Jakob Finci ist ein kleiner, aufgeweckter Mann, der leicht lispelt, fließend Englisch spricht und dabei mit dem riesigen rechten Ohr wackelt. An der holzgetäfelten Wand hinter dem Sessel, in dem er sich kerzengerade hielt, als nehme er eine Parade ab, hingen gerahmte Fotografien, die ihn mit den Großen der Welt zeigten: mit Papst Johannes Paul II. für alle Ewigkeit in ein vertrautes Gespräch versunken; mit dem über ein imaginäres Sarajevo des Krieges hinwegstrahlenden Ehepaar Clinton, bei dem er sich zwanglos untergehakt hatte; und mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, wie sie einander ein melancholisches Lächeln zuwarfen, das um all die Vergeblichkeit irdischen Strebens zu wissen schien. Seit bald einer Stunde wurde Finci nicht müde, auf jede meiner Fragen zu antworten, indem er witzige Anekdoten zum Besten gab oder verblüffende Vergleiche tief zurück in die Geschichte schlug. Schon bald, nachdem wir unsere Unterhaltung im Jüdischen Gemeindezentrum von Sarajevo begonnen hatten, war er dazu übergegangen, meine Fragen zu taxieren, "a good question" sagte er anerkennend, und gelegentlich steigerte er dies zu "a very good question", womit er zugleich ankündigte, daß er etwas weiter ausholen müsse, um sie zu beantworten.
(S. 9)
© 2001, Zsolnay, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.