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Leseprobe: Karl-Markus Gauß - "Der Mann, der ins Gefrierfach wollte"

 

Die Pflicht, gesund zu sterben

 

 

SO GESUND KANN einer sterben, wenn der Staat ihn nicht nur zum Tod, sondern auch zur Gesundheit verurteilt hat. In den Vereinigten Staaten von Amerika wird die Todesstrafe in vielen Bundesstaaten und auf allerlei Weise praktiziert. Da der Tod erst eintritt, wenn das Leben definitiv beendet ist, mag man ihn für das Ende jedweder Form von Gesundheit halten. Doch hat der Mensch, wenn er Amerikaner ist und zum Tode verurteilt, mehr als bloß das Anrecht, vielmehr die Pflicht, so zu leben, daß seine Gesundheit daran nicht leide. Der Todestrakt der Gefängnisse ist daher vor einigen Jahren zur strikten Nichtraucherzone erklärt worden. Nicht nur den Wärtern ist es verboten, die Todesverfallenen womöglich gesundheitlich zu schädigen, indem diese wehrlos, weil sie den Raum nicht einfach verlassen können, zu passiven Rauchern gemacht würden, auch den Häftlingen selber, deren Exekution mit Giftspritze, auf dem elektrischen Stuhl, durch Hängen am Seil, in der Gaskammer schon beschlossene Sache ist, wird fürsorglich der Umgang mit gesundheitsschädigendem Tabak untersagt.
In der Nacht vor der Hinrichtung aber, ehe ihnen unter medizinischer Aufsicht die Kanülen in der Ellbogenbeuge angelegt werden (ehe sie durch Stromstöße bis zu einer aus Augen und Ohren funkensprühenden Hitze geröstet werden), ist ihnen, in Erfüllung dessen, was als letzter Wunsch bezeichnet wird, gegebenenfalls auch das Rauchen einer Zigarette in einem für derlei Zwecke bestimmten Raum gestattet. Daß sie rauchend ihren Mithäftlingen, von denen sie nun scheiden, nicht mit schlechtem Beispiel vorangehen, ist dieses Raucherzimmer, weil in ihm gewissermaßen etwas Unanständiges geschieht, nämlich einem Genuß gefrönt wird, der die Kräfte des Körpers schädigt, von den Zellen der vielen ihrer Hinrichtung Harrenden nicht einsehbar.
So wird das Laster des Rauchens an einen geheimen, einen vorletzten Ort auf Erden verbannt, indes der Staat für seine letzte Tätigkeit an dem zum Tode verurteilten Bürger eine kleine, doch innig anteilnehmende Öffentlichkeit schafft. Handelt es sich etwa um einen Mörder, dem das Leben nach der letzten Zigarette genommen wird, so sind die Hinterbliebenen seines Mordopfers herzlich eingeladen, der Vorstellung, die fast immer zu ihrer Zufriedenheit gelingt, als Zuseher beizuwohnen. (S. 17f.)

© 1999, Paul Zsolnay Verlag Gesellschaft m.b.H., Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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