Johannes Schneider

„Yes, I smoke!“

Fünfte Kolumne, die einen Blick von St. Louis nach Berlin wirft, sich gegen Makellosigkeit in jeder Form ausspricht, mit Obamas Mund die wahren Effekte der Luftbrücke erklärt und diesen gemeinsam mit Helmut Schmidt, Wolf Biermann und Jan-Philipp Reemtsma im Fernsehen sehen will


Er war in Berlin. Er sprach. Man konnte es sehen, auf der ganzen Welt, selbst bei CNN und Fox News. Bevor er sprach, ging er einen langen Steg zum Rednerpult, die Leibwächter waren hinter der Siegessäule zurückgeblieben. Er wirkte in seiner Winzigkeit heldenhaft und in seiner Heldenhaftigkeit winzig genug für die Bescheidenheit verlangende „Noch nicht“-Stellung. Seine Hosenbeine hatten ein wenig Hochwasser, wodurch er im selben Augenblick Schutz versprach und Beschützerinstinkte weckte, staatsmännisch und jungenhaft zugleich wirkte.

So war er in Berlin und sprach, und die amerikanische Presse gab sich wohlwollend, bis auf CNN und Fox, die mit unterschwelliger Penetranz darauf hinwiesen, dass es am Ende „American Citizens“ seien, die Obama wählen sollten, und nicht – so der nur gedachte Zusatz – irgendwelche ridikülen europäischen Zwergstaatler mit ihrem lachhaften Öko-Faschismus. Doch auch die Nörgler schienen in ihrem Genörgel recht zufrieden, sie hatten das bekommen, was sie sich erhofft hatten: einen Obama von Weltformat. Und wer für die Welt war, war gegen sie.

Eigentlich schienen nur zwei Leute wirklich unzufrieden mit Obamas Berliner Auftritt: Konrad Aden und ich. „Zu perfekt“, sagte Aden, ich stimmte zu. Wo war der alte Barack geblieben, der uns von den US-Medien – namentlich CNN und Fox News – durch deren manisches Suchen nach seinen Fehlern ungewollt liebenswert gemacht worden war? Wo war der Absolvent eines muslimischen Kindergartens, der beste Freund eines linksradikalen Priesters, Mann einer karrierebewussten Nicht-nur-Mutter und – worst of all – unverbesserliche Raucher? Weniger als das Fehlen einer „Ich bin ein Berliner!“-haften Formel schien uns die Aussparung dieser unfreiwillig menschlichen Elemente wesentliche Ursache für unsere unterschwellige Unzufriedenheit. Ein Gott hatte gesprochen. Wir hatten uns einen Menschen gewünscht.

Ein besserer Berliner Auftritt wäre folgender gewesen: Barack Obama kommt wie dereinst Thekla Carola Wied („Ich heirate eine Familie“) mit 20 quengelnden Kindern am Bein zum Rednerpult geschwankt, er entschuldigt sich dafür, dass er heute die Kinder habe, seine Frau müsse gerade eine international operierende Getreidemühle glaubwürdig ins nächste Jahrtausend führen. Dann entzündet er seine Zigarette und beginnt seine Rede.

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Copyright © Johannes Schneider – Aug 15, 2008