Mit seinem Namen sei nichts zu machen, hatte ihm schon Toscanini gesagt und Herbert von Karajan bestätigte es. "Hermann", so Karajan, sei schon schlimm genug, doch ein erträgliches Übel, auch er selbst, Karajan, müsste unter seinem Zweisilbler als Vorname leiden, doch es käme immerhin noch etwas danach, das wie beste Musik klingen könnte, wenn man sich bemühte, dieses "von Karajan" mit der gebührenden Zungenfertigkeit und Leichtigkeit des Atems auszusprechen. Ja, richtig dirigiert oder gar gesummt, mit etwas Lippenstift auf zarten Bratschistinnenlippen, klänge dieser Namen gar wie ein Walzer, mit einem Auftakt noch dazu. "Bahr" hingegen wäre ein Name bar jeder Musik und dadurch als Name ein musikalischer Leichnam, bemerkte Karajan mit aller Vorsicht, während Toscanini durchaus unvorsichtiger und ungestümer sogar aufschrie, aus Angst, schon beim Hören dieses Namens Verwesungsgeruch in der Nase zu haben, was ihn zwar nicht störte, da er alles Süße und Süßliche durchaus gerne vertrug, womit aber Hermann Bahr, der seinen Namen so gerne gesungen gehört hätte, nicht und nicht leben wollte, obwohl er es musste, mit einer toscaninischen Namensleiche auf der Zunge, mit dem eigenen toten Namen im Kopf, von Toscanini gleichsam endgültig ermordet und zu lebenslänglicher Verwesung verdammt, solange dieses "Hermann" seines eigenen Bahrs noch denken können wollte.
(S. 73 f.)
© 2006, Otto Müller Verlag, Salzburg.