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Leseprobe: Jakov Lind - "Selbstporträt."

Als die Deutschen eines Freitagmorgens in Österreich einmarschierten (Freitag, der Dreizehnte!), hatte Gott auf immer bei mir verspielt. Der Krieg gegen die Juden begann praktisch tags darauf. Am Samstag war ganz Wien ein riesiges Hakenkreuz. Falls Gott das gewollt hatte, und angeblich geschah ja alles nach seinem Willen, mußte er ein schändliches Ungeheuer sein, halb Krampus, halb feuerspeiender Drache. Und doch tat dieser gleiche Gott (die Deutschen, der Teufel) hier und dort etwas Gutes. Mir verschaffte er den lange herbeigewünschten Vorwand, nicht mehr regelmäßig die Schule zu besuchen. Hausaufgaben waren, Gott sei Dank, reine Zeitverschwendung geworden. Die Stadt hatte jetzt an Phrasen mehr zu bieten als hypothetische Dreiecke und lateinische Sätze. Im Sprechchor gebrüllte Naziparolen und marschierende SS- und SA-Formationen waren ein schöner und aufregender Unterricht in Philosophie, Politik und Soziologie. Ein Tscheche namens Navratil war Österreicher, ein Pole mit unaussprechlichem Namen war ebenfalls Österreicher. Italiener, Ungarn, Rumänen - allesamt Österreicher. Nicht aber ein Jude mit dem gut deutschen Namen Landwirth - nein. Ein Jude konnte nicht Österreicher sein. Ein Jude war eine Hyäne, ein Schwein, ein Schweinehund, ein Hund, ein Untermensch, ein Verbrecher, Lügner, Ungeheuer; nach dem 13. März war er alles dies und Schlimmeres amtlich. Ein neues Bewußtsein erwachte. (S. 48)

Der Krieg ist noch nicht vorüber. Die Welt ringsum ist immer noch dein Feind. Schreien sie um Hilfe, so stell dich taub; verlangen sie nach deiner Kraft, geh fort; appellieren sie an dein Mitgefühl, zeig ihnen Haß. Ehe ich ganz begriff, was geschehen war, erkannte ich, daß Leben nicht nur eine Sache des körperlichen Überlebens ist. Mitgefühl mit allen menschlichen Wesen ist nicht mehr der Kern, der Saft meines Lebens. Aus ihrer Schale gepreßt, verläßt die Seele den Körper, und du stirbst mit dem, dem du den Tod wünschst. (S. 125f.)

(c) 1997, Picus, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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