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Science Fiction (diverse)



Stephen Baxter

Transzendenz

rezensiert von Thomas Harbach

Mit „Transzendenz“ legt Stephen Baxter nicht nur den Abschluss seiner „Schicksalskinder“ Trilogie vor, zusammen mit Kim Stanley Robinson und seinen letzten meteorologischen Katastrophenromane wie „40 Days of Rain“ oder „50 Degrees Below“ mahnt er vor der anstehenden ökologischen Katastrophe und kombiniert diese bodenständige, aber sehr aktuelle Handlungsebene mit seinen kosmopolitischen Konzepten. Auf dieser übergeordneten Ebene beschreibt Stephen Baxter eine futuristische, kaum noch den menschlichen Wurzeln angehörende Milchstraße – ein ähnliches Konzept hat er bis zu seinem bizarren Ende im Auftaktband „Der Orden“ mit einem menschlichen Schwarm tief in einem Höhlenlabyrinth unter der Erdoberfläche verwendet und dieses auf einer mikrokosmischen Ebene konsequent über viele Generation quasi als Trockenübung zu diesem abschließenden Buch durchgespielt – voller intelligentem Leben. Die für die Eroberung dieses weiten Raumes notwendige Zentralregierung auf der Erde ist zerbrochen, jede bewohnte Welt hat ihre eigene Entwicklungsrichtung genommen. Hierbei lässt sich nicht von politischer Anarchie sprechen, im Gegensatz zu vielen gegenläufigen Space Operas zieht Baxter die Entfernungen ins Kalkül und drückt in einfachen Worten, was selbst auf unserer kleinen Erde historisch belegbar ist. Ein Volk lässt sich auch mit modernster Technik über diese großen Distanzen nicht regieren. Ein Musterbeispiel dieser Entwicklung ist seine Protagonistin Alia, eine junge Frau, die auf einem der ersten Generationenraumschiffe geboren worden ist. Dieses ist im Laufe seines unendlich erscheinenden Fluges von modernen Raumschiffen der Menschheit überholt worden. Mit stoischer Gelassenheit blieben allerdings die ersten Pioniere an Bord ihrer Arche auf der Suche nach einer persönlichen Welt. Dieses Bild gehört zu eine Reihe von sehr gut geschriebenen Szenen des Romans, in denen Stephen Baxter emotionale Augenblicke mit einer verständlich beschriebenen, futuristischen Technik zu einer Einheit harmonisiert. Leider verlässt er im Laufe seines Epos diese nachvollziehbare Schreibweise immer wieder zu Gunsten einer Reihe von außerordentlichen, zumindest theoretisch extrapolierten Ideen, die von seinen Charakteren und manchmal auch seinem Handlungsaufbau nicht unterstützt werden. Schnell laufen diese ins Nichts.

Die Transzendenz ist die Spitze der Pyramide menschlichen Evolution. Begonnen im ersten Band „Der Orden“ hat sich Baxter konsequent mit anderen menschlichen Entwicklungsformen beschäftigt und hat eine sich deutlich von Bahnbrechenden Werken wie Olaf Stapledons „Die ersten und die letzten Menschen“ zu Gunsten einer interessanten, aber auch erschreckenden, das Individuum absorbierenden unterscheidende Lebensgemeinschaft erschaffen. Diese Transzendenz soll auf der einen Seite die höchste Entwicklungsstufe des Menschen in einer Art kontinuierlicher geistiger Unsterblichkeit darstellen, auf der anderen Seite hat diese sozilogische Struktur einen inneren Fehler. Die lange und oft brutale Geschichte der Menschheit mit ihren Schrecken und selbst zugefügten Schmerzen hängt wie ein Damoklesschwert über dieser Gruppe. Wie im Mittelteil seiner Serie können diese potentiellen Unsterblichen, gottähnlichen aber vom Menschen abstammenden Wesen nicht mit sich selbst ins Reine kommen. Diese fehlende Komponente versucht man schließlich mit Hilfe von Manipulationen – der Schwachpunkt dieses Buches denn wieder stellen sich seine Schöpfungen nicht ihrer eigenen Verantwortung, sondern suchen die Fehler anderer zu eliminieren und wenn das nicht hilft, diese zu manipulieren – durch einige Mitglieder der Transzendenz wie die junge Alia. Diese beobachtet ihr Leben lang Michael Poole, einen Menschen des Jahres 2058, einen verkrachten Ingenieur und schließlich eine Schlüsselkomponente für eine andere Zukunft. Die Aufgabe eines jeden Mitglieds der Transzendenz ist es, andere menschliche Lebewesen ihr Leben lang zu beobachten, um so für fiktive oder reale Sünden nicht nur Abbitte zu leisten, sondern aus dem oft fatal agierenden Objekt der Beobachtung etwas für das eigene Leben lernen zu können. Nur wer den Schmerz mit anderen Wesen teilt, kann selbst die Erlösung von der beschränkten eigenen Existenz finden. So faszinierend dieser Gedanke auf den ersten Blick ist und so viele expotentielle Variationen er dem Autoren Stephen Baxter auch ermöglicht, wirkt er unglaubwürdig. Im Grunde ist der Schritt auf die nächste Evolutionsstufe eine Weiterentwicklung, das Lernen aus den Fehlern der Vergangenheit und eine entsprechende Extrapolation der eigenen Möglichkeiten. Da sich die Mitglieder dieser Elite zu sehr an die Vergangenheit der Menschen und nicht ihren oft komplexen und aus dem Kontext heraus geborenen Handlungen orientieren, müsste es in der Zukunft einen spürbaren Stillstand, wenn nicht soar Rückschritt geben. Zwar ist es faszinierend, eine andere Zukunftsvision – im Vergleich zu Greg Egan oder dem Technologen Charles Stross zu lesen, hier wirkt er allerdings weniger souverän oder gar logisch, sondern emotional angeschlagen und sentimental. Zwar wirkt seine Zukunftsvision wie ein Rücksprung zu H.G. Wells – die Menschen als Morlocks und der Zeitreisender als zivilisierter Besucher -, doch Baxter bleibt in den Ansätzen stecken. Seine Schwarmartige Zukunftsvision präsentiert er nach dem fesselnden „Der Orden“ als Einbahnstraße, die schnell zu Degeneration und Aggression führt. Die einzelnen besiedelten Planeten sind entweder Abbilder der ersten inklusiv der entsprechenden Umweltzerstörung oder inzwischen politisch instabil und innerlich moralisch zerfallen. Ihnen allen fehlt die Vision einer bessere, einer glorreichen Zukunft. Durch den Rückgriff auf die Vergangenheit kann sich diese am Ende ihrer geistigen Entwicklung angelangte futuristische Menschheit aber auch nicht aus ihrem Trauma befreien. Zwar wirken die in der nahen Zukunft spielenden Teile des Buches ungewöhnlich kritisch gegenüber der gegenwärtigen Politik und gleichzeitig dem Individuum, mit Michael Poole hat Baxter allerdings auch einen hölzernen, nicht überzeugenden und vor allem leider nicht sympathischen Handlungsträger geschaffen. ER hat seine Frau und sein zweites Kind bei der Geburt verloren, sein zweiter Sohn hat sich von ihm abgewandt und lebt in einem umwelttechnisch toten Russland, um den dortigen Menschen zu helfen. Selbst eine Katastrophe bringt die beiden so unterschiedlichen Charaktere nicht wieder zusammen. Um seinen Lesern einen besseren Zugang insbesondere zur futuristischen Welt zu ermöglichen, beschreibt er am Beispiel Michael Poole die fehlende Kommunikation mit den eigenen Verwandten und die mangelnde Einsicht, sich den Ängsten der eigenen Vergangenheit zu stellen und insbesondere die inneren Widerstände überwinden. Als Synonym für die Schwierigkeiten einer in einer veränderten sozialen Struktur lebenden Menschheit lässt sich dieses Beispiel kaum verwenden. Dazu wird Michael Poole zu sehr von seiner tragischen Vergangenheit gefangen gehalten, er bemitleidet sich zu sehr, seine Umwelt – insbesondere sein Bruder wird zu einem Abziehbild des flexiblen, egoistischen Rechtsanwalt – reagiert klischeehaft und vorhersehbar auf seine Situation und weiterhin wirkt sein Sohn nicht überzeugend genug charakterisiert, um einen wirklich gleichwertigen „Partner“ darzustellen. Phasenweise gelingen Baxter wirklich emotional ansprechende Szenen, die er schnell mit einer Flucht in Oberflächlichkeiten wieder negiert

Der Beginn des Romans ist voller nostalgischer Anspielungen und verschenkten Hoffnungen. Außerdem missbraucht Baxter seine wenigen Charaktere als wahre Informationsquellen für den Leser. Viele Dialoge wirken dadurch schulmeisterhaft und belehrend. Weiterhin missbraucht der Autor sie als notwendige Exponate seiner vielen oft interessanten, faszinierenden, aber zu hektisch ausgebreiteten Ideen. Wie in den besten Romanen Olaf Stapledons und Arthur C. Clarkes gelingt es Baxter, eine wirklich futuristische menschliche Gesellschaft zu beschreiben, deren Wurzeln für den Leser noch erkennbar sind. Neben einer stetigen philosophischen Betrachtung der soziologischen Entwicklung liegt sein Hauptaugenmerk auf den harten wissenschaftlichen Komponenten – sowohl der Naturwissenschaften als auch der Astronomie. Im Gegensatz zu vielen seiner anderen Romane kann sich Stephen Baxter in diesem Fall nicht aus seinem Ideengeflecht befreien und eine spannende, gute Geschichte beifügen. Insbesondere in der zweiten Hälfte des Buches kommt dem Leser der Gedanke, dass der präsentierte Stoff für mehr als einen weiteren Roman gereicht hätte, zeitlicher Druck aber dazu geführt hat, alles in einen inzwischen nicht mehr Roman, sondern zu einer aggressiven These umgewandelten Text zu integrieren und insbesondere die elementare Warnung vor einer weiteren Zerstörung des eigenen Lebensraums von einer sich dem Ende ihrer Evolution nähernden Menschheit zu überdecken. Diese Schwäche zeigt sich insbesondere im unterdurchschnittlichen Ende des Romans. Nicht nur die gottgleichen Menschen können keine Lösung, nicht einmal Ansätze präsentieren, sie verharren in ihrer stillen Beobachterrolle und werden im Grunde zu klassischen Voyeuren, die sich am Leid und der Not anderer Menschen ergötzen ohne die eigenen Katastrophen vor der Tür zu sehen. Positiv betrachtet präsentiert Stephen Baxter hier seinen nihilistischen und düsteren Ausblick auf eine Zukunft, in der niemand leben will oder kann, negativ betrachtet reiht er sich mit diesem Buch in die Reihe der ewigen Neinsager ein, die keine Alternativen präsentieren können oder wollen und sich in dieser Rolle leider viel zu wohl fühlen.

Stephen Baxter: "Transzendenz"
Roman, Softcover, 697 Seiten
Heyne Verlag 2006

ISBN 3-4535-2189-7

Weitere Bücher von Stephen Baxter:
 - Der Orden
 - Die letzte Arche
 - Die letzte Flut
 - Die Zeit-Verschwörung 3: Navigator
 - Diktator
 - Eroberer
 - Imperator- die Zeitverschwörung 1
 - Sternenkinder
 - The H- Bomb Girl

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