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Ausschnitt aus DER DUNKLE WALD von Nicolaus Equiamicus

DIE BEGEGNUNG - UND ANDERE DÜSTERE WINTERLEGENDEN
DIE BEGEGNUNG - UND ANDERE DÜSTERE WINTERLEGENDEN

Alisha Bionda (Hrsg.)
Anthologie / Düstere Phantastik

Fabylon

ARS LITTERAE: Band 6
Broschiert, 200 Seiten
ISBN: 978-392707146-9

Okt. 2010, 14.90 EUR
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„Heinrich! Sieh doch, da vorne, siehst du den Rauch?“
„Ja, ich sehe ihn. Das sind viele von ihnen. Ich denke, es werden an die sechs Bataillone sein.“
„Eher sieben ...“
„Kann sein Jakob; auf jeden Fall zu viele ... Los, gehen wir zurück zum Hauptmann.“
Die beiden Männer schoben sich langsam bäuchlings von dem Hügel durch den Schnee zurück, um von den Franzosen, die im Tal lagerten, nicht bemerkt zu werden. Missmutig wanderten sie den weiten Weg zurück zu den Resten ihrer Kompanie, die ungeduldig auf die Nachrichten der beiden Späher warteten. Seit drei Tagen marschierten sie ohne Verpflegung durch die eisige Kälte, um wieder Anschluss an die Armee Tillys zu finden, von der sie bei einem Treffen mit den Franzosen versprengt worden waren. Dabei hatten sie großes Glück gehabt – sie lebten noch! Ein Umstand, der den meisten anderen ihrer Division nicht vergönnt gewesen war, nachdem sie in das Kartätschenfeuer der Franzosen geraten waren.
„Das wird dem Hauptmann nicht gefallen.“
„Ich weiß. Aber ich kann die verdammten Franzosen ja nicht aus dem Tal fortzaubern. Wir müssen uns einen anderen Weg suchen.“
„Wenn die uns finden, ist es um uns geschehen.“
Heinrich Huber, der bis vor zwei Jahren – 1635 – als eine schwedische Granate seine Werkstatt in Trümmer geschossen hatte, dem Schustergewerbe nachgegangen war, machte ein betrübtes Gesicht. Wortlos verlief ihr weiterer Gang zum Lager ihrer Kameraden. Fast wären sie mitten hineingestolpert, so gut war es in Hecken und Gehölz versteckt. Erst als sie unmittelbar vor dem Posten standen, der sie mit einem „Vorsicht!“ auf sich aufmerksam machte, bemerkten sie, dass sie angekommen waren. Ihre Glieder erstarrten vor Kälte, obwohl sie sich die ganze Zeit bewegt hatten. Den Männern im Lager erging es noch schlimmer. Sie durften, um nicht entdeckt zu werden, kein Feuer machen, und der Hunger tat ein Übriges. Halb von Ästen verdeckt sahen sie auf ihrem Weg zum Hauptmann zwei zugedeckte Leichen auf dem Boden. Das mussten Hans und Christian sein. Die beiden hatten schwere Verwundungen erlitten, ohne Arzt, Essen und Wärme blieben sie nun hier auf dem Feld. Andere begannen krank zu werden, es musste dringend etwas geschehen.
Heinrich und Jakob betraten das Zelt Hauptmann Karl Wilhelm von Braunfelds.
„Nun, meine Herren, was haben Sie mir zu berichten?“ Der Blick aus den Adleraugen des nie stillstehenden Offiziers heftete sich auf die beiden Späher.
„Nichts zu machen, Herr Hauptmann“, sagte Jakob, „das ganze Tal vor uns ist verlegt, mindestens sechs Bataillone.“ Heinrich nickte zustimmend zu dem Bericht seines Freundes.
„Gibt es einen Weg, sie zu umgehen?“
„Nein, Herr Hauptmann, leider nicht. Die Franzosen wissen, dass wir in der Nähe sein müssen. Ich glaube, die werden uns bald hochnehmen, wenn wir nicht wegkommen.“
„Sparen Sie sich Ihre Meinung, Häckel, so klug bin ich selbst.“ Unwirsch schlug der Hauptmann mit der Hand gegen einen Baumstamm, an dem die Zeltplane angeknüpft war.
Heinrich und Jakob schwiegen und blickten den unentwegt auf und ab schreitenden Hauptmann an. Er war ein guter Offizier, der stets für seine Männer sorgte, wie er konnte. Die scheinbar ausweglose Situation, in der sie sich nun aber befanden, zehrte stark an seinen Nerven. Er hielt in seinem Lauf inne und blickte die beiden an. „Meine Herren, ich muss Sie ersuchen, noch einen Gang zu tun.“
Die beiden Soldaten sahen sich ein wenig ratlos an, als der Hauptmann bereits fortfuhr: „Ein anderer Spähtrupp, der vor etwa einer Stunde zurückkehrte, hat mir berichtet, dass eine Strecke Wegs von hier ein recht ungangbarer Pfad in einen Wald führt. Der Trupp berichtete weiter, dass sie es nicht für möglich ansähen, diesen Weg zu benutzen. Da wir allerdings keine Alternative zu haben scheinen, möchte ich Sie beide bitten, diesen Weg zu überprüfen; ich hege die große Hoffnung, dort keine Franzosen anzutreffen und diese dort zu umgehen. Wenn wir hier bleiben werden wir alle sterben: Entweder durch den Feind oder durch Hunger und Kälte. – Ich kann Ihnen leider nichts anderes zur Wegzehrung reichen, als das hier.“
Damit nahm der Hauptmann seinen Tabaksbeutel aus der Tasche und reichte ihn den beiden Spähern hinüber. Heinrich steckte ihn ein und salutierend verließen sie das Offizierszelt, um sich auf den Weg zu machen. Draußen unterhielten sie sich noch kurz mit dem Fähnrich, der den anderen Spähtrupp geführt hatte, um von ihm die Richtung zu erfahren, und woran sie sich orientieren müssten.

Szenentrenner


Das Gelände, das sie zu durchqueren hatten, war fast gänzlich frei von jedem Pflanzenbewuchs, so dass sie sich beeilten, möglichst schnell die große Eiche zu erreichen, die ihnen die Richtung zu dem zu erkundenden Pfad weisen sollte. Der Wind pfiff ihnen unbarmherzig in die Gesichter. Eiskristalle wurden aufgewirbelt und stachen wie Nadeln in ihre gerötete Haut.
„Mach schneller, Heinrich“, trieb Jakob Häckel seinen hinter ihm dreinstolpernden Freund an. „Wenn es den Franzosen einfällt, jetzt Patrouille zu reiten, sind wir dran.“
„Ich .. ich kann nicht mehr schneller,“ keuchte Heinrich, „ich brauche einfach mal was zu essen.“ Er blieb stehen. Als sich Jakob umblickte, sah er seinen Freund dampfend, keuchend und zitternd wie ein überbeanspruchtes Pferd dastehen und in die Innentasche seines Mantels greifen.
„Komm ja nicht auf die Idee den Tabak zu essen, du Esel!“, fuhr ihn Jakob an und griff ihm in die Bewegung, „dann geht’s dir erst recht dreckig. Tabak kann man nur auf eine Weise richtig zu sich nehmen.“ Er zog seine Pfeife heraus.
„Rauch sie langsam, danach wird es dir besser gehen. Lass mir aber auch noch etwas drin.“ Er zündete die Pfeife mit seinem Feuereisen an und reichte sie seinem Freund. Dieser nahm sogleich einen tiefen Zug daraus und setzte sich in den Schnee. Jakob bemerkte, dass es keinen Sinn machen würde, ihn weiter zu drängen und setzte sich, nervös um sich blickend, neben ihn. Als sie die Pfeife gemeinsam zu Ende geraucht hatten, fühlte sich Heinrich wieder etwas besser. Sie setzten mit steifen Gliedern ihren Weg fort, bis sie zu der mächtigen Eiche kamen, von der der Fähnrich gesprochen hatte, und die einsam das freie Feld beherrschte.
„Und jetzt?“ Heinrich lehnte sich zitternd an den großen Baum.
„Was jetzt!?“, entgegnete sein Freund gereizt, „hier müssen wir nach Osten sehen, und dort muss sich der Pfad und der Wald zeigen.“
„Hat das der Fähnrich wirklich so gesagt? Ich kann nichts erkennen.“
„Ja, hat er; du hast es doch selber gehört. Der verdammte Schneefall hat schon wieder angefangen. Vielleicht sehen wir deshalb nichts.“
In der Tat hatte sich das Wetter verschlechtert, und der Schnee trieb in großflockigen Schleiern über das Land, so dass außer einer weißen Wand nicht mehr viel zu erkennen war.
„Wo ist hier überhaupt Osten, Jakob? Ohne Sonne können wir uns nicht orientieren.“ Verzweiflung stieg in Heinrich hoch. Er fürchtete, hier draußen langsam zu erfrieren und zu verhungern, ganz davon zu schweigen, dass sie den Weg wieder zurück zu ihren Kameraden finden sollten.
Jakob sprach nichts. Angestrengt versuchte er, den weißen Schirm mit seinen Augen zu durchbrechen. Und wirklich, für einen kurzen Moment trieb der Schnee wie in einem Wirbel zur Seite und gab in einiger Entfernung einen schemenhaften, grauen Saum zu erkennen.
„Da müssen wir hin, Heinrich!“ Er zog seinen Freund am Arm mit sich fort in Richtung des nunmehr wieder unsichtbaren grauen Saumes. Es dauerte auch nicht lange und sie standen auf einem rauen, steinigen Weg, der für einen Armeetross mit seinen Wägen zu schwer zu passieren gewesen wäre. Sie folgten dem Pfad, bis sie auf einmal vor einer riesigen grau-schwarzen Wand aus Bäumen standen, in die der Weg hineinführte. Der Wind strich sanft durch die Wipfel der alten Bäume, die sich wie ein großes schwarzes Meer zu bewegen schienen.
„Da sollen wir reingehen, Jakob?“
„Ja, was sollen wir denn sonst tun?“
„Hast du schon bemerkt, dass auf dem Geäst der Bäume kein Schnee liegt?“ Heinrich sah seinen Freund mit furchtsamen Blicken an.
„Und wenn schon! Es ist doch pulvriger Schnee der fällt. Der Wind fährt in die Äste; wie soll da was liegenbleiben? Du siehst wieder einmal Hexen und Teufel, wo keine sind, mein Lieber.“ Jakob klopfte seinem Freund, um dessen Furcht vor Zauberei er wusste, auf die Schulter und schritt stracks durch den Waldsaum hindurch. Heinrich folgte ihm zögerlich, aber alleinbleiben mochte er hier noch viel weniger. Sie waren eine kurze Strecke gegangen, als ihnen auffiel, wie still der Wald in seinem Inneren war. Undurchdringlich schien er zur Linken wie zur Rechten des Weges. Nach vorn war wegen der Dichte und auch der Höhe der Bäume nicht viel mehr zu erkennen. Sie sahen die Wipfel sich immer noch bewegen, hörten aber kein Rauschen mehr, keine Schneeflocke schien den schwarzen Boden des Waldes zu berühren. Es war, als ob sie allesamt über ihn hinweggetrieben würden. Sie blickten sich um und sahen den Ausgang des Waldes wie eine schmale weiße Tür hinter sich liegen, dort schneite es unentwegt fort.
„Jakob, ich hab es dir doch gesagt, es ist hier nicht geheuer; komm, lass uns zurückgehen. Wir sagen dem Hauptmann, dass wir hier nicht weiterkönnen. Wenn wir uns den Franzosen ergeben, lassen sie uns vielleichtx am Leben und geben uns auch Essen ...“
„Sag so etwas ja nicht noch einmal, du abergläubischer Hundsfott!“, brüllte sein Freund ihm ins Gesicht. Heinrich zuckte vor dem unerwarteten Wutausbruch zusammen. „Du glaubst doch wohl selbst nicht, dass uns die Franzosen einfach laufen lassen! Weißt du noch, was die mit dem Regiment von Baron von Hoppstetten angestellt haben?“
„Ja, das weiß ich“, ereiferte sich nun auch Heinrich, „ich weiß aber auch, was die Hoppstetter zuvor mit einem Franzosentross angestellt hatten! Wir haben ihnen nie so etwas zugefügt, weshalb sollten sie sich dann so unritterlich gegenüber einem unterlegenen Gegner zeigen! Wir werden hier keinen Weg finden!“
Jakob fiel ihm ins Wort: „Aus dir spricht dein Magen und dein Aberglauben und nicht dein Verstand. Denk doch an die anderen! Wenn das nicht gelingen würde, wie könntest du ihnen vor Gott je ins Gesicht sehen, wie würde der Richterspruch Gottes ausfallen, wenn du deine Kameraden und Freunde einer Lüge opfern würdest. Wenn du noch ein Gewissen hast ...“
Heinrich machte eine unwillige Bewegung und spuckte neben sich auf die Erde. Er holte tief Luft, schloss die geröteten Augen und sprach leise, ohne Jakob ins Gesicht zu sehen: „Verzeih mir, mein Freund, ich bin nur so entsetzlich hungrig und müde, ich kann bald nicht mehr.“
„Ich weiß.“ Jakob legte versöhnlich die Hände auf die Schultern seines Freundes, „lass uns weitergehen, wir müssen vor Einbruch der Nacht wieder zurück sein.“
Schweigend gingen sie weiter in den Wald hinein. Jakob erwähnte das Unbehagen, das er in diesem seltsamen Wald empfand, seinem Freund gegenüber nicht, hielt aber fortan die Hand bei der Waffe und blickte nervös um sich.

Andrä Martyna
Andrä Martyna
© http://www.andrae-martyna.de/

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