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Von Tränenperlen zu phantastischen Gärten in Heines 'Romanzero'.


Heinrich Heine ist als kritischer Beobachter seiner Zeit bekannt. Seine Verse provozierten, waren manchmal von ätzender Schärfe. Auch aus diesem Grund mußte er sich seit 1831 in Paris aufhalten, wo er etwa 20 Jahre später das Gedicht über Jehuda ben Halevy schrieb. In diesem Gedicht begegnet uns das Bild von den Tränenperlen mehrfach. Die Verse über den jüdischen Dichter Ben Halevy bezeugen neben anderen Heines Verbundenheit mit der Tradition, sein Interesse an der Geschichte.
Dieses Poem gehört zu einem Zyklus, genannt ‘Romanzero’, den Heine in den Jahren 1850/51 verfaßte. Zuvor hatte ihm sein Arzt die Beweglichkeit seiner Hand ermöglicht. So konnte er während schlafloser Nächte Gedichtzeilen notiern. Bei Hoffmann und Campe (Hamburg) erschienen, brachte 'Romanzero' Heine den größten finanziellen Gewinn seiner Publikationen. Da die Kosten für schmerzstillende Opiate beträchtlich waren, kam ihm dies sehr gelegen.
Die Sammlung wird zu Heines Spätwerk gezählt. Und es besitzt auch den Charakter eines Spätwerkes: Nicht auf den strengen Aufbau, eine fest gefügte Ordnung kommt es in erster Linie an, sondern darauf, daß möglichst viel anklingt, daß die Fühler sowohl nach ehrwürdigen Heroen der Geschichte als auch nach peinlichen Notwendigkeiten des Alltäglichen ausgestreckt werden.
Im Nachwort wendet sich Heine an den Leser. Er meint, ihm Valet sagen zu müssen:” Du bist gerührt, meint theurer Leser , und kostbare Perlen fallen aus deinen Tränensäckchen...” Diesen distanzierenden Ton, mit dem er sich über seine Lage erhebt, findet er selbst nicht immer ganz passend: Wenn man auf dem Sterbebett liegt,” wird man sehr empfindsam und weichselig...”
Tatsächlich hat Heine damals nicht geglaubt, daß er noch etwa fünf Jahre leben würde.
Trotz dieser so bezeichneten ‘Wechseligkeit’ findet er gelegentlich zu seinem alten scharfen Ton zurück im Nachwort des ‘Romanzero’: "Der gesamte hohe Klerus des Atheismus hat sein Anathema über mich ausgesprochen.” Heine spricht von fanatischen Pfaffen des Unglaubens, die ihn wohl gern gefoltert hätten.
In der Tat mußte sie sehr irritieren, daß Heine jedem Abschnitt des Gedichtes über Jehuda ben Halevy Sätze von fast liturgischem Charakter vorangestellt hat. Dazu gehören die Zeilen: "Bei den Wassern Babels saßen wir und weinten, unsere Harfen lehnten an den Trauerweiden.”
Die trauernde Erinnerung an bessere Tage, vielleicht verbunden mit der Sehnsucht nach einem idealen Zustand gehört zur alttestamentlichen Frömmigkeit, zum jüdischen Glaubensleben. Dies war im 19.Jahrhundert noch so fest verwurzelt im Bewußtsein der Leute, daß es als Maskierung für ganz andere Bestrebungen benutzt werden konnte.
In Deutschland waren es vor allem Maler, die die Erinnerung an die traurigen Ereignisse jüdischer Geschichte wachhielten. So Eduard Bendemann: Die Israeliten an den Ufern Babylons(Köln Wallraff-Richards-Museum und vier weitere Fassungen).
Auf diesem Bild sind die Saiteninstrumente deutlich erkennbar. Sie bilden ein prägnantes Symbol für die Verflechtung von Dichtung und alttestamentlichem Glaubensleben.
Auch für Heine ist die Verbindung von dem Schriftgelehrten - und dem Dichter Jehuda ben Halevy nicht zu trennen. ("Er war ein kleiner Levit und ein großer Dichter”)
Es verwundert nicht, daß Heines Interesse deutlich bei dem Poeten liegt:
” Solchen Dichter von der Gnade Gottes nennen wir Genie;
Unverantwortlicher König des Gedankenreiches ist er.”
Aus der Enge der Matratzengruft, in die Heine seit 1848 eingesperrt, führt ihn sein Gedicht in die weiten Gefilde der Weltgeschichte. Das Leitmotiv, das sich hindurch zieht, ist ein kostbares Kästchen.
Des Dichters Blick, also Heines Gedanken aus der Matratzengruft, fliegen zu dem Zelt des Darius, der von dem großen Alexander besiegt worden ist. Sie fliegen zu dem kostbaren Kästchen, zu dem Kästchen des Königs Darius. Wertvoller jedoch ist das Kästchen mit den Perlen.
"Die entquollen einer schönen Menschenseele, die noch tiefer,
Abgrundtiefer als das Weltmeer
Denn es sind die Tränenperlen
Des Jehuda ben Halevy,
Die er ob dem Untergang
Von Jerusalem geweinet.”
Sie sind allem Sentimentalen entrückt, weil sie in einen fast liturgischen Rahmen gesetzt werden.
"Wie ein Seher aus der Vorzeit
Anzuschauen-dem Grab entstiegen
Schien Jeremias, der Alte...”
In der Pose des Propheten sieht Heine also den Dichter und Leviten ben Halevy. ‘Jeremias auf den Ruinen Jerusalems’ war übrigens auch das Thema eines viel beachteten, als Kupferstich verbreiteten, Bildes des erwähnten Malers E.Bendemann. Er ist etwa 15 Jahre vor Heines Gedicht entstanden.
Ben Halevy war im arabischen Spanien Schriftgelehrter. Bekannt wurde er als der bedeutendste jüdische Dichter im Mittelalter. Heine weiß, daß er mit dem Thema auf der Welle einer Begeisterung für den Orient schwimmt. Er selbst spricht von dem " West- Östlichen dunklen Spleen”.
"Auch mein Flügelrößlein wiehert
Wieder heiter , scheint den bösen
Nachtalp von sich zu schütteln...”
Dies will heißen, daß er sich auf den Pegasus schwingt und dabei die Depressionen seiner unheilbaren Krankheit vergißt.
Das Flügelrößlein führt ihn zu einem Garten, den Garten der Semiramis.
...Achtes Wunderwerk der Welt.

Königin Semiramis,
die als Kind erzogen worden
von den Vögeln, und gar manche
Vögeltümlichkeit bewahrte,

Wollte nicht auf platter Erde
promenieren wie wir andern
Säugetiere, und sie pflanzte
einen Garten in der Luft -

Hoch auf kolossalen Säulen
prangten Palmen und Zypressen,
Goldorangen, Blumenbeete,
Marmorbilder, auch Springbrunnen

Alles klug und fest verbunden
durch unzählge Hängebrücken,
die wie Schlingepflanzen aussahn
und worauf sich Vögel wiegten-

Große, bunte, ernste Vögel
tiefe Denker, die nicht singen,
während sie umflattert kleines
Zeisigvolk, das lustig trillert-

Alle atmen ein, beseligt
einen reinen Balsamduft...


Dies bezeugt eindrucksvoll Heines Verbundenheit mit der phantastischen Seite der Romantik.

Georg Grimm-Eifert
http://www.oppisworld.de/zeit/biograf/hheine2.jpg
© http://www.oppisworld.de/zeit/biograf/hheine2.jpg

PHANTASTIK UND KLASSIK - eine Spurensuche
Beitrag Von Tränenperlen zu phantastischen Gärten in Heines 'Romanzero'. von Georg Grimm-Eifert
vom 21. Aug. 2007


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