Emmas Glück
Wie himmlisch waren diese Tage, wie genussvoll und intensiv. Melanie war bei ihrer Ärztehilfe in Asien (also ganz weit weg), und ich nicht. Ich war zu Hause, war Strohwitwer, wie man so sagt. Ich war glücklich. Betrunken, liederlich und nachlässig in der Körperpflege. Warum musste ich mich denn jeden Tag rasieren? Warum dem alten Videopiraterie-Gefährten immer nach dem dritten Bier Lebewohl sagen? Und die Zombiefilme (also natürlich nur die ohne gesellschaftskritische Botschaft) im Schrank verstecken? Musste ich alles gar nicht, denn die schönsten und tiefsten Momente einer festen Beziehung sind doch die, in denen man alleine ist. In denen man sich auf die wichtigen Dinge des eigenen Lebens konzentrieren kann.
So zum Beispiel auf die finnische Kronkorken-Sammlung und das Tagebuch von 1992 (besonders dem Mai natürlich, mit seinen sechzehn verschiedenen Partnerinnen). Abends, vor dem Einschlafen, dachte ich mit einem seligen Lächeln auf den Lippen an meine Melanie, und träumte danach von Katja Riemann. Ohne schlechtes Gewissen.
Die Zeit verging wie im Fluge.
Drei Tage vor ihrer Rückkehr rief Melanie mich an. Das erste Mal in der ganzen Zeit! Ihre Stimme zu hören, war so sexy, dass all meine Sinne schlagartig und vor allem prickelnd zum Leben erwachten. Ihre Botschaft allerdings war das totale Gegenteil von sexy. Sie würde nämlich noch zwei weitere Monate in Asien bleiben müssen. Ihre Hilfe war superwichtig für die Menschen. Und für sie selber auch, denn sie lerne jeden Tag so viel Neues, wie in der Praxis in einem Jahr.
Dass sie mich vermisste, hatte sie nicht gesagt, fiel mir später ein. Und Schatz auch nicht, oder sich irgendwie bedauernd geäußert. Vielleicht war es ja inzwischen völlig normal auf dieser Welt, zwei Monate mit dem Chef (und Ex-Lover) irgendwo hin zu fahren und dann gleich noch zwei weitere Monate da zu bleiben. Nur ich hatte das noch nicht mitgekriegt und reagierte deshalb völlig konservativ und als Problempartner, nämlich mit gesteigerter schlechter Laune, Verlustängsten und Rachegelüsten. Denn warum sonst fing ich an, im Adressteil meines Timers (vom letzten Jahr) nach weiblichen Vornamen zu suchen (und vor allem zu finden)? Aber bevor ich zur Tat schreiten würde, wollte ich mir noch eine ordentliche Prise Melancholie geben und legte deshalb den Film ein, den ich Melanie eigentlich zu Ostern hatte schenken wollen:
EMMAS GLÜCK
(neu als DVD bei Pandora Film)
Max (Jürgen Vogel) erfährt von seinem Arzt, dass die Magenprobleme, die ihn quälen, mehr als nur harmlos sind. Sehr viel mehr. Wenn es in seinem Leben schon zu Lebzeiten nichts gibt, was ihn wirklich kickt, dann will er es wenigstens mit einem Traum beenden. Mexiko! Das Geld für die letzte Reise versucht er aus der Schwarzgeldkasse seiner Gebrauchtwagenfirma zu stehlen. Nur wird er dabei von seinem Chef und einzigen Freund überrascht. Er flüchtet und landet nach einem wirklich ´famous carcrash´ mitten auf dem Hof von Emma. Bei Emma (Jördis Triebel), die allein auf dem Bauernhof ihrer Großeltern lebt, Schweine mehr als familiär großzieht und akut von der Zwangsräumung bedroht ist. Und genau auf ihrem Land landet dieses zertrümmerte Auto mit Max darin und einer Tupperdose voller Geldscheine. Sie rettet beide. Max und die Tupperdose. Und beide erwachen zum Leben...
Nein, mehr werde ich jetzt nicht sagen über die Handlung, denn all das würde nur ein fader Abglanz sein.
"Emmas Glück" ist einer der schönsten deutschen Filme die ich in den letzten 16 Jahren (und davor) gesehen habe. Ich habe lange nicht mehr so gelacht und so geheult (und das gebe ich wirklich ungern zu) wie bei diesem Film. Es ist die perfekte Mischung, es ist diese unglaubliche Hauptdarstellerin, es ist dieses grandiose Gespür, aus kleinen Dingen wirklich ganz große Momente zu zaubern. Das Glück kann ganz nah sein und doch in so weiter Ferne liegen. Es ist selten, das Geschichten so rühren und berühren können und einen trotzdem mit einem Lächeln zurücklassen. Es ist der Zauber, der deutsches Kino vor langer Zeit einmal berühmt und schön machte. Was ist schon das fade, doofe Leben der anderen gegen "Emmas Glück"?
10. Apr. 2007 - Mikis Wesensbitter
Der Rezensent
Mikis Wesensbitter

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Im Gegensatz zu anderen, kann ich mit Recht behaupten: Ich bin ein Berliner! Und ich werd auch einer bleiben. Nicht weil ich Berlin so besonders toll finde, aber immerhin wesentlich besser als andere Städte. Und Berliner zu sein, schließt ja auch nicht aus, das man die warme Hälfte des Jahres in der Uckermark verbringt. So...
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