Leseprobe:
Das deutsche Verteidigungsministerium wiegelte ab; Truppenbewegungen an der Südgrenze gebe es nicht, die Fotos und Filmchen seien wohl bei einer Übung der Gebirgspioniere aufgenommen worden und der kurze Gesprächsmitschnitt der beiden Offiziere wahrscheinlich eine Fälschung.
"Paps? Geht’s dir nicht gut?"
"Doch, gut. Sehr gut. Ausgezeichnet sogar", sagte Prähausner, bevor er auf den Sessel kippte, den ihm seine Tochter unter den Hintern schob.
"Mam hat recht. Du bist immer viel zu lange in der Arbeit. Warte, ich hol dir ein Bier." Die Besorgnis schien Franzi wieder munter gemacht zu haben. Sie lief in die Küche, und Prähausner hing auf seinem Sessel und starrte auf die Couch, wo der Schlafhase meiner Tochter verstört neben dem Kopfpolster sitzt. Ich habe das Tier mit den übergroßen Augen und den zerfransten Ohren noch nie wirklich leiden können, ich weiß nicht warum, und jetzt erinnert es mich absurderweise an Hubert und sein hysterisches Lachen. Da ruft einmal im Leben die BBC bei den Neuesten Grätzelnachrichten an, und dann geht ausgerechnet Hubert, dessen Englisch in den letzten Jahrezehnten regelrecht erodiert ist, an den Apparat, major, Bürgermeister, spricht er aus wie einen militärischen Titel, und wenn er etwas nicht verstanden hat, sagt er nicht can you repeat it, sondern can you say it again. Schon auf der Fahrt nach Bosnien hat er nicht wenige seiner Gesprächspartner mit diesem Englisch verstört, und Marina hat sich oft darüber lustig gemacht, Marina, die sich damals gerade eine Fremdsprache nach der anderen angeeignet hat, Kassette in den Walkman, Kopfhörer aufgesetzt, ganz gleich, ob sie in der Stadt unterwegs gewesen oder am Herd gestanden ist, Marina, die nie Vokabeln gelernt hat, die sich scheinbar niemals hat anstrengen müssen: Marina wird bereits mitbekommen haben, was hier unten los ist.
(S. 68f)
© 2020 Otto Müller Verlag, Salzburg