Während die Titanic untergeht, wird im großen Saal noch getanzt oder zumindest so getan als ob.
Während also so ein wenig kompromissbereiter Eisberg ein ordentliches Loch in meine Hoffnungen, Träume und sonstigen Befindlichkeiten reißt, während eiskaltes, arktisches Wasser meine Lebensqualität, – konkret: meinen Kontostand, meinen Ehrgeiz und meine Zahlungsmoral dem Staat und seinen Abgabenforderungen gegenüber ordentlich durcheinander wirbelt – wovor mein Steuerberater immer mit einem eindringlichen "Bauen Sie Rücklagen auf, Frau Klein! Rücklagen!" gewarnt hat –, schlendere ich durch die Einkaufsstraße, lasse mir mein Eis schmecken und ärgere mich nur mäßig über das Gewicht meiner Laptoptasche.
Ich habe die Jacke meines Zweiteilers über die Tasche gelegt, hier in der Sonne macht es nichts, wenn ich darunter nicht allzu zugeknöpft bin. Ich habe meine Dreadlocks mit einem Haarband hochgebunden, so kommt Luft an meinen Hals, so kann der Wind mein System ein wenig kühlen. Ich rufe den Freund an, der in Milchprodukten macht, und frage ihn, ob seine Firma zufällig eine neue Produktlinie lanciert. Ich, sage ich und äffe dabei Franks Ton nach, hätte voraussichtlich noch Kapazitäten. Mein Freund lacht und sagt: "Schlimmer Tag heute?" Das Mitgefühl seiner Stimme gibt mir den Rest und treibt mir Tränen in die Augen. Ich beiße schnell ins Mangoeis und tue so, als wäre die Eiseskälte, die in meine Zahnwurzeln schießt, schuld an meiner belegten Stimme. Ich verschlucke mich und huste.
Wem willst du was vormachen, fragt mein Karma.
"Ist alles okay?" fragt mein milchprodukteverhökernder Freund. Und wie. Und ob er Lust habe, einen Kaffee zu trinken, ich wäre gerade in der Nähe. Stimmt nicht ganz, aber ich habe Lust auf Gesellschaft und sonst nicht viel vor. Leider bin ich die einzige mit freien Kapazitäten. Wir planen ganz fest, uns bald zu treffen und legen in der Gewissheit auf, uns nicht so schnell wiederzusehen. (S. 68f)
© 2008 Milena Verlag, Wien.