Als ich mich abends hinsetzte, um das Buch von Ernst H. Kantorowicz über "The King's Two Bodies. A Study in Mediaeval Political Theology" endlich in die Hand zu nehmen und durchzuackern, und mir einen Schwarztee einschenkte, der mich über das muffig madige Wort Bergamotte nachdenken ließ, während sich das Aroma wie ein Geist aus der Kanne entfaltete, der mir das Lesen der Studie so behaglich wie möglich gestalten sollte, um so lange wie möglich durchzuhalten, läutete es plötzlich an der Tür.
Erst wollte ich mich nicht bemerkbar machen. War froh, allein zu Hause zu sein, hatte eine anstrengende Nacht und einen anstrengenden Tag hinter mir. Draußen wüteten heftige, ja katastrophenartige Schneefälle. Wer schlittert bei solchen Witterungsverhältnissen ausgerechnet zu mir? Die Haustür hatte offen gestanden, das Schloß funktionierte nicht. Deshalb das Geläute gleich heroben an meiner Tür. Ich horchte und konnte nichts hören. Da ich noch im Velourskleid steckte, das mir wie eine zweite Haut paßte, die ich nicht ausbeulen wollte durch das Herumlungern auf dem Sofa, also ohnehin noch einmal hätte aufstehen müssen, um mich umzuziehen, und da ich auch noch nicht angefangen hatte, mich mit den "Two Bodies" dieser unauflöslichen Körpergemeinschaft einer persona ficta und non ficta zu beschäftigen, nichts mehr essen wollte, mich aber unterhalten und vielleicht meine Neugier stärker war als jedes Interesse, schlug ich das Buch zu und legte es neben den Earl Grey, erhob mich und ging und öffnete die Tür.
(S. 7)
© 2002, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, München.