Man sieht, wer seine Seele verkauftDas Multitalent Hans Platzgumer im Gespräch über Massenkompatibilität, Innovationszwang und Popliteratur Im Zeitalter der Beta-Versionenlit: Hyperaktivität könnte man Ihnen natürlich auch vorwerfen, Sie selbst bezeichnen sich als Workaholic. Sind der Innovationszwang, unter dem z.B. Elektronik-Konzerne stehen, und die Notwendigkeit, sich als Künstler ständig zu erneuern denn wirklich so verschieden? Platzgumer: Natürlich ist beides eng verwandt, und im Bereich der elektronischen Musik hängt künstlerische Innovation auch direkt mit technischen Innovationen zusammen, dasselbe ist es trotzdem nicht. Das eine entspringt ja einem ökonomischen Zwang. Technologiekonzerne müssen die Konsumenten ständig daran erinnern, dass sie etwas Neues, Besseres, Geileres brauchen. Weswegen wir uns auch ständig mit halbfertigen Technologien herumschlagen müssen. Jeder neue Laptop ist nur partiell besser und hat erst mal mindestens so viele Nachteile wie Vorteile, weil er nicht gründlich entwickelt ist. Man versucht dem mit Updates und Beta-Versionen beizukommen, aber sobald sich dieser Schwebezustand halbwegs eingependelt hat, ist schon das nächste Modell auf dem Markt. Die Suche eines Künstlers nach Erneuerung ist dagegen ein natürlicher, leidenschaftlicher Vorgang, der seinem eigenen Rhythmus folgt und keinen kommerziellen Hintergedanken. Im Gegenteil, ökonomisch gesehen, ist sie eher ein Risiko. lit: Künstlerische Innovation ist verkaufsschädigend? Platzgumer: Bei der Vermarktung ist sie deutlich unerwünscht. Da geht es vielmehr darum eine Trademark zu erhalten, festzuhalten an einem eingeführten Muster. Besonders in Deutschland fällt mir das auf. Da ist Kunst eigentlich nur kommerziell erfolgreich, wenn sie sich bereits bewährt hat und in einem gewissen Stadium festgefahren ist. Dass jemand unpopulärer wird, weil er sich ständig wiederholt, gibt es praktisch nicht. Stagnation ist in der Musikindustrie gewollt und wird positiv als „Verlässlichkeit“ beschrieben. Copyright © Raimund Groß und Victor Kümel – Aug 15, 2008 |
|