Klappe zu – Balg tot
LITERRA EMPFIEHLT Als ich wieder zu mir kam, war mir kalt und da war dieses Bündel. Ein besudeltes Würmchen, wie ausgekotzt, mit der Nabelschnur, als wenn ihm der Darm aus dem Bauch getreten wär.
Regina Schleheck studierte zunächst Germanistik, Sozialwissenschaften und Sport, schenkte anschließend einer Tochter und vier Söhnen das Leben, bevor sie begann als Oberstudienrätin an einem Kölner Berufskolleg zu arbeiten. Liest man sich diese Zeilen durch und sieht man sich das Foto der Autorin auf dem Klappentext an, so muss man sich wundern, welch bitterböse Geschichten aus der Feder dieser Frau fließen können. Obwohl häufig, gerade in Deutschland, belächelt, erfordert die Kurzgeschichte ein ebenso großes Können wie das Verfassen komplexer Romane. Umso bemerkenswerter finde ich, wie viel Gehalt die Storys von Regina Schleheck haben, obwohl sie zum Teil nur zwei, drei oder vier Seiten umfassen. Auf gerade einmal 120 Seiten bringt die freischaffende Autorin 24 Kurzgeschichten, sogenannte Shorties unter, die man allerdings nicht unbedingt vor dem Einschlafen konsumieren sollte, da sie eine nicht zu unterschätzende, nachhaltige Wirkung offenbaren können und den Leser, trotz ihres geringen Umfangs, zum Nachdenken anregen. Bereits die Titelstory Klappe zu, Balg tot beschäftigt sich eingehend mit den menschlichen Abgründen und steckt voll bitterböser Ironie. Die Geschichten handeln von skurrilen Obsessionen, bedingungsloser Mutterliebe, Kindesmissbrauch, Inzest, bizarren Affären und vielen anderen unrühmlichen Eigenschaften des Homo sapiens. Regina Schleheck macht die komplette Bandbreite menschlichen Leids, das aus Triebhaftigkeit und Emotionen erwächst, zum Thema ihrer Storys. Dabei bedient sich die Schriftstellerin einer fesselnden, klaren und doch ausgefeilten Sprache, die nie platt oder trivial erscheint. Klappe zu Balg tot ist ein schmucker Band, der trotz seines geringen Umfangs sein Geld durchaus wert ist. Ein weiterer Beweis dafür, dass es nicht auf die Quantität, sondern die Qualität, ankommt.
Persönliche Favoriten:
Klappe zu, Balg tot
Eine Frau, eine unglückliche Liebe und ein unerwünschtes Kind.
Mein Frank
Ein Mann von zweifelhaftem Charakter, doch in den Augen seiner Mutter ohne Tadel.
Gottes schwarze Schafe
Auch unter den wachsamen Augen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes fordern schwarze Schafe ihr trauriges Recht.
Sonne auf der Hoteltapete
Eine zügellose Affäre führt zu einer irreparablen Tragödie.
Überlebenstechnik
Wenn Eltern zu schlechten Beispielen werden und Kinder ihre Ratschläge allzu wörtlich nehmen.
Löffelwechsel
Die Last mit Alter, und wie schnell man doch die Perspektive wechseln kann.
Ich kann ja auch gehen
Szenen einer Partnerschaft.
Schweinigeleien
Ein Mann frönt, ohne Wissen seiner Frau, seinem erotischen Hobby.
Inhalt:
Klappe zu, Balg tot
Martins Lingam
Mein Frank
Wenn der Postbote zweimal klingelt
Glückshaube
Gottes schwarze Schafe
Hamse ma nen Euro?
Weggegangen Platz vergangen
Mauer-Schau
Sonne auf der Hoteltapete
Sophokles ist tot
Motorradtour
Lamm Gottes
Weichei
Hallo Taxi!
Späte Rache
Knirschen
Überlebenstechnik
Löffelwechsel
Über den Verfall der Moral
Letzte Minute Letztes Stündlein
Ich kann ja auch gehen
In der Havanna-Bar
Schweinigeleien
LITERRA EMPFIEHLT Beitrag vom 30. Okt. 2009
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