Ich bin experimenteller Schriftsteller. Diese leicht antiseptisch klingende Bezeichnung hat sich die Gesellschaft für Menschen mit meiner Perspektive ausgedacht. Wer nun annimmt, es handle sich dabei um eine Verhöhnung, hat nur teilweise Recht. Jeder kann nachlesen, dass sich diese Definition von einer Herangehensweise ableitet, zu deren Charakteristika es gehört, Sprache, vielmehr Text dazu einzusetzen, die Welt und ihre Wirklichkeit sowie den phänomenalen Zusammenhang, der zwischen beiden besteht, erfahrbar zu machen. Denn, was ist die Welt anderes, als eine von sprachlichen Zeichen begründete Ordnung? Und entwickelt sie sich nicht entlang unendlich vieler Impulse und Motive des Sprachdenkens weiter? Ich verwende Sprache nicht, um von der Welt und ihren Bewohnern zu erzählen, sondern um sie zu vervollkommnen, um einen ihrer vielfältigen Aspekte mit meiner kaum hörbaren Stimme begreiflich zu machen; das immense Feuerwerk, das die ganze Zeit über um uns herum abbrennt, für einen Sekundenbruchteil aufblitzen zu lassen. Mehr darf ich mir nicht erwarten, aber das reicht, um mich vom Großteil der Schriftsteller und Schriftstellerinnen, all jener, die sich mit einem gewissen Wohlgefallen als solche ansprechen lassen, zu unterscheiden. Im Gegensatz zu den Dichtern, den Erzählern, Schwärmern, Symbolisten, Metaphorikern und Brütern, bediene ich mich einer Methode, die man im Allgemeinen mit der Wissenschaft verbindet. Ich gehe experimentell vor. Ich stelle der Realität Fragen, um etwas über sie und damit über uns, ihre Insassen, herauszufinden. Die Bedingungen, unter denen ich die Wirklichkeit sprachlich untersuche, habe ich im Vorfeld exakt definiert.
(S. 14f.)
© 2008 Luftschacht Verlag, Wien.