistet,
um neue Wege jenseits vom Kölner Alltagstrott einzuschlagen. Bergmanns Film
fängt den fast zeitlosen Naturort in sensiblen Nachinszenierungen ein und gibt
dem geschriebenen Text einen weiten Raum zum Atmen. Eingeschnitten werden
zeitgenössische Interviews (mit Maleen Brinkmann und dem befreundeten Maler
Henning John von Freyend).
Im zweiten Teil werden
die „Schnitte Collagen 1972-73“ in 79 Minuten umgesetzt. Die
Arbeit an den Bild- und Text-Collagen der Arbeitsbücher wird exemplarisch durch
einen expressiven, beinahe rabiaten Chor von punktuellen, ja trockenen
Einzelstimmen und sich ausweitenden Ensembles einerseits hörspielartig,
andererseits im abrupten Rhythmus des Filmschnitt-Verfahrens vorgetragen.
Ergänzt wird dies mit Originaltonaufnahmen der Stimme Brinkmanns (wiederum
dargestellt von Eckhard Rhode) und umfangreichen Äußerungen von Kollegen,
ehemaligen Konkurrenten und treuen Freunden, die die Stationen Köln, Villa
Massimo in Rom und Olevano erläutern.
„Brinkmanns Zorn 1973-75“, die 105minütige Kinofassung auf der 3. Disc lässt
sich als Finale der bisherigen Produktion begreifen. Die zuvor erarbeiteten
Spuren werden übereinander gelegt: Tonbänder, Fotos, Super-8-Filme sowie
Arbeitsbüchern und Collagen, dokumentarisches und aufwendig nachinszenierte
Spielfilmhandlung verbinden sich zu einem biographischen Profil, wiederum
ergänzt durch die Ansichten und Kommentare der heute noch lebenden Zeitzeugen.
Im Begleitheft schreibt Bergmann: „Der direkte Bezug aufs Auge, aufs Ohr, steht
hinter Brinkmanns wirklich etwas wahnsinnigem Versuch, mit Sprache detailgenau
zu erfassen, was in den menschlich-medialen Wirklichkeiten vor sich geht. Als
wäre die Sprache den neuen Medien-Techniken nicht unterlegen. Das Problem ist,
glaube ich, dass das nicht geht, das Sich-Hereinbohren in die Realität mit
Wörtern.“
Harald Bergmann
gebührt das Verdienst, die mediale Schicht und die experimentelle Phase von Rolf
Dieter Brinkmanns Arbeitstechniken und seinen Erlebnisweisen überzeugend
einzukreisen. Oft gerät Brinkmanns Kampf zwischen abstraktem Wort und lebendigem
Eindruck, zwischen gelebter Unmittelbarkeit und erstarrter Vergangenheit nicht
nur bei Bergmann zur Don Quichoterie. Das ist jedoch eine Frage der filmischen
Inszenierung und des Umgangs mit dem ungefiltertem Material. Brinkmann hat sich
selbst lange auf die Folter der damals
verfügbaren Medien gelegt und sich damit angreifbar gemacht. Der Schnappschuss
ist als Methode der zufallsgesteuerten Totalität von instantanen Wahrnehmungen auch im digitalen Zeitalter eine hochaktuelle Methode. Der von Brinkmann
schließlich konsequent begangene Weg zu einer neuen literarischen Sprache liegt
allerdings jenseits medialer Hörigkeit, in einer Dimension der metaphorischen
Verdichtung und der literarischen Transformation, die auch gegenüber der
heutigen Medien-Pop-Literatur eine hochgradige Resistenz und Renitenz aufweist.
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