Reisebericht und Politiksatire
Heines berühmtester Reisetext „Deutschland. Ein Wintermärchen“ in einer typografischen Ausgabe
Von Manfred Orlick
Heinrich Heines Deutschland. Ein Wintermärchen ist Reisebericht und Politiksatire in einem. Nun ist es auch noch ein bibliophiles Schmuckstück, denn der Wallstein Verlag und die Büchergilde Gutenberg haben den wohl berühmtesten Reisetext der deutschen Literatur als Band 15 in ihrer Reihe „Typographische Bibliothek“ herausgebracht.
Das Versepos ist sicher allseits bekannt, schließlich ist es das am häufigsten im Deutschunterricht gelesene Werk Heinrich Heines. Trotzdem hier eine kurze Inhaltsangabe: „Im traurigen Monat November warʼs, Die Tage wurden trüber …“. Der deutsche Dichter Heinrich Heine kehrte im November 1843 für wenige Wochen von Paris nach Deutschland zurück. Auf der Rückreise begann er sein berühmtes Versepos. Der Dichter beschreibt in 27 Kapiteln seine Reise über Aachen, Köln, den Teutoburger Wald und Hannover nach Hamburg.
Unzufrieden mit den politischen Verhältnissen und der Zensur in Deutschland war Heine 1831 nach Frankreich emigriert. Nun war der Exilant noch einmal in sein Heimatland zurückgekehrt, um seine Mutter und seinen Verleger zu besuchen. Bereits bei seinem Grenzübertritt wurde er mit der Borniertheit und der Feindseligkeit der preußischen Beamten konfrontiert. Auch auf seinen Stationen Aachen, Köln, Teutoburger Wald, Paderborn, Minden, Hannover und Hamburg begegnen ihm Deutschtümelei, Franzosenhass, Engstirnigkeit sowie stocksteifes preußisches Militär und die überzogene Frömmigkeit der Katholischen Kirche.
Überall flieht der Dichter entsetzt. Je länger die Reise dauert, desto kritischer wird seine Haltung. Im Kyffhäuser-Gebirge schließlich erzählt er dem toten Kaiser Barbarossa von seiner Hoffnung auf Freiheit und ein tolerantes Deutschland. Rotbart beschimpft ihn daraufhin als Hochverräter. Auch in Hamburg, seiner Schlussetappe, wo seine Mutter wohnt, findet er nicht Weltoffenheit, sondern nur Philistertum.
In über 500 Strophen beschreibt Heine die deutsche Misere, parodistisch und scharfzüngig kritisiert er die vorgefundenen sozialen und ideologischen Verhältnisse, die bedrückende politische und geistige Enge in Deutschland. Die lyrische Satire erschien in dem Gedichtband Neue Gedichte. In Preußen wurde die Sammlung allerdings von der Zensur verboten und gegen Heine ein Haftbefehl erwirkt. Zu dieser Zeit befand sich der Dichter jedoch bereits wieder im sicheren Paris.
Die Erstausgabe von Deutschland. Ein Wintermärchen erschien 1844 bei Hoffman und Campe in Fraktur, die für den vorliegenden typografischen Band vom Gestalter Klaus Detjen wieder aufgegriffen und mit einer neuen Barockantiqua sowie einer sehr gut lesbaren serifenlosen Schrift kombiniert wurde. Außerdem wurde das Seitenlayout einer Dreiteilung unterzogen: das Heine-Gedicht als zentraler Text innen, dazu kursive Randbemerkungen und am Fuß der Seite (abgetrennt durch die Seitenzahl) die Texte der Nachworte (Kommentierungen und Nachbemerkungen). Hier finden sich ebenfalls in separaten Beiträgen die Streichungen vor dem Erstdruck und die Notizen zum Deutschland-Thema (1844) von Heine selbst. Durch diese Dreiteilung wird eine Mehrstimmigkeit der Lektüre betont und aufgrund des unterschiedlichen Textumfangs erhält jede Seite ein anderes optisches Gesicht.
Eingeleitet wird die Ausgabe durch einen mehrseitigen Auftakt, einer zweifarbigen Darstellung von Heines Aufenthaltsorten (von Paris bis Hamburg) während seiner Winterreise. Als Klammer über alle Seiten wirkt das Heine-Zitat „Franzosen und Russen gehört das Land, / Das Meer gehört den Briten, / Wir aber besitzen im Luftreich des Traums / Die Herrschaft unbestritten“, das in einzelne Buchstaben zerlegt ist. Eine sehr ansprechende Ausgabe, die Heines Versepos gerecht wird, ja es aufwertet.
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