Als ich im Studio, in dem es nach Putzmitteln roch, vorbeisah, blinkte das rote Licht des Anrufbeantworters. Handy besaß ich keines, wollte ich keines, schon allein deshalb nicht, weil es keine Unterscheidung zwischen einem Binde- und Gedankenstrich macht: Die Frau aus dem Lokal, so stellte sie sich vor, bat um einen Termin, nicht ohne hinzuzufügen, dass ich eine angenehme Stimme hätte...
Ach, die Frau hatte ich fast schon vergessen – es lohnt sich nicht mehr, schöne Frauen im Gedächtnis zu behalten oder gar von ihnen zu träumen. Sie sind fast immer das Werk eines Chirurgen, und lässt sich das Alter nicht mehr betrügen, starrt einen bloß noch eine Fratze an. Ich sprach aber höflich auf ihre Box, schließlich hatte sie mir einen beachtlichen Vorschuss gezahlt, ich stand gewissermaßen in ihrer Schuld.
– Verärgere niemals einen Kunden, Gajin! pflegte mein Meister selbst nach drei Flaschen Sake zu verkünden, bevor er mich mit seinen glasigen schwarzen Knopfaugen seltsam anlächelte, ich mich in meine Kammer aus Papierwänden zurückzog und wartete, bis seine Füße über die Matten streiften und er sich auf seinen Futon legte, um in das Reich des Vergessens zu sinken.
Ich zündete dann meine Petroleumlampe an und bemühte mich, die wichtigsten Kanji in Hiragana-Umschrift zu erlernen, wofür ich ein kleines, teuer erworbenes Buch aus meiner Heimat mitgebracht hatte, in dessen vergilbten Seiten ich heute noch manchmal blättere: Himmel, Erde, Mann, Frau, Liebe, Hass, Schönheit, Schmerz...
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