Maren Lachmund

Das Junkie-ABC

Die Welt des Junkies ist hart und chaotisch. Doch man kann sie auch nüchtern betrachten. Ein alphabetischer Überblick in zwei Teilen. Teil 2, von M-Z


M wie Musik

Popkultur inszeniert sich massenwirksam durch Musik. Auch der Junkie hat seine spezielle Musikrichtung. Anders als herkömmliche Musik mit Drogenbezug verherrlicht sie ihre Droge selten. Dagegen strotzt sie vor Ironie und Sarkasmus, zelebriert Junkiewitz und -horror, sie zeigt den Schrecken und die Abgefucktheit. Dabei bleibt sie nicht einseitig, sondern lässt sich auf die Ambivalenz des Junkies ein – sie ist →cool. Junkiemusik, Musik von Junkies oder glaubhafte Musik über Heroin (meistens ebenfalls von Junkies) beinhaltet daher →Faszination für den Junkie. Sie fesselt ihn durch ihre Authentizität, obwohl sie nichts Positives beinhaltet (bzw. gerade deshalb).

N wie Nadel

Dass die Körperlichkeit zentral im Verständnis und der Wirklichkeit des Junkies ist, wurde im Vorhergehenden ausführlich dargestellt. In diesem Zusammenhang erklärt sich die große Bedeutung, die etwa →Adern und →Blut zukommt. Im selben Kontext steht die überaus große Bedeutung von Nadeln für den Junkie.

Der Nadeleinstich ist der Moment der körperlichen Selbstaufgabe für die Droge, Ausdruck für die →extreme Unabhängigkeit und Verletzlichkeit zugleich. Die Nadel ist als Mittlerin, als Medium zwischen Substanz und Körper, zwischen Sucht und Leben zu verstehen. Ihr kommt nahezu die größte Bedeutung gleich nach der Droge selbst zu, sie ist Symbol wie unersetzlicher Gebrauchsgegenstand.

O wie Opfer

Viele populistischer Inszenierungen und falschen Tatsachen geschuldete →Faszinationen begleiten den Junkie. Gern inszeniert er sich selbst als Opfer der Gesellschaft und ihrer Kultur (bzw. er wird von Bewunderern als solches inszeniert). So wird ihm ermöglicht, eine Form von kultureller Opferrolle einzunehmen, die mit seinem endzeitlichen Erscheinungsbild und dem inszenierten Ziel seiner Sucht, dem Märtyrer→tod, einhergeht. Er richtet sich zugrunde und stirbt „für“ die Gesellschaft, aus Protest gegen die Kultur (→Krieg).

P wie Punk

In den 1970er Jahren kam in englischen Arbeitergroßstädten der Punk auf. Punk umfasste Musik, Aussehen, Lebensstil und Einstellung und richtete sich hauptsächlich gegen etablierte Gesellschaftssysteme oder gegen die herrschende Kultur bzw. politische Ordnung. Es gibt viele kulturelle und gesellschaftspolitische Erklärungen für das Entstehen des Punks; sicher ist auch, dass er sich wie fast alle →Jugendkulturen bei bereits bekannten Versatzstücken existierender Kulturen bediente.

Der Punk nimmt den Junkielook abgeändert auf. Kleidungsstil (→Röhrenjeans), Unnahbarkeit, Hässlichkeit, →Coolness und faktisch zelebrierter →Krieg gegen die herrschende Kultur und Gesellschaft sind seine Kernpunkte. Punk ist bewusst destruktiv und lässt die Aggressivität, die der Junkie in die Kultur einbrachte, aktiv zu.

Junkieästhetik und negative →Utopien („No Future“) gegen den herrschenden, positiven gesellschaftlichen Diskurs finden sich bis heute im Punk wieder. Der Punk und viele spätere, z.T. sich auf ihn beziehende Subkulturen, profitieren von der Ambivalenz, Eindeutigkeit und Endgültigkeit des Junkies. Er hat seine verklärte sozialkulturelle Energie weitergegeben.

  » weiter …


Copyright © Maren Lachmund – Sep 15, 2008