Leseprobe:
So wie man ja überhaupt dem einen oder anderen Strassenbahner, meine ich, ein Denkmal hätte setzen sollen. Ja, Sie haben recht, nicht nur den Strassenbahnern. Auch unter den Leuten von der Bahn, oder beim Gas- und Stromwerk, hats super Typen und wahre Größen gegeben. Allein was die an Sprüchen draufhatten, da kommt kein Dichter mit. Glauben Sie mir, das war wahre Poesie. Das ganze Wienerisch kommt ja von denen. Auch die Leute vom Müll und die Kanalräumer haben einiges zur Stadtkultur beigetragen. Und das über Jahrzehnte! Früher warens die Kutscher und Handwerker, und natürlich später dann die Fabriksarbeiter. All jene eben, denen es gelungen ist, in dieser oft nicht leichten Zeiten den Kopf oben zu behalten. So wie auch seinerzeit der Sticker Toni. War ein Dreher – irr harter Job. Ein Bär von einem Mann. Immer gut aufgelegt. Immer ein Wort für uns Kinder … – Natürlich hat es auch etliche gegeben, die unter der Last zusammengebrochen sind. Im Vollrausch die Frau und die Kinder schlagen. War wohl auch der eine oder andere Strassenbahner unter denen. Aber wenn sie ihm draufgekommen sind, glauben Sie mir, haben die Kollegen ihn zur Rede gestellt. Hurch Fritzl, wennst die Frau schlagst, kriagst es mit uns ztuan … – hat mein Vater zumindest erzählt, und wieso sollte er lügen. Ja, da hats noch eine Ehre gegeben, das hast du wirklich gespürt. Lachen Sie nicht! Als Kind von einem Strassenbahner hat dich jeder Strassenbahner gekannt. War noch ein bissl so wie am Land. Das ist der Bub vom Körner Franzl, hats geheissen. Bist du nicht der Bub vom Körner Franzl? – Ja, die Strassenbahner sind untereinander berühmt gewesen. Und die Superstars waren eben die mit den guten Sprüchen. Holzpyjama, erzähl ma kane Gschmauslaberln, i kriag die Pockerlfrasen, i kennt in mein Tamel vor Freud a Laberl werdn und und und … – das alles hätte es ohne diese Leute nicht gegeben, also nichts von dem, was die Stadt ausgemacht hat und wovon sie heute noch lebt.
(S. 21f)
© 2015 Wieser Verlag, Klagenfurt