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Das Kapital
ist dumm und einsam
Bernd Lunkewitz und »das
richtige Leben«
Vor gut 10 Jahren, genau am 02. Mai 1998 erschien in der
Berliner Zeitung unter dem Titel
»Ich
wollte immer im geistigen Brennpunkt der Nation sein«
ein
von Klaus Walraff und
Christoph Keese geführtes Interview mit
dem
sich damals noch Verleger nennenden Bernd Lunkewitz über sein Verhältnis zu
Literatur und Gesellschaft.
Ein unterhaltsames, aufschlußreiches Dokument der Selbstüberschätzung eines
»Kapitalisten«, der glaubte, dem Rest der Welt den Marsch blasen zu können, und
sich bis auf die Knochen blamiert hat.
Ginge es nicht um Lunkewitz und ausgerechnet Adorno, wäre der Lapsus vielleicht
läßlich, so aber steht er auch nach 10 Jahren, und gerade in diesen Tagen,
beispielhaft für die Borniertheit und eine die Menschen verachtende Arroganz des
Kapitals, die zur sittlichen Verwahrlosung unseres Gemeinwesens maßgeblich
beiträgt.
O-Ton Lunkewitz: »Als
ich hörte, daß der Aufbau-Verlag auf dem Markt war, brauchte ich nur eine Nacht,
um mich zu entscheiden. Literarisch ist Aufbau mindestens so bedeutend wie
Suhrkamp. Solche Juwelen sind in normalen Zeiten gar nicht zu verkaufen. Soetwas
erbt man oder baut es auf. Das dauert aber leider 50 Jahre. Für mich ist es ein
Glücksfall der Geschichte, daß ich den Verlag kaufen konnte.«
(...)
Frage: ... Aber Gerechtigkeit wirft auch
konkrete Fragen auf. Beteiligen Sie Ihre Mitarbeiter am Unternehmen?
O-Ton Lunkewitz: »Nein,
wir leben doch im Kapitalismus. Um es mit Walter Benjamin zu sagen: "Es gibt
kein wahres Leben im falschen." Ich halte das für eine illusorische Vorstellung:
innerhalb des Kapitalismus antikapitalistische Produktionsfomen einführen zu
wollen. Das ist völlig sinnlos.«
Nun, Walter Benjamin wußte zwar, daß die Geschichte stets von den Siegern
geschrieben wird, aber er hätte sich sehr gewundert, wenn er heute sehen müßte,
wie Verlage von Menschen geführt werden, die ihre Angestellten wie
Einrichtungsgegenstände behandeln, weil sie allen Ernstes glauben, Geschichte,
zumal die eigene Biographie, könne man nach Belieben kaufen und wieder
abstoßen.
So scheint das Adorno-Zitat Herrn Lunkewitz auf den Leib geschrieben zu
sein.
Es ist zu finden in seiner »Minima Moralia, 18. Asyl für Obdachlose«:
»Es gehört selbst zu meinem Glücke, kein Hausbesitzer zu sein, schrieb Nietzsche
bereits in der Fröhlichen Wissenschaft. Dem müßte man heute hinzufügen: Es
gehört zur Moral, nicht bei sich selber zu Hause zu sein. Darin zeigt sich etwas
von dem schwierigen Verhältnis, in dem der einzelne zu seinem Eigentum sich
befindet, solange er überhaupt noch etwas besitzt. Die Kunst bestünde darin, in
Evidenz zu halten und auszudrücken, daß das Privateigentum einem nicht mehr
gehört, in dem Sinne, daß die Fülle der Konsumgüter so groß ist, daß kein
Individuum mehr das Recht hat, an das Prinzip ihrer Beschränkung sich zu
klammern.
Daß man aber dennoch Eigentum haben muß, wenn man nicht in jene Abhängigkeit und
Not geraten will, die dem blinden Fortbestand des Besitzverhältnisses zugute
kommt.
Aber die Thesis dieser Paradoxie führt zur Destruktion, einer lieblosen
Nichtachtung der Dinge, die notwendig auch gegen die Menschen sich kehrt, und
die Antithesis ist schon in dem Augenblick, in dem man sie ausspricht, eine
Ideologie für die, welche mit schlechtem Gewissen das ihre behalten wollen. Es
gibt kein richtiges Leben im falschen.«
Bernd Lunkewitz weiß, daß die Moral des Kapitals einzig in der Logik seines
Kreislaufs liegt, und er könnte die meisten von uns mit seinen Millionen
zuscheißen, doch fehlt ihm etwas, das es
für Geld selbst in diesen Tagen noch nicht zu kaufen gibt: das richtige Leben.
Herbert Debes
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