Das Junkie-ABCDie Welt des Junkies ist hart und chaotisch. Doch man kann sie auch nüchtern betrachten. Ein alphabetischer Überblick in zwei Teilen. Teil 2, von M-Z Q wie QualenMit Qualen ist natürlich der Entzug gemeint, oder auch der „schleichende“ Entzug, der „Turkey“, also Entzugserscheinungen in Ermangelung rechtzeitig eingenommener Drogen. Der Entzug bei einer derart körperlichen Droge wie Heroin ist zwangsweise ebenfalls sehr körperbetont. Dem Konsum und Entzug von Heroin sind große Teile der typischen Junkieästhetik geschuldet: Der Junkie ist hässlich, bleich, dünn und farblos, eine wandelnde Leiche (vgl. →Röhrenjeans). Die Qualen beim Entzug decken bereits bei vorrübergehenden Entzugserscheinungen bis zum nächsten →Druck die gesamte Palette körperlicher Beschwerden ab: Von Krämpfen, Schwitzen, Juckreiz bis hin zu Erbrechen, Durchfall und starken Schmerzen. Der Junkie gilt als relativ schmerzresistent und dennoch hochgradig empfindlich (wörtliche „Unberührbarkeit“), was wiederum auf die →Extreme und Ambivalenz seiner Sucht hinweist. R wie RöhrenjeansStellvertretend für junkietypische Kleidung soll hier die Röhrenjeans stehen. Typische, also auch kulturtypische Junkies sind oft sofort als solche zu erkennen, was zu einem nicht geringen Teil ihrer Kleidung geschuldet ist. Sie kehrt ins Offensichtliche, was den Junkie ausmacht: Verkommenheit, Ausgemergeltheit, heruntergekommene Hässlichkeit. Dem Junkie ist das egal. Seine Kleidung hat andere, wichtigere Funktionen zu erfüllen, als gut auszusehen. Seine Abgefucktheit, die schwarz-graue Farblosigkeit der Verwahrlosung und die tödliche Endgültigkeit gipfeln in körperbetonter Kleidung wie der Röhrenjeans, welche die eigene Misere zur Schau stellen soll. Er betont damit seine Märtyrerrolle und den Gegenentwurf zur herrschenden Ästhetik. Junkieästhetik ist somit immer eine Verkörperung von →Krieg, Enttäuschung und Protest. In der Moderne hat sich „Heroinchic“ bis in die Mode durchgesetzt und ist inzwischen sg. Kult. Im →Punk wurde zunächst die Röhrenjeans bzw. allgemein die verkommene, „hässliche“ Kleidung direkt vom Junkielook übernommen, um später dessen Ästhetik abgewandelt für sich zu beanspruchen. Im Gegensatz zur Junkieästhetik sollte diese Punkästhetik natürlich aktiv die Abkehr von gängiger Kultur oder Gesellschaft betonen, war also tatsächlicher Protest und unabhängig von der Droge Heroin. S wie schwarzEbenfalls typisch für das Erscheinungsbild des Junkies ist seine Farblichkeit (vgl. →Röhrenjeans). Aus gutem Grund steht hier schwarz stellvertretend für junkieästhetische Farblichkeit, die nämlich eigentlich gar keine ist. Farblos, grau-schwarz betont der Junkie seine abschreckende Erscheinung und seine den Drogen geschuldete Blässe und Dürre. Er hat schwarze Augenringe, schwarz verschorfte Haut, schwarz verkrumpelte Adern. Schwarz steht außerdem für den Tod, dem sich der Junkie nähert und dem er mit jedem →Druck ein Stück näher kommt: T wie TodDie Erlösung des Junkies liegt im Tod. Seine Sucht richtet sich selbstzerstörerisch darauf aus. Dieses Moment der →extremen Endgültigkeit macht einen großen Teil der romantischen Verklärung des Junkies aus, da seine Sucht und sein Leiden als Kulturverneinung und Protest missverstanden bzw. inszeniert werden. Sein leichenartiges Erscheinungsbild sowie die (Nah-)Toderfahrungen im Rausch unterstützen dieses Zerrbild. Der frühe →Punk mit seinem „No Future“-Gestus nimmt diesen Bezug in abgewandelter Form auf: „Es gibt keine Zukunft, aber wir feiern trotzdem!“. Andere negativutopische Jugendkulturen wie Dark Wave oder Gothic haben ebenfalls ähnliche Bezüge, die sich besonders in Kleidung und Farblichkeit wiederspiegeln. Allerdings sind diese auch zumeist Abspaltungen vom Punk. Copyright © Maren Lachmund – Sep 15, 2008 |
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