Seite 1 2 Es geht mir gut!Sechste Kolumne, die den totalen Verlust aller Ideale präsentiert, Riesenzippos und Gauloises in die Aschentonne tritt und damit ihres Autors Glaubwürdigkeit mutwillig und für immer beschädigt Eigentlich hatte ich mir das ganz anders gedacht. Aber wie es so ist: Der Mensch denkt und Gott lenkt, nicht wahr? Ich hatte mir noch extra eine Stange rote Gauloises am Frankfurter Flughafen gekauft, und eines jener gigantischen Riesenzippos, mit denen man auch in einem Fackelzug mitlaufen könnte, wenn die Zeiten danach verlangten. Ich wollte ein Zeichen setzen gegen die „Intoleranz“. Wie dumm ich war! Ich wollte, dass alle sehen, wie ich mir weiter Teer und Nikotin in den Kreislauf pumpe für all die fadenscheinigen Beweggründe, die hier in den letzten Monaten als Argumente für das Rauchen ins Feld geführt wurden. In einer Fahrlässigkeit, für die ich mich jetzt entschuldigen möchte. Doch dann passierte etwas, woran ich mich mein Lebtag erinnern werde: Ich hatte keine Lust, keine Lust auf das Rauchen, und auf all das, was hier in den letzten sechs Monaten als „rauchnah“ aufgetreten ist. (Wie ich mich schäme!) Weder wollte ich mit Paul Simon an Greyhound-Busbahnhöfen in Pittsburgh stranden, noch mich mit Simone de Beauvoir in Las Vegas in gemäßigten Grenzen zugrunde richten. Ich hatte keine Zahnentzündung, deren Schmerzen es in den Rauch zu fliehen gelohnt hätte, ich versenkte mich nicht in frühfotografischer Manie in mich selbst und mit Barack Obama eine Lucky Strike auf die Berliner Luftbrücke zu rauchen, konnte mich plötzlich nicht mehr reizen. Hatte der nicht – jetzt wirklich und endgültig – eh aufgehört? Zu wünschen wäre es ihm ja. In dem Moment, in dem mein Laster in Frankfurt wieder sichtbar gesellschaftlichen Boden unter den Füßen hatte, warf ich es ab. Als rauchfreier Mann verließ ich den Terminal. Die draußen an Sandtonnen gelehnte Gelbgesichtigkeit des alten Europa verachtete ich milde. Mein Leben hat sich seitdem von Grund auf gewandelt. Ich erwache um sechs Uhr in der Früh, ziehe mir meinen neuen Leichtmetalljogginganzug über, fahre mit dem Rad die 20 Kilometer ins nahe gelegene Freibad „Schöne Flöte“. Dort bin ich immer der erste. Ganz alleine ziehe ich zentralperspektivisch einen Keil in das tiefblaue Becken. Zwei Stunden später, nach zehn Kilometern Lagen, entsteige ich selbigem wie ein Neugeborenes dem Mutterschoß, doch ungleich dem Neugeborenen dusche ich nicht lauwarm, sondern eiskalt. Danach mache ich mich im Dauerlauf auf den Weg nach Hause. Das Fahrrad werde ich am nächsten Morgen bei einer reziproken Runde abholen. Seite 1 2 Copyright © Johannes Schneider – Sep 15, 2008 |
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