Solange Brand schwieg, würde Schrei nicht losbrüllen. Brand starrte, seinen Kopf gesenkt, auf die Tischplatte, und Schrei, hastig rauchend, schaute herausfordernd, mit verkniffenen Augen. Dann sagte Brand etwas von gegenseitigem Vertrauen. Schrei zog die Tageszeitung aus dem Sakko, donnerte sie mit einem lauten Knall auf den Tisch und fauchte zu Brand, das habe er von Brands sogenanntem Vertrauen zu halten. Brand und ein Freund, lächerlich. Brand solle sich davor hüten, ihn, Schrei zu seinem Gegner zu machen, denn ziehe er, Schrei, seine Finger von ihm, wäre Brand ein erledigter Mann. Was er sich überhaupt erlaube. Wer sei er denn. Ein zugelaufener, nicht untalentierter junger Mann, ein Federchen, ein Leichtgewicht, das ein Lufthauch wieder dorthin zurückschicke, wo es hergekommen sei, ins Dorf, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, sagte Schrei. Ihn, den Künstler Schrei, derart in den Dreck zu ziehen, eine Frechheit. Ihn Schrei, zu verraten und zu verleumden, eine Untat.
Wieder wurde, ohne anzuklopfen, die Tür laut und weit aufgestoßen, und dieses Mal verlangte eine junge Frau mit violetten Strähnen im Haar nach Allmeier. Die junge Frau suchte nach einem, wie sie sagte, kürzlich gekauften Koaxialkabel, ohne das sie den Power PC nicht installieren könnte.
Allmeier brauste auf, nannte die Junge eine Nervensäge, die sich gefälligst selbst um den Dreck scheren solle. Nicht sie, sonder die Macintosh hätten die Unordnung verursacht, antwortete diese ruhig, als betreffe Allmeiers Wutanfall nicht sie.
Die Macintosh? wollte Ferrini wissen, worauf Allmeier unwirsch zur Antowort gab, die jungen Herrschaften seien in zwei Glaubensgemeinschaften geteilt, denn die programmiersprachkundigen Hacker würden die Leute, die an den von Laien benützbaren Apple-Computern arbeiteten verächtlich die Macintosh nennen, primitive Schreibmaschinentipsen, Analphabeten, die sich an den heiligen Maschinen vergingen.
[...]
Brand, dieses Großmaul, entfuhr es Allmeier, die sich gleich darauf mit einer Handbewegung zwischen Empörung und Resignation korrigierte und meinte, Brand habe nicht ganz unrecht, wenn er sein Erstaunen darüber äußere, wie denkschnell und rhetorisch brillant diese jungen Leute von heute sich zu äußern wüßten, von einem durch nichts erschütternden Selbstbewußtsein getragen. In Wirklichkeit stecke aber nicht hinter den großen Tönen, sagte Allmeier, da alle nur den Mund vollnehmen, aber nichts Essentielles leisten würden. Eine Generation von Ankündern wachse heran, schlau und durchtrieben, von Werbefachleuten in eigener Sache.
(c) 1998, Haymon, Innsbruck.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.