Seite 1 2 Ihr lieben 68er“I can`t get no” ist die Dokumentation eines Wiedersehens. Sie berichtet von dem Rausch der Revolte und seinen Nebenwirkungen. Sie soll uns 68er-Kinder erklären, warum unsere Eltern so „seltsam“ sind Beim Lesen sitze ich also mit Irmela, Cordt, Tissy, Angela, Barlo, Matthias und den andern, man ist ja per Du, am Tisch und höre ihnen dabei zu, wie sie diskutieren und streiten. Und ja, ich tue das sehr kritisch, schließlich könnten das genauso gut meine eigenen Eltern sein. Schon nach den ersten Seiten wird klar, es geht bei diesem Treffen nicht um das Aufwärmen alter Anekdoten. Es geht um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den alten Idealen. Es geht um die Fragen, was hat die Revolte für den Einzelnen bedeutet, woher stammte der Antrieb dafür und wie wurde die Gesellschaft durch die damaligen Ereignisse verändert und: Inwiefern hat man auch selbst Schuld auf sich geladen. Und natürlich geht es auch um Sex, Drugs and Rock`n` Roll. Nur wenn von freier Liebe die Rede ist, dann ist auch die Rede von der Überforderung, die damit zusammenhing. Und wenn es um Drogen geht, wird auch thematisiert, dass man als wahrer Revolutionär natürlich nur am Wochenende kiffen konnte, da sonst die politische Arbeit gefährdet schien. Ja, da wird erzählt, wie es war, diesen Rausch der Straße mit zu erleben, die Auseinandersetzungen mit der Polizei, das Gefühl, Teil einer weltverändernden Bewegung zu sein. Und dann: Wie man versuchte, nach so einer Demonstration pünktlich nach Hause zu kommen und Angst hatte vor dem drohenden Taschengeldentzug. Ich würde wirklich gerne etwas kritisieren, aber diese 68er machen es einem nicht leicht, und zwar gerade dadurch, dass sie es sich selbst nicht leicht machen. Sie zeigen sich äußerst selbstkritisch und reflektiert und was besonders auffällt: Bei aller Ernsthaftigkeit mit der hier Standpunkte verteidigt und verbale Kämpfe ausgefochten werden – man lacht auch über sich selbst. So entwicklen sich oft wirklich brillante und teilweise sehr komische Dialoge – das Buch besitzt einen enormen Unterhaltungswert. Und wenn das die 68er sind, nämlich pragmatische Idealisten, liebenswerte Emos, Lustpolemiker mit Fundiglitzern in den Augen, dann kann man mit ihnen als Elterngeneration leben, dann ist klar, warum Peter Licht am Ende seines Liedes singt: „Wir rufen an. Vielleicht rufen wir an. Wir rufen an.“ Cordt Schnibben, Irmela Hannover: I can`t get no. Kiepenheuer & Witsch Verlag, 2007. 382 Seiten, Hardcover. 22,90 Euro Seite 1 2 Copyright © Tessa Müller – Sep 15, 2008 |
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