logo kopfgrafik links adresse mitte kopfgrafik rechts
   
Facebook Literaturhaus Wien Instagram Literaturhaus Wien

FÖRDERGEBER

Bundeskanzleramt

Wien Kultur

PARTNER/INNEN

Netzwerk Literaturhaeuser

mitSprache

arte Kulturpartner

Incentives

Bindewerk

kopfgrafik mitte

Norbert Gstrein: Wem gehört eine Geschichte?

Fakten, Fiktionen und ein Beweismittel gegen alle Wahrscheinlichkeit des wirklichen Lebens.
Frankfurt / M.: Suhrkamp, 2004.
109 S.; brosch.; EUR (A) 15,30.
ISBN 3-518-41637-5.

Link zur Leseprobe

Die Linien, die uns die Welt in klar voneinander getrennte, überschaubare Einheiten trennen, sind längst verblasst. Boundary Wrapping gehört zu einer als immer komplexer empfundenen Welt. Positiv verstanden wird dadurch der Blick auf die Zwischenräume, der eine Perspektive jenseits von Schwarz/Weiß ermöglicht. Das Verwischen der Grenzen kann aber auch Illusion für Realität oder umgekehrt Realität für Illusion ausgeben.
Lange schon ist die Vermischung von Fact und Fiction in der Literatur gängige Praxis. Es erzeugt große mediale Aufmerksamkeit, wenn Fiktion für Realität ausgegeben wird, wie der Fall des Schweizers Bruno Grosjean, der als Binjamin Wilkomirski vorgeblich authentische Kindheitserinnerungen an seine KZ-Haft veröffentlichte, belegt. Manchmal wird die Literaturkritik im Feuilleton ganz aufgeregt (und gewinnt an Unterhaltungswert), weil sie in einem fiktiven Text Fakten erkennt und diesen dann als Schlüsselroman lesen kann. (Zuletzt in Eva Menasses "Vienna")

Im Fall von Norbert Gstreins Roman "Das Handwerk des Tötens", der von der Schwierigkeit über den (Balkan-)Krieg zu schreiben handelt, und in dem der Autor die Grenzen der Fiktion hinter sich lässt, wo er die tatsächliche Geschichte des Stern-Reporters Gabriel Grüner erzählt, hat die Auflösung der Grenzen zwischen Fiktion und Realität zu einer heftigen Kontroverse geführt. In ihrer Rezension in "Die Zeit" wirft Iris Radisch Gstrein vor, einen "ungemein sympathischen Kollegen" verunglimpft zu haben, und Sabine Gruber reagiert im Roman "Die Zumutung" mit der Figur des Schriftstellers Holztaler, der anstelle von Norbert Gstrein schlecht wegkommt. Darauf antwortet Gstrein mit der Polemik "Wem gehört eine Geschichte?".

Der Tiroler Autor beginnt damit, die Motive seiner Schrift offen zu legen. Er nennt dabei zweitens seine "Ehre", da er die Anschuldigung einem Toten übel nachgeredet zu haben ernst nehme, und zuerst noch das "Bedürfnis" deutlich zu machen, wie es in "Das Handwerk des Tötens" um das Verhältnis zwischen Fakten und Fiktion bestellt sei. Die Argumentation gipfelt in einer Bestimmung des modernen Schriftstellers als "Aufräumarbeiter", der es schafft, dass sich aus den Bruchstücken des Faktischen "am Ende doch Flugfähiges erhebe". Bei dieser Gelegenheit führt Gstrein gleich eine ganze Reihe von Gewährsleuten, von Uwe Johnson und W. G. Sebald über Marcel Beyer bis Danilo Kis an. Der Titel der Schrift lehnt sich übrigens an Imre Kertész' Essay "Wem gehört Auschwitz" an. Anregend in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen geschenkten und gekauften Geschichten. Am Beispiel von Berhard-Henri Lévys "Wer hat Daniel Pearl ermordet?" zeigt Gstrein paradigmatisch die Grenzen dessen auf, was die den Band ironisch dekorierende Schleife anpreist: "Based on a True Story". Dabei wendet sich Norbert Gstrein gegen das Realitätsprinzip als Maßstab für Literatur und plädiert an seiner Stelle für den Möglichkeitssinn und "sein viel freieres 'Es ist ...' oder 'Es ist nicht, wie es gewesen sein könnte'".

Der Eigenart einer Streitschrift gemäß ist in diesem Text nicht alles ganz sachlich, ätzende Bemerkungen, die die Gemeinten wohl auch verletzen, sind nicht zu überlesen. Neben den beiden oben erwähnten Frauen werden vor allem der Literaturbetrieb in Österreich und seine Spitzenvertreter frontal angegriffen. Ob das in einer Polemik, wie das ein Innsbrucker Germanist in einer Rezension meint, ein Skandal ist, sei dahingestellt. Da die Machart des angriffsfreudigen Aufsatzes gleichzeitig so geschliffen ist, kann sich ein nicht allzu dünnhäutiger außenstehender Leser sicher gut darüber amüsieren.

Helmut Sturm
2. August 2005

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

Link zur Druckansicht
Veranstaltungen
Junge LiteraturhausWerkstatt - online

Mi, 13.01.2021, 18.00–20.00 Uhr online-Schreibwerkstatt für 14- bis 20-Jährige Du schreibst und...

Grenzenlos? (Literaturedition Niederösterreich, 2020) - online

Do, 14.01.2021, 19.00 Uhr Buchpräsentation mit Lesungen Die Veranstaltung kann über den Live...

Ausstellung
Claudia Bitter – Die Sprache der Dinge

14.09.2020 bis 25.02.2021 Seit rund 15 Jahren ist die Autorin Claudia Bitter auch bildnerisch...

Tipp
LITERATUR FINDET STATT

Eigentlich hätte der jährlich erscheinende Katalog "DIE LITERATUR der österreichischen Kunst-,...

OUT NOW flugschrift Nr. 33 von GERHARD RÜHM

Die neue Ausgabe der flugschrift des in Wien geborenen Schriftstellers, Komponisten und bildenden...