Seite 1 2 „Yes, I smoke!“Fünfte Kolumne, die einen Blick von St. Louis nach Berlin wirft, sich gegen Makellosigkeit in jeder Form ausspricht, mit Obamas Mund die wahren Effekte der Luftbrücke erklärt und diesen gemeinsam mit Helmut Schmidt, Wolf Biermann und Jan-Philipp Reemtsma im Fernsehen sehen will In der Rede erzählt er zunächst lang und breit davon, wie mit der Berliner Luftbrücke nicht nur Rosinen und Milchpulver, sondern auch unzählige Päckchen Lucky Strikes ihren Weg in die Hauptstadt gefunden hätten, wie gerade diese Luckies die tapsigen Diktatur-Deutschen spielerisch mit den Regeln des Schwarzen Marktes, derart mit dem Kapitalismus vertraut und Deutschland somit schließlich zu einem gleichberechtigten Junior-Partner in der Unterdrückung von Restwelt und Natur gemacht hätten. Wie die Zigarette im steigenden Wohlstand der 50er und dem gleichzeitigen Schwinden genuiner Lebensumfelder (Dorfgemeinschaft, Arbeiterklasse etc …) auch in Deutschland mehr und mehr den Platz als Substitut für Freiheit, Freizeit und Unabhängigkeit eingenommen habe, und wie sie nun, da das Volk auch hier genug an den amerikanisch-puritanischen Urgedanken des „Lebe ausschließlich, um zu arbeiten“ gewöhnt sei, zunehmend in faschistoide Ächtung gerate, eine Droge, die die Herren der Welt heute nurmehr brauchten, um sie publikumswirksam verdammen zu können. „Today“, hätte er dann mit dem Blick in die Ferne unter gekräuselter Stirn, dem ihm eigenen Gesichtsausdruck eines heldischen Dackels, zum Abschluss rufen können, „I do not speak to you as an American, but as a citizen of the free world. And as this citizen, I can call to you now and today, with all the pride from the bottom of my worn-out, tar-filled heart: ‚Yes, I smoke!’ And that is auch gut so!” Diese Worte hätten die 200.000, die während der tatsächlichen Rede teilweise so wirkten wie ein in jeder Hinsicht verirrtes DDR-Jubelvolk, zu echter und authentischer Raserei gebracht. Man hätte Obama, der sich damit und nur damit glaubwürdig als Vertreter einer neuen amerikanischen Liberalität ausgewiesen hätte, gar nicht mehr gehen lassen, so begeistert wäre man vom ehrlichen Charisma dieses Mannes gewesen. Die Nachricht, dass Obama während seiner Rede von George W. Bush und dem ZK der amerikanischen Republikaner in Abwesenheit ausgebürgert worden sei, hätte dann auch niemanden mehr entsetzt, Obama am allerwenigsten. Der wäre den Rest seiner Tage mit Frau und Kindern in Deutschland geblieben und hätte sich einmal die Woche zum „Weltweisen Quartett“ mit Helmut Schmidt, Wolf Biermann und – als Gastgeber - Jan-Philipp Reemtsma bei 3sat getroffen. „Eine Rede mit diesen Folgen hätte mich ernstlich beeindruckt“, sage ich zu Konrad Aden, und mit Blick auf den strahlenden Obama im TV stellen wir fest, wie abgrundtief mittelmäßig doch die wirkliche Welt ist. PS: Das diesmalige Kolumnenfoto zeigt im Vordergrund (überbelichtet) die Hand des Kolumnisten. Es entstand im Oktober 2007, als der heutige Hoffnungsträger noch auf Bahnhofsvorplätzen im Mittleren Westen sprach. Seite 1 2 Copyright © Johannes Schneider – Aug 15, 2008 |
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