Charlie sperrte Oskar für drei Nächte und zwei Tage in seinem Keller ein. Der dunkle Kellerraum war ordentlich aufgeräumt, an den Wänden standen Regale, vollgeräumt mit Werkzeug und Konservendosen, auf dem Boden lag eine Matratze samt Polster und Decke, alles frisch bezogen, daneben stand ein kleiner Campingtisch samt Stuhl, auf dem Tisch lag eine Taschenlampe und ein Buch von Joseph Murphy: "Die Macht des positiven Denkens." Auf das Buch hatte sein Großvater, als er ihn in den Keller stieß, mit den Worten, er solle das aufmerksam lesen, gezeigt.
Noch nie in seinem Leben hatte Oskar eine solche Angst ausgestanden, er lag panisch zitternd und schluchzend auf der Matratze und war sich sicher, sein verrückter Großvater würde ihn umbringen. Er war schon so weit, dass er sich einen schnellen Tod durch das Gewehr wünschte und hoffte, nicht zu Tode gequält oder dem Hungertod preisgegeben zu werden. Die Befürchtung wurde schnell zerstreut, Charlie öffnete am frühen Morgen die Kellertür und stellte ihm auf einem Tablett ein recht üppiges Frühstück auf die Treppe, und auch zu Mittag und am Abend bekam er jedes Mal reichlich Essen serviert.
Am Morgen des dritten Tages öffnete sich die Kellertür weiter als sonst, Charlie schon kein Tablett auf die Treppe, sondern stand mit seinem Gewehr über der Schulter im Türrahmen und befahl Oskar, mit ihm zu kommen. Dieser wankte benommen die Stiege hoch und folgte Charlie in die Küche, wo der Tisch mit zwei Tellern Ham and Eggs, Toastscheiben, Orangensaft und Kaffee gedeckt war. In der Ecke stand ein kleiner geschmückter Christbaum, dessen elektrische Lichterkennen gespenstisch an und aus gingen.
"Merry Christmas, Oskar!", sagte Charlie. "Setz dich und iss!" Oskar setzte sich hin und aß ohne jeden Appetit, er würgte das Essen hinunter, seine Kehle war vor lauter Angst zugeschnürt. "Lass mich gehen, ich sage niemandem, was du getan hast", bettelte Oskar und Charlie antwortete: "Du wirst jedem sagen, was ich getan habe."
S. 59f. (Oskar oder Who the fuck is Waldheim)